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er gebürtige Ukrainer
stellt sich gern in den
Dienst seines Teams.
Wenn es die Situation
erfordert, verzichtet er auf seinen
Startplatz am Bundesliga-Spiel-
tag oder er bietet dem Gegner
ein Remis an, wenn das Match
für die Mannschaft bereits ent-
schieden ist. In diesem Stil hat
er sich bis zum Großmeister-Titel
gekämpft.
Das Schachspielen
lernte Gen-
nadiy Fish in der Ukraine. Dort
hatte er sogar bereits 1987 den
ersten ‚Kontakt‘ zu Werder. „Für
ein Turnier war ich mit meiner
Mannschaft unterwegs, als die
Fußballer von Werder im UEFA-
Cup gegen Spartak Moskau ge-
spielt haben“, erzählt er. „Der
Trainer hatte uns verboten, das
Spiel zu sehen, damit wir nicht so
spät schlafen gehen. Ich habe den
Fernseher aber ganz leise gemacht
und es trotzdem geschaut. Werder
hat nach der deutlichen Hinspiel-
Niederlage mit 6:2 gewonnen“,
erinnert sich Gennadiy Fish. Die
Spielweise von Werders Fußbal-
lern hat ihn inspiriert. „An diesem
Abend wurde ich ein heimlicher
Fan“, sagt der Schach-Großmeis-
ter. Damals ahnte er noch nicht,
dass er einige Jahre später für die-
sen Verein aktiv sein würde.
Wegen der schwierigen
Bedingun-
gen in seiner Heimat zog Genna-
diy Fish vor 16 Jahren mit seinen
Eltern nach Deutschland. „In der
Ukraine herrschten nach dem
Zerfall der Sowjetunion Zustände,
die einer Anarchie glichen. Die
Regierung hatte wenig Einfluss,
und es gab viele verbrecherische
Strukturen im Land“, erinnert er
sich. Der Weg nach Deutschland
war entsprechend steinig. „Schon
im Mai 1993 hat meine Schwes-
ter die Formulare zur Ausreise
in Kiew abgeholt“, so Fish. „Erst
zwei Jahre später konnten wir
sie einreichen.“ Sieben weitere
Monate vergingen, ehe das Bun-
desland Niedersachsen Gennadiy
Fish und seine Eltern aufnahm.
Seit 2004
trägt der Schachspie-
ler inzwischen die Raute auf der
Brust. Zuvor hatte er sieben Jahre
lang für die Bremer SG gespielt
und mit der Mannschaft den
Aufstieg von der vierten Liga bis
in die Bundesliga geschafft. Als
die Zukunft des Teams ungewiss
war, bekam Gennadiy Fish das
Angebot von Werder. „Ich wollte
unbedingt weiter in der ersten
Bundesliga spielen, deshalb bin
ich gewechselt“, erklärt er. Eine
goldrichtige Entscheidung. Über
seine Einsätze in der Bundesliga
erfüllte er alle drei Normen, um
im Jahr 2007 Großmeister zu
werden. „Für mich ist damit ein
großer Traum in Erfüllung gegan-
gen“, freut sich Gennadiy Fish.
Auch seinem Vater hätte dieser
Titel viel bedeutet: „Leider konn-
te er das nicht mehr miterleben,
weil er drei Jahre zuvor gestorben
ist.“ Nachdenklich fügt er hinzu:
„Die Plakette, die ich damals vom
Schach-Weltverband bekam, habe
ich an seinem Grab vergraben.“
Mit gerade einmal
40 Jahren be-
trachtet sich Gennadiy Fish inzwi-
schen schmunzelnd als „Schach-
Opa“: „Ich merke, dass ich nicht
mehr so gut bin wie noch vor eini-
gen Jahren“, erzählt er und spricht
vor allem die sinkende Merk- und
Konzentrationsfähigkeit an: „Im
Dezember habe ich eine Partie
gegen einen Schach-Profi ver-
loren, die ein Teamkamerad so
schon vor zwei Jahren gespielt
hatte. Mein Gegner kannte die
Partie und ich nicht“, erklärt Fish.
„Das war sehr bitter für mich. Ich
brauchte damals viel Zuspruch
von meinen Mitspielern.“
Wie kameradschaftlich
und vor
allem uneigennützig Gennadiy
Fish selbst ist, beweist er auch
fernab des Schachbretts. Kürz-
lich lehnte er eine Einladung
zum bevorstehenden Heimspiel
der Fußballer gegen Hoffenheim
zunächst ab. Mit einer simplen
Begründung: „Immer wenn
ich im Stadion war, hat Werder
verloren“, sagt er lachend. In-
zwischen hat er sich aber dazu
entschlossen, doch ins Stadion
zu gehen – mit seiner Frau als
Glücksbringer.
Laura Ziegler
Vom Traum,
Großmeister zu sein
Für Gennadiy Fish ist sein Sport mehr als
ein Hobby. Seit dieser Saison ist der Schach-
spieler Mannschaftsführer der Bundesliga-
Mannschaft des SV Werder.
Foto: M. Rospek
Erfahrener Denksportler
Seit 16 Jahren lebt der gebürtige Ukrainer Gennadiy Fish in Deutschland,
seit 2004 spielt er für den SV Werder.
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MITGLIEDER
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