

Mammakarzinom
Die aufgeführten vorwerfbaren Unterlassungen des Radio-
logen haben nach Auffassung der Kommission entscheidend
dazu beigetragen, dass im September die weiterführende
Diagnostik zur Erkennung des Karzinoms versäumt wurde
und erst mit einer Verzögerung von fünf Monaten sachge-
recht behandelt werden konnte.
Ergänzend zum Thema
Im letzten Jahrzehnt hat sich die Zahl der von der Gutachter-
kommission festgestellten Behandlungsfehler in der Mamma-
Diagnostik deutlich erhöht. Bis 1990 wurden 42 Prozent der
deswegen gegen Gynäkologen und Radiologen erhobenen
Vorwürfe als begründet beurteilt (allgemeine Behandlungs-
fehlerquote 1990: 34 Prozent). Ab 1991 stieg die Quote zeit-
weise (1996) bis auf 85 Prozent an. Seit 1998 scheint dieser
Negativtrend rückläufig.Die Fehlerquote fiel auf 63 Prozent
und im Jahr 2000 auf rund 50 Prozent.
Die Feststellungen ab 1991 beziehen sich auf insgesamt 157
Begutachtungsverfahren, in denen nach der Kommissions-
beurteilung bei 89 Patientinnen ein Mammakarzinom ver-
kannt worden war. Bei 43 Patientinnen führte die vorwerf-
bar verspätete Feststellung des Mammakarzinoms zu einer
Therapieverzögerung von bis zu 6 Monaten, bei 27 Patien-
tinnen von 7 bis 12 Monaten und bei 19 Patientinnen von
über 1 Jahr, darunter in 2 Fällen von mehr als 2 Jahren.
Die Verkennung eines Mammakarzinoms stellt den häufigs-
ten der von der Gutachterkommission festgestellten vor-
werfbaren Behandlungsfehler dar.
Die Sorgfaltsmängel der Gynäkologen betrafen
unzureichende Palpation der Brüste
Unterlassung indizierter Mammographien
Versäumnisse weiterer diagnostischer Maßnahmen
bis hin zur Probeexcision zur Klärung der Dignität
tastbarer Knoten
Mängel bei der Unterrichtung über die Notwendigkeit
bzw. Dringlichkeit kurzfristiger Kontrollen.
Für die Verkennung klärungsbedürftiger Herdbefunde durch
Radiologen waren u. a. ursächlich
Unterlassung notwendiger Zielaufnahmen
unzureichende präoperative Herdmarkierung bzw.
Unterlassung der Radiographie des Operations-
präparates, so dass die Probeexcision nicht zum
zutreffenden Ergebnis führte
technisch fehlerhafte Mammographien.
Herbert Weltrich und Herwarth Lent
Hinweis der Gutachterkommision für ärztliche
Behandlungsfehler
Die Verkennung eines Mammakarzinoms ist in letzter Zeit vermehrt
Gegenstand von Feststellungen der Gutachterkommission für ärzt-
liche Behandlungsfehler.
Ein unklarer, auffälliger oder verdächtiger Palpationsbefund ist
durch weitergehende Untersuchungen zu klären. Ein Herdbefund,
wie z. B. ein tastbarer Knoten, ist - mit Ausnahme einer scharf ab-
gegrenzten Zyste - als krebsverdächtig anzusehen. Eine Zyste kann
durch die Mammasonographie, die eine wichtige Ergänzungsme-
thode darstellt, diagnostiziert werden. Mikroverkalkungen als indi-
rekter Hinweis auf intraduktale Proliferationen können nur durch
die Mammographie erkannt werden. Sie ist weiterhin das entschei-
dende bildgebende Verfahren, während die Sonographie die Diffe-
renzierung gutartiger Prozesse und die Lokalisation von Herden in
sehr dichtem Mammagewebe ermöglicht. Die Indikationen zur er-
gänzenden Kernspintomographie lassen sich noch nicht abschlie-
ßend beurteilen. Hilfreich ist eine solche Untersuchung bei vermu-
tetem Defekt einer Silikonprothese, bei Schwierigkeiten der Diffe-
renzierung zwischen einer Narbe und einem Tumorrezidiv sowie
zur Feststellung eines Zweitkarzinoms in dichtem, schwer beurteil-
barem Mammagewebe.
Alle krebsverdächtigen Herdbefunde bedürfen einer histologi-
schen Klärung, auch wenn der Mammographiebefund negativ ist
(vergleiche zu allem „Der Gynäkologe“ 12/97 Seite 978/ 979).
Gutachtliche Entscheidungen
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