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Gutachtliche Entscheidungen
Die Gutachterkommission hat sich wiederholt mit ärztli-
chen Sorgfaltsmängeln bei der Anlage und Überwachung
von zentralen und peripheren Kathetern, so unter anderem
auch mit der Anlage und Überwachung von Periduralkathe-
tern zur Schmerzbehandlung beschäftigen müssen.
Regionalanästhesietechniken zur Schmerztherapie, sowohl
als Single-shot-Verfahren wie auch mittels kontinuierlicher
Medikamentenapplikation über Katheter, haben in den letz-
ten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Leichte in-
fektiöse Begleiterscheinungen wie lokale Rötungen sind bei
diesen Verfahren öfters zu sehen. Gravierende Komplika-
tionen wie epidurale Abszesse sind dagegen selten. Treten
sie auf, dann sind sie jedoch häufig mit schweren Folgen für
den Patienten verbunden.
Die Inzidenz von epidural-spinalen Abszessen wird unter-
schiedlich angegeben, zwischen 1:1.700 und 1:21.000 nach
Periduralkathetern sowie 1:1.260.000 nach Spinalkathe-
tern. Eine bakterielle Meningitis wird mit einer Häufigkeit
zwischen 1:19.000 und 1:53.000 beschrieben.
Häufigste Eintrittspforte für pathogene Keime ist die Punk-
tionsstelle zum Einführen des Katheters oder auch der Ka-
theter selber,wenn bei der Punktion oder auch später bei der
Applikation der durch ihn zugeführten Medikamente nicht
steril gearbeitet wird. In Ausnahmefällen kann es jedoch
auch zu Katheterinfektionen über systemische endogene
Streuung körpereigener pathogener Keime (zum Beispiel
Staphylokokken und Streptokokken) mit deren Manifestati-
on an dem „Fremdmaterial“ Katheter kommen.
Das Einbringen eines Katheters hat unter sterilen Bedingun-
gen unter Zuhilfenahme von Einmal-Material zu erfolgen.
Dazu ist die Einstichstelle steril abzudecken und zweimal
zu desinfizieren.
Verweilkatheter sollten so früh wie möglich wieder entfernt
werden, spätestens bei nachgewiesenen Entzündungen der
Eintrittspforte oder bei Auftreten von entzündungstypischen
Laborwerten (Leukozytenanstieg, erhöhte Werte von C-re-
aktivem Protein). Diese Laborwerte sind regelmäßig zu
kontrollieren, ebenso die Eintrittspforten solcher Katheter.
Verweildauer und Überwachungsparameter sind zu doku-
mentieren.
Bei einer Entzündung mit hohem Fieber, aber auch schon
bei einem steilen Anstieg des Entzündungsparameters C-re-
aktives Protein (CRP) als Hinweis für eine bakterielle Infek-
tion ist immer auch an eine Sepsis zu denken. Dann sind
mehrfach Blutkulturen abzunehmen, wenigstens zwei
Proben von jeweils 10 ml Blut aus zwei verschiedenen Ve-
nen. Bleiben sie negativ, so sind sie zu wiederholen. Als
weitere diagnostische Maßnahme werden in der Literatur
eine Abdomensonographie zum Nachweis einer Milzver-
größerung und eine Echokardiographie mit der Frage einer
Endokarditis empfohlen.
Der Sachverhalt
Die Gutachterkommission hatte kürzlich eine zu schweren
und dauernden neurologischen Ausfällen führende Peri-
duralkatheterinfektion zu beurteilen, die sich aus den Unter-
lagen der beschuldigten Schmerzklinik wie folgt ergab:
Die seit Jahren an Rückenschmerzen leidende 63-jährige
Patientin wurde, nach einem 14 Tage zuvor erlittenen Sturz,
am 20. Februar notfallmäßig wegen akuter Exazerbation ei-
nes ambulant therapieresistenten chronischen Schmerzsyn-
droms mit Schmerzaktivierung im lumbalen Bereich und
im cervicothorakalen Übergang und mit Verdacht auf ein
inkomplettes lumbales Querschnittsyndrom stationär auf-
genommen.
Da sie ihren hilfsbedürftigen Ehemann zu Hause zu versor-
gen hatte, habe sie nach dem Sturz ärztliche Hilfe anfangs
nicht in Anspruch genommen, doch hätten ihre Schmerzen
stark zugenommen, auch seien ihr die Beine jetzt öfter weg-
geknickt.
Die Patientin war hyperton. Röntgenologisch zeigte sie
neben degenerativen Bandscheibenveränderungen eine
fortgeschrittene Osteochondrose und Facettengelenksar-
throsen.
Die Laborparameter bei Aufnahme zeigten 8.400 Leuko-
zyten und einen CRP-Wert von 0,7. Die Körpertemperatur
wurde mit 36,0°C gemessen.
Neurologisch zeigte sie eine Schwäche beider Hüftbeuger
re + li, eine Fußheberschwäche re sowie eine Schwäche des
N.ulnaris re.
Konservative Therapie mit Opiaten und peripheren An-
algetika sowie Entlastung im Stufenbett führten zu keiner
wesentlichen Schmerzreduktion. Auch ergänzende lumbale
Wurzelblockaden erbrachten jeweils nur eine Schmerzre-
duktion von 12 bis 24 Stunden.
Daher wurde am 2. März ein Periduralkatheter zur konti-
nuierlichen Schmerztherapie gelegt, der nach Diskonnek-
tion vom Bakterienfilter am 11. März wieder entfernt und
vom 12. bis 16. März erneut gelegt wurde. Bei der Katheter-
entfernung am 16. März war die Wunde reizlos, der Katheter
unauffällig.
Labor am 17. März: T: 36,1°, Leukozyten: 18,14, CRP: 7,3 .
Regelmäßig danach durchgeführte lumbale Facettenblo-
ckaden führten jeweils zu 24-stündiger Schmerzfreiheit von
80 Prozent.
Am 21. März wird in der Pflegedokumentation eine Schwel-
lung und Induration über der alten PDK-Punktion erwähnt
wie auch: „Pat. weint vor Schmerzen, fühlt sich schlecht, ist
blass und kaltschweißig.“
Überwachung eines Periduralkatheters zur Schmerzbehandlung
Die Nichtbeachtung von Entzündungsparametern ist grober Behandlungsfehler