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hätte, dass Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte,

und wenn in der Nichterkennung und/oder im Unterlassen

dieser Maßnahme („Nichtreaktion“) ein schwerer Fehler zu

sehen wäre.

Fehlerhaft wurde ein 50-Jähriger nach perkutaner Nephro-

litholapaxie am 11. Tag trotz postinterventionellem Hb-

Wert-Abfall um 6,1 g/dl auf 7,1 g/dl ohne jedwede Diagnos-

tik entlassen. Erst andernorts wurden als Ursache eine Leber-

kapselblutung und ein großes retroperitoneales Hämatom

erkannt, das ausgeräumt wurde.

Tödlich verlief ein ähnlicher Fall eines 62-Jährigen nach ei-

ner perkutanen Angioplastie mit Stent bei hochgradiger in-

frarenaler konzentrischer Aortenstenose. Postinterventio-

nell zweimal und um 19:15 Uhr wurden Rückenschmerzen

analgetisch behandelt.Als der Patient auf der Normalstation

gegen 21:15 Uhr kaltschweißig wurde, der Blutdruck sys-

tolisch auf 70 mmHg abfiel, ein Pulsfrequenzanstieg auf

98/min. vorlag und das Labor um 21:45 Uhr einen Hb-

Abfall um 2,7 g/dl auf 11,9 g/dl und eine Leukozytose von

18.700 zeigte, hätte der Arzt vom Dienst den Patienten in

Augenschein nehmen, eine dringend gebotene bildgebende

Diagnostik mittels Abdomensonographie oder Computer–

tomographie, eine kurzfristige Blutbildkontrolle und eine

Intensivüberwachung veranlassen müssen, auch wenn es

dem Patienten nach telefonisch angeordneter Kochsalzinfu-

sion gerade besser ging. Um 4:15 Uhr wurde der Patient mit

nicht mehr messbarem Blutdruck aufgefunden. Er verstarb

trotz Not-OP an einem therapierefraktären hämorrha-

gischen Schock nach teilweiser Stentperforation mit

Massenblutung, wofür die Ärzte aufgrund der Beweislast-

umkehr infolge eines schweren Behandlungsfehlers aufzu-

kommen hatten.

Fehlende Zurkenntnisnahme oder Verkennung von Befunden

(165-mal, darunter 14-mal bei Infektion)

Nach keimfreiem ersten Abstrich zeigte sich im zweiten Ab-

strich nach einemWirbelsäulenrevisionseingriff mit Wund-

heilungsstörung, dass das verabreichte Antibiotikum gegen

die vorliegenden Keime der Darmflora unwirksam war. Ei-

ne Umstellung erfolgte nicht; der Patient wurde fehlerhaft

bereits zehn Tage später bei zwar rückläufigem, aber noch

erhöhtem CRP von 69 mg/l und ohne Empfehlung einer

sachgerechten Antibiotikatherapie entlassen. Es entwickelte

sich ein Abszess, der andernorts ausgeräumt wurde.

2. Unterlassen zeitnaher Maßnahmen

(272-mal, davon 69-mal bei Infektion)

Nach einer elektiven, laparoskopisch assistierten Colonteil-

resektion nach erstem Schub einer segmentalen Divertiku-

litis bei einem 34-Jährigen wurde bei eindeutig akutem sep-

tischen Geschehen postoperativ eine Computertomographie

zum Ausschluss/Bestätigung einer Anastomoseninsuffi-

zienz zwar am Morgen angeordnet, jedoch erst nachmittags

durchgeführt. Trotz Notfall-Indikation erfolgte die Revisi-

onsoperation verspätet erst am anderen Morgen.

3. Ergriffene Maßnahmen fehlerhaft

(170-mal, davon 30-mal bei Infektion)

Die erneute parenterale Gabe von Metamizol zur postopera-

tiven Schmerztherapie nach einer zwölf Stunden zuvor fest-

gestellten und mitgeteilten metamizolinduzierten Aganulo-

zytose hätte organisatorisch verhindert werden müssen.

4. Kein Beiziehen von Fachärzten anderer Disziplinen

(27-mal, davon 4-mal bei Infektion)

Trotz deutlicher Dyspnoe und einem Stridor bei einem Pa-

tienten nach einer beidseitigen Schilddrüsenoperation wur-

de erst am zwölften Tag ein HNO-Arzt beigezogen und die

bei beidseitiger Rekurrensparese empfohlene Tracheotomie

behandlungsfehlerhaft als Punktionstracheostoma durchge-

führt, obwohl davon auszugehen war, dass der Patient über

eine längere Zeit tracheotomiert bleiben würde.

5. Keine Sicherungsaufklärung

(114-mal, davon 17-mal bei Infektion)

In zwei Dritteln der Fälle war die unterlassene Sicherungs-

aufklärung für die Sicherstellung der Nachbehandlung

wichtig, in den übrigen Fällen galt es, den Patienten über

eingetretene Komplikationen zu unterrichten.

Nach einer Tumornephrektomie wurde es versäumt, den Pa-

tienten über die Fortführung der fürweitere dreiWochen er-

forderlichen Thrombose-Prophylaxe zu informieren. Hepa-

rinspritzen waren auch nicht unter den zur Überbrückung

mitgegebenen Medikamenten. Vier Tage später trat eine tie-

fe Beinvenenthrombose auf.

6. Hinweise auf Organisationsdefizite

(114-mal, davon 31-mal bei Infektion)

Schwerwiegend fehlerhaft war es, dass eine 58 Kilogramm

schwere, intra- und postoperativ kreislaufstabile Patientin

nach einer Magenoperation bei Stromatumor in der Auf-

wachphase eine überhöhte Schmerzmittelgabe von 15 mg

Dipidolor intravenös in drei Einzeldosen innerhalb von

15 Minuten erhielt und verfrüht bereits 15 Minuten später

auf die Normalstation verlegt wurde. Die dort kurze Zeit

später aufgetretene Apnoe wurde durch eine Mitpatientin

erkannt, sodass die Patientin zeitnah reanimiert wurde. Ein

Zwischenfallbericht fehlte.

Nicht so viel Glück hatte ein 68-jähriger Patient während

der Verlegung vom Aufwachraum auf die Intensivstation.

Trotz instabiler, überwachungspflichtiger Kreislaufsitua-

tion nach einer komplizierten Aortenprothesenoperation

(OP-Dauer 5:45 Stunden) mit erhöhtem Blutverlust wurde

der Patient nach der unmittelbar postoperativen Extubation

zügig ohne Monitorüberwachung verlegt und traf auf der

Intensivstation bradykard (HF 40/min.) und bewusstlos

ein. Ob der Zustand des Patienten dort zunächst nicht be-

merkt und die Re-Intubation verzögert wurde, konnte bei

sich widersprechenden Angaben der Beteiligten und fehlen-

dem Protokoll über einen Zeitraum von 35 Minuten von der

Kommission nicht festgestellt werden. Der Überwachungs-

mangel wurde als grob fehlerhaft bewertet und die Ärzte

mussten für das schwere neurologische Defizit des dauer-

Gutachtliche Entscheidungen

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Fehler bei der postoperativen und postinterventionellen Betreuung