

griffs einzustehen. Denn mangels Dokumentation
konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Pa-
tientin neben den genannten Risiken wie Nachblutung,
Wundinfektion,Wundheilungsstörung und Zahn-
schäden auch über mögliche Beeinträchtigungen der im
Operationsbereich verlaufenden Nerven aufgeklärt wor-
den war
(Fall Nr. 2006/0229)
.
Nach erfolgloser konservativer zahnärztlicher Behand-
lung rezidivierender quälender Zahnschmerzen nahm
der beschuldigte Mund-, Kiefer-und Gesichtschirurg in
Narkose die indizierte Extraktion der Zähne 17 und 18
vor. Hierbei kam es zu einer nicht sicher vermeidbaren
Tuberfraktur mit Eröffnung der Kieferhöhle, über wel-
che die Patientin präoperativ nicht ordnungsgemäß auf-
geklärt worden war. Der Aufklärungsmangel führte
jedoch nicht zur Haftung des Arztes, weil davon auszu-
gehen war, dass die Patientin wegen ihrer erheblichen
Beschwerden dem Eingriff auch nach entsprechender
Risikoaufklärung zugestimmt hätte
(Fall Nr. 2005/1740)
.
Die intraoperativ getroffene Entscheidung, auch Anteile
des Stirnmuskels zu exzidieren, um den unerwartet aus-
gedehnten Schläfentumor unklarer Dignität vollständig
zu entfernen, war nicht zu beanstanden. Der Operateur
konnte auch ohne Aufklärung der Patientin über das mit
der unvorhersehbar notwendigen Eingriffserweiterung
verbundene Risiko der hier eingetretenen inkompletten
Verletzung des Stirnastes des N. facialis vom Einver-
ständnis der Patientin ausgehen, weil sie sich in dem
Einwilligungsformular generell mit einer ggf. notwendi-
gen Operationsausdehnung einverstanden erklärt hatte
(Fall Nr. 2005/1120)
.
Zur Sicherungs-Aufklärung
Die therapeutische oder Sicherungs-Aufklärung dient im
Wesentlichen der Aufklärung des Patienten über therapie-
richtiges Verhalten zur Sicherung des Heilerfolgs. Als ver-
tragliche Pflicht umfasst sie beispielsweise die Aufklärung
des Patienten über eine seinem Gesundheitszustand ent-
sprechende Lebensweise, über Folgen der Behandlung so-
wie die Notwendigkeit, diese zu beobachten und dem Arzt
mitzuteilen, über die richtige Einnahme verschriebener
Medikamente, über die Dringlichkeit einer gebotenen
Diagnostik oder Therapie u. a. m. Die Verletzung dieser
Pflicht ist kein Mangel der Eingriffsaufklärung, sondern
ein Behandlungsfehler. Deshalb trifft die Beweislast dafür,
dass der Arzt die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung
verletzt hat, grundsätzlich den Patienten. Er hat auch nach-
zuweisen, dass er sich nach erfolgter Aufklärung therapiege-
recht verhalten hätte; Zweifel daran, dass die Schädigung
bei therapiegerechtem Verhalten vermieden worden wäre,
hat er auszuräumen
(Steffen/Pauge, a. a. O., Rn. 574 ff.)
.
Auch bei der Sicherungsaufklärung hat die Dokumentation
erhebliche Bedeutung. Einer ordnungsgemäßen, zeitnah ge-
führten und widerspruchsfreien Dokumentation ist nach
der Rechtsprechung bis zum Beweis des Gegenteils zu ver-
trauen. Lücken in der Dokumentation können hingegen zu
der Vermutung führen, dass die im Rahmen der Sicherungs-
aufklärung notwendigen Hinweise nicht gegeben worden
sind. In einem solchen Fall können Dokumentationsmängel
dem Patienten Erleichterungen für den Beweis eines Be-
handlungsfehlers, unter Umständen bis zur Beweislast-
umkehr bringen.
Bespiele:
Einem niedergelassenen Arzt, der einen 38-jährigen
Patienten wegen eines malignen Melanoms auf dessen
ausdrücklichen Wunsch ausschließlich mit naturheil-
kundlichen Mitteln behandelte, war vorzuwerfen, den
Patienten nicht eindeutig auf die fehlenden Erfolgsaus-
sichten der gewünschten Behandlung hingewiesen zu
haben, obwohl ihm schon zu Beginn der Behandlung
klar gewesen sein musste, dass die Erkrankung durch
die nicht indizierte medikamentöse Therapie mit
Tationil
®
(Glutathion) allein nicht günstig zu beein-
flussen war
(Fall Nr. 2004/0217)
.
Weisen die Ärzte den Patienten im Abschlussgespräch
einer sportmedizinisch-leistungsdiagnostischen Unter-
suchung und durch einen diesem ausgehändigten Arzt-
brief auf pathologische Veränderungen des Herzens und
der Aorta hin und befolgt der Patient die gleichfalls
gegebenen Empfehlungen zu ergänzenden Unter-
suchungen und Kontrollterminen nicht, so liegt kein
Behandlungsfehler der Ärzte vor, der für den Eintritt
einer Aortenruptur verantwortlich zu machen wäre
(Fall Nr. 2006/1593)
.
Zusammenfassung
Anders als bei der Haftung für Behandlungsfehler liegt die
Beweislast dafür, dass der Patient nach ausreichender Auf-
klärung über die Chancen und Risiken der Behandlung
rechtswirksam in den Heileingriff eingewilligt hat, nicht bei
dem Patienten, sondern dem Arzt. Der Dokumentation von
Zeitpunkt und wesentlichem Inhalt des ärztlichen Aufklä-
rungsgesprächs kommt dabei oftmals entscheidende Bedeu-
tung
zu.Anden ärztlichen Einwand der so genannten hypo-
thetischen Einwilligung stellt die Rechtsprechung strenge
Anforderungen. Dem Haftungsrisiko aus Mängeln der Risi-
koaufklärung lässt sich durch geeignete organisatorische
Maßnahmen in Klinik und Praxis, die eine rechtzeitige, um-
fassende und dokumentierte Patientenaufklärung sicher-
stellen, wirksam begegnen.
Verstöße gegen die Pflicht zur Sicherungsaufklärung sind
Behandlungsfehler, für die grundsätzlich der Patient be-
weispflichtig ist. Insoweit gelten die in Teil 1 und 2 dieses
Beitrags dargelegten Besonderheiten. Die sorgfältige Doku-
mentation der im Rahmen der Sicherungsaufklärung gege-
benen therapeutischen Hinweise dient nicht nur der Siche-
rung der Behandlung,sondern auch derHaftungsprophylaxe.
H. Dieter Laum und Ulrich Smentkowski
Kausalität, Beweiswürdigung und Beweislastverteilung in der Arzthaftung
Gutachtliche Entscheidungen
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