

Mängel bei Umstellungsosteomie
eine Drahtschlinge (Cerclage) um die Winkelplatte herum
zur äußeren Verspannung der beiden Fragmente.
Dem Operationsbericht vom 10. April ist noch zu entneh-
men, dass eine Knochenanlagerung bei der Operation er-
folgte („an der ehemaligen Infraktionstelle des lateralen
Trochanters kann eine ausgedehnte Spongiosaplastik den
Defekt füllen“); die Knochenentnahmestelle ist nicht ge-
nannt.
Aus den Krankenunterlagen geht hervor, dass der weitere
postoperative Verlauf komplikationslos war. Dies gilt auch
für die Anschlussheilbehandlung, die zum abschließenden
normalen Heilungserfolg geführt hat.
Gutachtliche Beurteilung
Zur Beurteilung der Operationsindikation stand der Kom-
mission lediglich die präoperative Röntgenaufnahme vom
1. April zur Verfügung. Danach liegt, zumindest nach den
projiziertenWinkelverhältnissen, eine so genannte Steilhüf-
te (Coxa valga) vor, die deutliche umformende Veränderun-
gen im Bereich des rechten Hüftgelenkes zeigt.
Ein solcher Befund gibt Anlass zu prüfen, ob nicht durch ei-
ne Umstellungsoperation eine Unterbrechung der sich fort-
entwickelnden Umformung und eine Verminderung bzw.
Beseitigung der Beschwerden erreicht werden kann.Die Un-
tersuchung erfordert exakt eingestellte Röntgenaufnahmen
(zwei Hüftübersichten), um die Winkelverhältnisse, das
heißt den Winkel zwischen Oberschenkelhals und -schaft,
und das Ausmaß des Herausdrehens des Schenkelhalses aus
der Frontalebene (Antetorsion) zu überprüfen.
Außerdem ist durch eine so genannte Funktionsaufnahme,
bei der die in beiden Ebenen beabsichtigten Korrekturwin-
kel durch Abspreizung und Innendrehung der Beine simu-
liert werden, zu untersuchen, ob es zu einer besseren Ein-
stellung des Oberschenkelkopfes in der Pfanne kommt. Be-
stätigt sich dies, werden aufgrund der Aufnahmen der Ein-
trittspunkt für die Klinge der Winkelplatte und ihre Länge
berechnet.Das alles ist hier versäumt worden, so dass die un-
genügende Planung der Operation zu rügen war.
Der dann durchgeführte Eingriff ist als „Drehosteotomie“
beschrieben worden. Dem Operationsbericht ist nicht zu
entnehmen, ob tatsächlich eine Drehung und in welchem
Ausmaß erfolgte.
Im Bericht ist zwar das technische Vorgehen beschrieben;
er lässt aber entscheidende Fragen offen: Die Öffnung für
dieWinkelplatte ist nachVorausbestimmung durch Einbrin-
gen eines Kirschnerdrahtes vorzubohren und so zu erwei-
tern, dass weder beim Einschlagen des Plattensitzinstru-
mentes noch beim endgültigen Eintreiben der Klinge der
Winkelplatte an dieser Stelle Spannungen mit der Gefahr
des Aufplatzens des Knochens bestehen. Nach dem Operati-
onsbericht ist dies nicht geschehen.
Die Knochendurchtrennung hat auch nicht „quer zum
Oberschenkelschaft“ zu erfolgen, sondern immer parallel
zum Plattensitzinstrument. Anderenfalls besteht die Ge–
fahr, dass der unter der Klinge der Winkelplatte liegende
Knochenanteil im oberen Fragment nach außen hin zu
schmal wird und beim Verspannen der Platte der Knochen
an dieser Stelle einbricht,wie dies dann auch eingetreten ist.
Dem Operationsbericht ist zudem nicht zu entnehmen, ob
ein durchgehender Keil mit innenseitiger Basis entnommen
und wie er weiter behandelt wurde. Zur Vermeidung von
Beinlängendifferenzen bei einer nur einseitigen Operation
entspricht es der Regel, den Keil nach hälftiger Querschnitt-
entnahme umzudrehen und zwischen die Knochenschnitt-
flächen außen wieder anzulagern.
Zu beanstanden ist weiter die verspätete Revisionsopera-
tion. Nachdem die Videoprintaufnahme einen bedenklichen
Befund, nämlich Verschmälerung des Knochenmassivs un-
terhalb des Eintritts derWinkelplattenklinge, ergeben hatte,
wurde es versäumt, den Befund nach der Operation durch
eine Röntgenkontrolle am nächsten Tag zu überprüfen. Es
kann allerdings sein, dass sich das endgültige Ausbrechen
der Klinge erst am 6.April ereignete, als die Patientin zuneh-
mend über Beschwerden klagte. Nun hätte unverzüglich die
Revisionsoperation erfolgen müssen. Die Verzögerung bis
zum 10. April war fehlerhaft.
Zusammenfassung
Die gutachtliche Beurteilung stellt im Ergebnis die folgen-
den vorwerfbaren Behandlungsfehler fest
Die Planung des Eingriffs war ungenügend mit
der Folge, dass der Operationserfolg von vornherein
gefährdet war.
Die technische Durchführung, insbesondere die
Knochenschnittführung, war fehlerhaft.
Die Revisionsoperation durfte nicht bis zum 10. April
hinausgeschoben werden.
Der erlittene Gesundheitsschaden liegt in der vorwerf-
bar verursachten Notwendigkeit der zudem verzögerten
Revisionsoperation.
Ein bleibender Gesundheitsschaden ist nicht eingetreten,
da mit dem Revisionseingriff eine stabile Osteosynthese er-
reicht wurde und es offensichtlich zu einer soliden knöcher-
nen Ausheilung gekommen ist. Der Verlauf nach der Revisi-
onsoperation entsprach dem Verlauf eines fehlerfreien
Ersteingriffs.
Herbert Weltrich und Wilfried Fitting
96
Gutachtliche Entscheidungen