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Am 22. März klagt sie über Kraftminderung in den Beinen.

Es wird ein Facettenblock durchgeführt.

Am 24. März kann die Patientin ihre Arme nicht mehr

heben. Sie klagt über Nackenschmerzen. Es wird eine kryo-

therapeutische Facettenlangzeitblockade in L2/L3 beidseits

durchgeführt.

Die Liquorpunktion am 24. März ergibt eine Zellzahl von

583/3 , T: 34,8°, Leukozyten: 12,08, CRP: 50,3

Am 25. März ist die Patientin schwach und müde, die Na-

ckenbeugung sehr schmerzhaft. Sie klagt über Schmerzen

am ganzen Körper. Schließlich trübt die Patientin ein.

Eine MRT-Untersuchung am Abend ergibt den Verdacht auf

einen epiduralen Abszess.

Labor am 25. März um 17:15 Uhr und 19:00 Uhr: T: 36,6,

Leukozyten 12,47, CRP: 52,9.

Um 21:30 Uhr wird die Patientin in eine neurochirurgische

Klinik verlegt,wo eine Hemilaminektomie in Höhe Th 10/11

bei spinalem epiduralem Abszess mit Meningitis und Nach-

weis von multiresistentem Staphylokoccus aureus durchge-

führt wurde.

Bei der Patientin wurden später bei Abstrichen aus dem

Nasen-Rachenraum wiederholt MRSA-Keime nachgewie-

sen.

Gutachtliche Beurteilung

Anlass für die stationäre Aufnahme war eine akute Ver-

schlechterung eines chronischen Schmerzsyndroms, das

nach mehrfachen, jeweils nur kurzfristig wirksamen loka-

lenTherapieversuchen, durch Dauerinjektion von Dexame-

thason, Lokalanästhetica und Morphinen über einen Peri-

duralkatheter behandelt wurde.

Die Anlage eines Periduralkatheters bei Unwirksamkeit

vorangegangener Therapieversuche von chronischen Rü-

ckenschmerzen war indiziert und ist nicht zu beanstanden.

Zu bemängeln ist, dass seitens der behandelnden Ärzte le-

diglich immer weitere Maßnahmen zur Schmerztherapie

ergriffen wurden, die Ursachen der sich verstärkenden

Schmerzen und der schließlich verstärkt einsetzenden Läh-

mungen jedoch nicht entsprechend untersucht wurden.

Diese Verkennung lässt sich nur dadurch erklären, dass hier

eine ungenügende ärztliche Überwachung der im Grunde

indizierten Schmerztherapie vorlag. Dies ist als ein grober

Fehler zu sehen.

Zwar ist es hier nicht zu Fieberschüben gekommen, jedoch

weisen die Laborwerte für das ansteigende C-reaktive Pro-

tein (CRP) und die Zunahme der Anzahl weißer Blutkörper-

chen schon ab dem 17. März eindeutig auf das Vorliegen

einer Infektion hin, die bei einer Schmerztherapie über

Periduralkatheter zuallererst auf das Vorliegen eines Spinal-

abszesses verdächtig ist. Völlig unverständlich ist auch, dass

noch am 24. März, als die Patientin schon nicht mehr voll

orientiert und vermindert ansprechbar war, dazu bei ihr

eine Kraftminderung in Armen und Beinen und Nacken-

schmerzen bestanden, noch eine Kryotherapie der Facetten-

gelenke, allerdings auch – nur zu spät – eine Liquorpunk-

tion durchgeführt wurde.

Dass es im Zuge einer periduralen Katheterbehandlung zu

einer Abszedierung kam – eine solche Komplikation wird

in der Literatur mit einer Häufigkeit zwischen 0,001 bis

1,2% angegeben –, ist nicht vorwerfbar. Sie kann auch bei

sachgerechter Katheteranlage auftreten und stellt eine typi-

sche Komplikation der Methode dar. Darüber ist die Pa-

tientin ausweislich des Aufklärungsprotokolls auch vor der

Katheteranlage unterrichtet worden.

Richtungweisend für eine solche Komplikation ist die Un-

tersuchung der Wirbelsäule mittels MRT (Magnetresonanz-

tomographie), die beim Auftreten neuer Rückenschmerzen,

bei Entzündungszeichen, vor allem jedoch bei der Ausbil-

dung neurologischer Defizite zu veranlassen ist, um eine

weitere Gefährdung des Patienten zu verhindern.

Die Suche nach einer epiduralen Abszedierung mittels MRT

hätte bereits am 17. März, spätestens jedoch am 21. März er-

folgen müssen.

Zusammenfassend wurden die ärztlichenVersäumnisse und

Sorgfaltsmängel als schwerwiegend bewertet und damit ein

grober Behandlungsfehler im Sinne der Rechtsprechung

festgestellt. Bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung

der Katheterinfektion hätten die schwerwiegenden Infekti-

onsfolgen bei der Patientin mit überwiegenderWahrschein-

lichkeit verhindert werden können.

Die Feststellung eines Behandlungsfehlers als „grob“ kann

für die Frage, ob er den eingetretenen Schaden verursacht

hat, zur Umkehr der Beweislast führen. Das bedeutet, dass

in einem solchen Fall nicht der Patient die Kausalität nach-

zuweisen hat. Vielmehr ist es dann Sache des betroffenen

Arztes, den Nachweis zu führen, dass der Gesundheitsscha-

den nicht eine Folge seines Versäumnisses ist, was bei dem

geschilderten Sachverhalt nicht gelingen dürfte.

Joachim Schara und Lothar Jaeger

Überwachung eines Periduralkatheters zur Schmerzbehandlung

Gutachtliche Entscheidungen

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