

Überwachung einer Venenkatheteranlage
Gutachtliche Entscheidungen
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39,5 auf 37 % (normal 38 bis 52%), Thrombozyten noch
normal, leichter Elektrolytmangel und weiterer massiver
Anstieg des CRP auf 38,6 mg /dl.
Die Einstichstelle derVenenverweilkanüle (gezogen am 21. Au-
gust) wurde am 23. August ärztlich untersucht und dabei ei-
ne „lokale Rötung mit mäßiger Verhärtung“ ohne begleiten-
de Schwellung festgestellt. Über Anlage, Überwachung und
nachfolgende Untersuchungen beziehungsweise Behand-
lung der rechten Ellenbeuge gibt es keine weitere Dokumen-
tation.
Am 23. August klagte die Patientin über „Gelenkschmerzen
in Ruhe (und) bei Bewegung der linken Schulter“. Am
24. August wurde ein Exanthem im Bereich der linken
Schulter und angrenzenden Haut als Voltaren
®
-Allergie ge-
deutet und behandelt. Nach vorübergehend am 25. August
rückläufigen Gelenkbeschwerden klagte die Patientin am
Vormittag des 26. August über zunehmende „Muskelschmer-
zen beider Arme“, am Nachmittag über „diffuse myalgie-
forme Beschwerden insbesondere in den Beinen“ und über
„Schmerzen bei der Inspiration“, ohne dass ein auffälliger
kardio-pulmonaler Auskultations- oder Röntgenbefund
fassbar war.
Nach der späteren Äußerung des behandelnden Arztes soll
die Einstichstelle „eine Fibrin-Kruste, aber keine Hinweise
für eine Abszedierung oder fortgeleitete Infektion“ gezeigt
haben. Am Nachmittag des 26. August soll sich nach der
Darstellung des Lebensgefährten der Patientin bei einer Be-
wegungsübung „eine große Menge Eiter“ aus der Einstich-
stelle entleert haben. Ein solcher Vorgang ist nicht doku-
mentiert. Seitens des Arztes wurde ohne Untersuchung ein
Rivanol
®
-Verband angeordnet; ein Abstrich zwecks Erreger-
nachweises wurde nicht vorgenommen. Das seit demAbend
des 20. August festgestellte Fieber war bis einschließlich
26. August remittierend mit Differenzen am Tag von nicht
mehr als 1,5° C, bei Maximalwerten um 38,6° C. Eine anti-
biotische Therapie fand nicht statt.
Verlegung auf Intensivstation
Am Abend des 26. August wurde bei der Überprüfung des
Blutdrucks festgestellt, dass er am linken Arm nicht messbar
war und am rechten nur einen Wert von 50 mmHg hatte.
Darauf ordnete der diensthabende Arzt an, die zur Linde-
rung der diffusen Muskelschmerzen laufende Jonosteril
®
-
Infusion mit einer Ampulle Novalgin
®
zu unterbrechen und
zur Volumensubstiution durch eine Infusion von Hydroxy-
ethylstärke (HAES
®
) zu ersetzen. In den folgenden Stunden
wurden davon insgesamt 1000 ml infundiert. Da sich die
Kreislaufsituation nicht besserte und der Allgemeinzustand
verschlechterte, wurde die inzwischen bewusstseinsgetrüb-
te und über massive Schmerzen in den Extremitäten klagen-
de Patientin am 27. August gegen 1.00 Uhr auf die Intensiv-
station verlegt.
Die Überprüfung des Blutbildes ergab nun einen Abfall der
Leukozyten auf 8/nl, der Erythrozyten auf 2,01/pl, des Hä-
moglobins auf 6 g/dl, des Hämatokrit auf 18,9 Prozent, der
Thrombozyten auf 76/pl, einen massiven Anstieg der Krea-
tinkinase auf 3799 U/I (normal 13 bis 58) und des herzmus-
kelspezifischen Isoenzyms (CPK-MB) auf 48 U/I (normal
0 bis 16) sowie eine erheblich gestörte Blutgerinnung. Die
harnpflichtigen Substanzen im Blut waren erhöht, die Blut-
gasanalyse ergab eine ausgeprägte metabolische Azidose.
Die Behandlung erfolgte jetzt nach den Regeln der Intensiv-
medizin. Erstmals wurde ein Antibiotikum (Beta-Lactam)
intravenös appliziert. Nach vorübergehender Besserung der
Kreislaufsituation kam es gegen 4.15 Uhr zu einer akuten
Herz-Kreislauf- und Atem-Insuffizienz. Intubation und
maschinelle Beatmung sowie weitere Maßnahmen zur Be-
hebung von schwerwiegenden Herz-Rhythmusstörungen
blieben erfolglos. Die Reanimationsmaßnahmen wurden
um 5.34 Uhr beendet. Eine Obduktion fand auf Wunsch
der Angehörigen nicht statt.
Gutachtliche Beurteilung
Anlass für die stationäre Behandlung war eine akute in-
fektiöse Diarrhöe mit Symptomen einer hypotonen Kreis-
laufstörung. Eine solche Erkrankung verläuft gewöhnlich
selbstlimitierend; sie benötigt Ruhe, orale Zufuhr von Flüs-
sigkeiten, eventuell mit Zusatz von Elektrolyten und Zucker
sowie bei schweren Verlaufsformen mit starker Austrock-
nung intravenös elektrolythaltige Infusionen. Die Patientin
bekam für drei Tage Infusionen, um den peripheren Kreis-
lauf rasch und nachhaltig zu stabilisieren. Insoweit hatte die
Kommission noch keinen Anlass zu Beanstandungen.
Fehlerhaft war es jedoch, die Venenverweilkanüle länger als
notwendig zu belassen und erst am 21.8. nach einer Liege-
zeit von mindestens 87 Stunden zu entfernen. Diese Verzö-
gerung war auch deshalb zu beanstanden, weil bereits ein-
deutige lokale Entzündungszeichen mit erhöhten fieberhaf-
ten Temperaturen vorlagen.
Anzeichen einer Sepsis
Weiter war es fehlerhaft, bei akut aufkommendem und
tagelang anhaltendem hohen Fieber nicht eine Sepsis in die
differenzialdiagnostischen Erwägungen einbezogen zu ha-
ben, zumal die Entzündung im Bereich der Einstichstelle
auf das Eindringen von Bakterien in die Blutbahn und da-
mit auf eine bakterielle Infektion hinwies. Vorwerfbar feh-
lerhaft war deshalb vor allem die Unterlassung der bakterio-
logischen Untersuchung des Exsudats und von Blutkulturen
mit der Folge, dass die Sepsis nicht frühzeitig erkannt und
behandelt wurde.
Wären die Blutkulturen steril geblieben, hätten gegebenen-
falls Proben aus dem Gebiet der Primärinfektion oder der
erkennbar infizierten Hautläsion entnommen werden kön-
nen. Die Durchführung einer Echokardiographie war ohne-
hin indiziert, weil die Patientin bei der Aufnahmeuntersu-
chung am 17. August im EKG eine ausgeprägte Erregungs-
rückbildungsstörung aufwies, die auch bei den nachfolgen-
den Kontrollen nachgewiesen wurde und ursächlich unge-
klärt blieb.
Den dringenden Verdacht auf eine Sepsis begründete spä-
testens der am 23. August festgestellte massive Anstieg des
CRP auf 22 mg/dl in Verbindung mit den zunehmenden
Schmerzen in der linken Schulter.