

Nachweis der Schwangerschaft wegen ihrer körperlichen
Behinderungen zu einem rechtmäßigen Schwanger-
schaftsabbruch entschlossen hätte, weil der Schutz vor
Unterhaltsaufwendungen und sonstigen wirtschaftlichen
Belastungen durch ein ungewolltes Kind nicht Gegen-
stand des Behandlungs- oder Beratungsvertrages war
(BGH VersR 2000, 634)
.
Mitursächlichkeit, Teilkausalität und
kumulative Kausalität
Die Zurechnung des Schadens wird nicht dadurch ausge-
schlossen, dass auch andere – nicht abgrenzbare – Ursachen
zum Schaden beigetragen haben.Versäumnisse des beschul-
digten Arztes müssen nicht die einzigen und nicht einmal
die überwiegenden oder wesentlichen Ursachen für die Ent-
stehung des Schadens sein. Vielmehr führt bloße Mitur-
sächlichkeit des Fehlers grundsätzlich zur Zurechnung des
gesamten Schadens. Dieser Grundsatz des Schadensersatz-
rechts ist nicht allen Ärzten bekannt.
Beispiel:
Die Unterlassung einer Infusionstherapie mit Natrium
und Kalium bei Herzinsuffizienz hat zu erheblicher
Verschlechterung des Allgemeinzustands infolge
Hyponatriämie, Hypokaliämie und Niereninsuffizienz,
schließlich zum Tod bei Panzytopenie, therapieresisten-
ter Sepsis und respiratorischer Insuffizienz beigetragen.
Daneben kam eine wegen Colitis ulcerosa notwendige
und durchgeführte medikamentöse Therapie mit Metho-
trexat als Ursache in Betracht.Welche Folgen die fest-
gestellten Behandlungsfehler der beteiligten Ärzte für
den Patienten hatten, ließ sich angesichts der mehr-
schichtigen Pharmakotherapie mit weiteren Arznei-
mitteln (Saluretika, Digitalis, Sotalex) nicht abgrenzen.
Gleichwohl muss der für die Unterlassung der Infusions-
therapie verantwortliche Arzt für den Tod des Patienten
haften
(Fall Nr. 2005/0346)
.
Es kann für Ärzte schwer verständlich sein, dem Patienten
allein haften zu müssen, wenn sie andere Ärzte für mitver-
antwortlich halten, die der Patient nicht haftungsrechtlich
in Anspruch genommen hat. In solchen Fällen bleibt den be-
lasteten Ärzten aber die Möglichkeit, von den mitverant-
wortlichen Ärzten einen nach dem Maß der Verursachung
und dem Grad des Verschuldens abgestuften Gesamtschuld-
nerausgleich nach
§ 426 BGB
zu verlangen. Diese Aufgabe
wird in der Regel von der Haftpflichtversicherung des be-
schuldigten Arztes wahrgenommen.
Haben der ärztliche Behandlungsfehler und ein weiterer,
dem Arzt nicht zuzurechnender Umstand einen abgrenzba-
ren Schaden verursacht, kann also zwischen einem fehler-
bedingten Anteil und einem nicht fehlerbedingten oder
fremdfehlerbedingten Schaden differenziert werden, wird
der Schaden nur anteilig zugerechnet. Solche Fälle von
„Teilkausalität“ kommen vor beispielsweise für Teile des
Schadens, die auf Grundkrankheiten, Suchtmittelabhängig-
keit oder einem Unfall des Patienten beruhen und sich trotz
aller ärztlichen Sorgfalt nicht beseitigen oder vermeiden las-
sen.
Beispiel:
Wegen unzureichender Röntgenkontrollen wurde die
Entwicklung einer Fehlstellung der initial sachgerecht
im Gips behandelten distalen Radiusfraktur schuldhaft
nicht erkannt und eine rechtzeitige operative Stabilisie-
rung versäumt. Hierauf war die Notwendigkeit einer
Korrekturosteotomie zurückzuführen. Die sich als
„Zweiterkrankung“ entwickelnde Sudeck’sche Dystro-
phie wurde als schicksalhafte, auf der Konstitution des
Patienten beruhende unfallbedingte Komplikation,
nicht aber als auf dem Behandlungsfehler beruhender
Schaden bewertet
(Fall Nr. 1986/0177)
.
Ein Zurechnungszusammenhang kann auch dann beste-
hen,wenn der Schaden bei einem gesundheitlich vorgeschä-
digten Patienten durch das Zusammenwirken des Arztfeh-
lers und des schlechten Gesundheitszustandes des Patienten
entstanden ist (kumulative Kausalität).
Beispiel:
Wird bei einer 83-Jährigen, an einem dementiellen
Syndrom leidenden Patientin einer Hypovolämie nicht
durch ausreichende bilanzierte Flüssigkeitszufuhr ent-
gegengewirkt und die medikamentöse Behandlung von
Unruhe mit der Folge sturzbedingter Verletzungen ver-
säumt, sind die in einer richtunggebenden Verschlim-
merung der Grundkrankheit bestehenden weiteren
Auswirkungen des Sturzes im Sinne vollstationärer
Pflegebedürftigkeit ursächlich auf die ärztlichen Sorg-
faltsmängel zurückzuführen
(Fall Nr. 2006/0376)
.
H. Dieter Laum und Ulrich Smentkowski
Teil 2 des Artikels, der sich mit Einzelheiten zur Beweislastvertei-
lung beschäftigt und Teil 3 des Artikels, der sich mit Kausalitäts-
fragen bei Aufklärungsversäumnissen beschäftigt, finden Sie auf
den folgenden Seiten.
Kausalität, Beweiswürdigung und Beweislastverteilung in der Arzthaftung
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Gutachtliche Entscheidungen