

Leistenbruchoperationen waren in 1 Prozent aller bis zum
31.12.2006 abgeschlossenen 31.877 Begutachtungsverfah-
ren gutachtlich zu überprüfen. Seit Mitte der 1990er Jahre
ist der Anteil der festgestellten Behandlungsfehler deutlich
von vormals 39 Prozent auf derzeit 25 Prozent rückläufig,
wobei die Verfahrenswahl – konventionell versus minimal-
invasiv – keine Rolle spielt.
Drei Viertel der Leistenhernien waren konventionell ope-
riert worden. Behandlungsfehler bei einer endoskopisch
operierten Leistenhernie waren bereits vor einem Jahr
Gegenstand der Berichterstattung
(Rheinisches Ärzteblatt
1/2006, siehe auch Seite 97)
. Bei Vorliegen einer Rezidivhernie
waren im Durchschnitt häufiger Behandlungsfehler zu be-
stätigen nämlich in 8 von 13 Fällen.
Aufklärungsrügen wurden mit 22 Prozent häufiger erhoben
als im Durchschnitt aller abgeschlossenen Begutachtungs-
verfahren (16 Prozent). Berechtigt waren nur 4, wobei die
festgestelltenAufklärungsmängel bei ansonsten sachgerech-
tem Vorgehen einmal zur Haftung des Arztes führten.
Behandlungsfehler
In 7 der in den letzten 5 Jahren abgeschlossenen 96 ein-
schlägigen Verfahren war die Indikation nicht gegeben be-
ziehungsweise aufgrund der individuellen Risikosituation
des Patienten verfrüht. Eine beidseitige laparoskopische
Herniotomie mit Kunststoffnetzeinlage stellt bei minimalem
einseitigen Ausgangsbefund eine Übertherapie dar.
Wird infolge eines Organisationsverschuldens des Pflege-
personals fälschlicherweise die nicht betroffene Leiste ope-
riert, so haftet der operierende Arzt für die Folgen der
Verwechslung, da er sich unmittelbar vor der Operation
Gewissheit über die Seitenlokalisation des krankhaften Be-
fundes verschaffen muss.
Operationstechnische Fehler wurden in 7 Verfahren festge-
stellt. Im Zuge eines Anscheinsbeweises ist beispielsweise
davon auszugehen, dass eine erhebliche Harnblasenhalsver-
letzung von 4 x 4 cm bei einer endoskopischen Herniotomie
durch unzureichende Präparation entstanden und diese bei
der Kontrolle des Situs vor Beendigung der Operation in-
folge eines Sorgfaltsmangels nicht erkannt worden ist.
Haftung
In der Hälfte der 96 geprüften Verfahren waren im Verlauf
Revisionsoperationen erforderlich; hierfür sollten die Ärzte
in 13 Prozent haftungsrechtlich eintreten
(siehe Tabelle 2,
Seite 115)
. Häufigste methodenimmanente Komplikationen
waren die Infektion (28 Prozent) und zu gleichen Teilen
Nachblutungen, oberflächliche Nervenläsionen und Hoden-
nekrosen (17 Prozent).
In 21 Verfahren wurde die Frage der Haftung für eingetrete-
ne Gesundheitsschäden bejaht; hierunter 8 leichte bis
mittelgradige Dauerschäden wie beispielsweise die Hälfte
der eingetretenen Hodenatrophien sowie einer von zwei
Todesfällen.
Sorgfaltsmängel
Am häufigsten wurden Fehler bei der postoperativen Be-
treuung der Patienten festgestellt
(Tabelle kann bei der Redak-
tion angefordert werden)
. Nachfolgend sind die in den Begut-
achtungsfällen festgestellten Anforderungen an die Behand-
lung und die festgestellten Fehler bezogen auf die drei häu-
figsten Komplikationen kurz dargestellt:
Nachblutung
Klinische Hinweise für eine Nachblutung müssen umge-
hend durch Befund- und Laborkontrolle verifiziert oder aus-
geschlossen werden. Werden bei einem subkutanen Häma-
tom unmittelbar postoperativ mehrfache Verbandswechsel
erforderlich, sollte – insbesondere bei adipösen Bauchdecke –
das Ausmaß des Hämatoms in der Tiefe durch Sonographie
gesichert werden.
Eine kreislaufwirksame Nachblutung erfordert eine umge-
hende Revisionsoperation zur Sicherung und Sanierung der
Blutungsquelle. Wird beispielsweise eine elektive Leisten-
bruchrezidivoperation bei einem antikoagulierten Hochrisi-
kopatienten bei noch bestehender Gerinnungsstörung – und
damit verfrüht – durchgeführt und erfolgt die Revisionsope-
ration bei bereits ausgedehntem retroperitonealem Häma-
tom verspätet erst am 3. postoperativen Tag ohne definitive
Blutstillung, so haben die Ärzte für den infolge des hämor-
rhagischen Schocks eingetretenen Tod des Patienten haf-
tungsrechtlich einzustehen.
Infektion
Zeigen sich in der postoperativen Phase Anzeichen für eine
Wundinfektion, ist der Lokalbefund genau zu dokumentie-
ren und zeitgerecht zu kontrollieren. Weiterhin sind eine
Sorgfaltsmängel nach Leistenbruch-OP
Tabelle 1: Gutachterkommission Nordrhein Verfahren 2000–2005
Verfahren insgesamt
7.390 (100,0%)
Leistenherniotomien
96 (1,3%)
konventionell
74 (77,1%)
minimal-invasiv
22 (22,9%)
Behandlungsfehler
24
(25,0%)
konventionell
18 (24,3%)
minimal-invasiv
6 (27,3%)
Aufklärungsrüge erhoben
1.212 (16,4%)
Leistenherniotomien
22 (22,9%)
Aufklärungsmangel festgestellt 4 (4,2%)
Mangel haftungsbegründend* 1 (1,0%)
* Behandlungsfehler (BF) verneint
114
Gutachtliche Entscheidungen