

Gutachtliche Entscheidungen
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Die Kniegelenkarthroskopie ist die bei weitem häufigste Ar-
throskopie. Eine Statistik für die Jahre 1995 und 1996 ging
von je 550.000 Arthroskopien in Deutschland aus, darunter
betrafen 92 Prozent das Kniegelenk und 4,1 Prozent das
Schultergelenk
(siehe auch Rheinisches Ärzteblatt 3/2006,
S.20)
. Die Gutachterkommission erhält jährlich durch-
schnittlich etwa 20 Anträge auf Feststellung einer fehlerhaf-
ten Kniegelenkoperation. In über 25 Prozent der Fälle sind
die Anträge begründet und führen in der Regel zu entspre-
chenden Ersatzleistungen der Haftpflichtversicherungen.
Der nachfolgend geschilderte Fall enthält beispielhaft typi-
sche Behandlungsfehler.
Der Sachverhalt
Der 30-jährige Patient (selbständiger Installateurmeister)
verdrehte bei der Arbeit (Griff zum Werkzeug) das rechte
Kniegelenk, das sofort anschwoll. Er suchte am folgendenTag
(22. Januar) den beschuldigten niedergelassenen Facharzt
für Orthopädie auf. In den Krankenunterlagen ist folgender
Befund vermerkt:„Barfuß aufrechter Stand, Beinachse gera-
de, Hocksitz schmerzfrei, die Beweglichkeit ist frei, keine
endgradigen Schmerzen, Bandapparat stabil, ein Erguß, Stein-
mann-Z. I. u. II innen negativ, außen negativ, Lachmann-
Test negativ,Schublade nicht möglich, keine patellaren Klopf-
und Verschiebeschmerzen, Zohlen-Z. negativ, kein tastbares
oder hörbares retropatellares Reiben, Haut überwärmt“.
Als Therapie ist eine Punktion des rechten Kniegelenkes an-
gegeben, jedoch kein Ergebnis festgehalten. Nach einem So-
nogramm ist vermerkt:„intraartikuläre Volumenzunahme“.
Unter Diagnose ist eingetragen: „Femoro-patellare Sympto-
matik bei massiver Flüssigkeitsbildung rechtes Knie“ und
„akute Arthritis rechtes Knie“.Veranlasst wurden eine Rönt-
genaufnahme der Thoraxorgane und eine serologische Un-
tersuchung. Diese ergab eine BSG von 5/15 mm/n.W. und
10,1 Td Leukozyten/nl. In den Unterlagen findet sich eine
am 26. Januar unterschriebene Einwilligungserklärung für
eine Anästhesie am 27. Januar. Eine gesonderte ausdrückli-
che Erklärung für die an diesem Tag durchgeführte Arthro-
skopie fehlt.
Der Operationsbericht vom 27. Januar beschreibt formular-
mäßig nur allgemein, wie bei einem solchen Eingriff übli-
cherweise vorgegangen wird. Das tatsächliche Vorgehen im
konkreten Fall und die erhobenen Befunde sind nicht be-
schrieben. Es finden sich lediglich die Stichworte: „Innen-
meniskushinterhornriß, Synovialitis, arthroskopische
Synovektomie, Innenmeniskusglättung, Probeentnahme
rechtes Knie“. Das Ergebnis der feingeweblichen Unter-
suchung ist wie folgt angegeben:„Mikroskopisch handelt es
sich um eine ausgeprägte chronische Synovialitis. Das ent-
zündliche Infiltrat besteht überwiegend aus Lymphozyten,
vereinzelt eosinophile Granulozyten und Plasmazellen.“
Ambulante Behandlung
Die nachfolgende ambulante Behandlung vollzog sich wie
folgt:
29. Januar: OP-Narbe reizlos. Punktion von 30 ml Flüssig-
keit, die nicht beschrieben ist.
30.01: Erneute Punktion, 70 ml Blut. 31.01: Erneute 70 ml-
Punktion. 03.02.: Rivanol-Salbenverband.
05.02.: Phlebographie, die unauffällig war, und Punktion
50 ml serös-blutig.
06.02.: Verordnung von Effortil-Tropfen.
12.02.: AHP 200 Tabletten verordnet.
16.02.: Punktion 60 ml blutig, Anlage eines Varolast-
Zinkleimverbandes III.
Letzte Eintragung 18.02.: Weiterhin Reizung, mäßige Er-
gußbildung, im Vergleich zur letzten Behandlung wesent-
liche Besserung, Zinkleimverbandwechsel.
Nach einer späterenVerlaufsangabe des Patienten sollen zeit-
weilig Schmerzmittel und am 16. Februar Cortison in das
Knie injiziert worden sein.
Stationäre Behandlung
Nach Überweisung in ein Krankenhaus wird dort am 24. Fe-
bruar ein „infiziertes extraartikuläres Hämatom eröffnet
und drainiert“. Das Röntgenbild zeigt zu diesem Zeitpunkt
massive, für einen länger andauernden Infekt typische Ver-
änderungen. Ursache: Ein Staphylococcus aureus.
Am 06. März wird arthroskopisch das Knieinnere operiert.
Ergebnis der histologischen Untersuchung:„Vorliegen einer
floriden fibrinös-eitrigen und granulierenden Entzündung
im Bereich des Gelenkkapselgewebes mit Beteiligung des
angelagerten Knorpelgewebes bei fraglicher diskreter Be-
siedlung durch gram-positive Kokken“.Die arthroskopische
Infektbehandlung wurde am 18. März wiederholt und we-
gen der fortschreitenden Gelenkzerstörung bereits eine Ver-
steifung erwogen, die dann später nach einem weiteren ar-
throskopischen Sanierungsversuch durchgeführt wurde.
Gutachtliche Beurteilung
Die Gutachterkommission beanstandete die Behandlung
durch den beschuldigten Orthopäden in mehrfacher Hin-
sicht.
Schon die Aufklärung über die Operation am 27. Januar war
unzulänglich. Der beabsichtigte Eingriff wurde nicht er-
läutert. Die Komplikationsmöglichkeiten fanden keine Er-
örterung. Auch der Operationsbericht war mangelhaft, weil
weder das operative Vorgehen noch die vorgefundenen Be-
funde dokumentiert wurden.
Zu beanstanden war weiter, dass der Kniegelenkerguss nicht
näher untersucht wurde. Die Serologie hätte erweitert wer-
den müssen, um eine entzündlich rheumatische Komponen-
te auszuschließen.
Kniegelenkarthroskopie – Exemplarische Falldarstellung
Prä-, peri- und postoperative Versäumnisse