

Darmperforation bei der Koloskopie
Bei der endoskopischen Spiegelung sind Perforationen von Hohlorganen
seltene Komplikationen, über die im Vorfeld aufzuklären ist
198
Gutachtliche Entscheidungen
Eine Darmperforation ist zwar eine seltene Komplikation
der Koloskopie; dennoch werden vor der Gutachterkommis-
sion regelmäßig Verfahren anhängig, in denen der Eintritt
und die damit verbundenen Folgen beklagt werden. Aus
der Darmverletzung kann im Regelfall nicht auf einen Be-
handlungsfehler geschlossenwerden,wenn die Dokumenta-
tion eine in jeder Hinsicht sorgfältige Vorgehensweise er-
kennen lässt. Denn es ist bekannt, dass es bei Dickdarmspie-
gelungen trotz größter Sorgfalt zu Perforationen kommen
kann, bei diagnostischen Koloskopien deutlich seltener als
bei therapeutischen
(B. Bokemeyer et al.: Screening colonoscopy
für colorectal cancer prevention: results from German online re-
gistry on 269,000 cases. EurJ Gastroenterol. Hepatol. 21 2009,
650 bis 655).
Fehler bei Koloskopien
In den von 2008 bis 2012 in Nordrhein abgeschlossenen Be-
gutachtungsverfahren (n=7.109) wurden Behandlungsfeh-
lervorwürfe bei 78 Koloskopien erhoben (1,1%). 41-mal wur-
de eine iatrogene Darmperforation geltend gemacht (0,6%).
Behandlungsfehler waren in sechs Fällen festzustellen: In
zwei Verfahren beruhte die Darmverletzung auf einem ärzt-
lichen Sorgfaltsmangel. Bei unzureichender Eingriffsdoku-
mentation war in einem dieser beiden Fälle von einem un-
sachgemäßen Vorgehen auszugehen. Wie in den übrigen
Fällen fehlte es des Weiteren an einer sachgerechten Nach-
betreuung, dreimal an einer ausreichenden Sicherungsauf-
klärung, und einmal wurde die Beschwerdesymptomatik
behandlungsfehlerhaft durch eine hohe Schmerzmittelgabe
verschleiert.
Zwei von insgesamt fünf Risikoaufklärungsrügen wurden
bestätigt, darunter eine wegen fehlender Dokumentation
des Aufklärungsgesprächs. In dem zweiten Fall war dem Pa-
tienten die Einwilligungserklärung ohne Aufklärungsge-
spräch und zudem erst kurz vor dem Eingriff zur Unter-
schrift vorgelegt worden, was nicht statthaft ist.
Über einen der beiden Fälle, in denen eine Darmverletzung
bei einer Polyp-Abtragung auf Sorgfaltsmängeln beruhte,
soll nachfolgend berichtet werden.
Sachverhalt
Die 59-jährige multimorbide Patientin wurde am 26. Juni
von ihrem Hausarzt mit den Diagnosen Asthma bronchiale
und Verdacht auf Magenulkus in die beschuldigte Klinik für
Innere Medizin eingewiesen. Auf der Einweisung wurde
vermerkt: „bisher kein Teerstuhl, schlechter AZ“.
In der Klinik wurden folgende Verdachtsdiagnosen notiert:
„Ausschluss obere GI-Blutung bei mehrfachem Bluterbre-
chen, Exsikkose, ausgeprägte COPDmit Dyspnoe bei gerin-
ger Belastung, Z. n. 2 x Myokardinfarkt 04 und 98, Z. n.
cerebralem Insult 04, Z. n. Appendektomie“.
Der Allgemeinzustand wurde als reduziert notiert. Adiposi-
tas (BMI 38). Da die Patientin nur Ukrainisch sprach, wurde
das Aufnahmegespräch in Gegenwart mit ihrer Tochter ge-
führt. Diese berichtete über eine neu aufgetretene Obstipa-
tion, abdominelle Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen
unter hausärztlicher Therapie mit Oxygesic
®
seit neun Ta-
gen, zuvor bestanden seit zwei Wochen rezidivierende
Brust- und Rückenschmerzen. Aktuell kein Durchfall, Stuhl
dunkel, jedoch nicht schwarz, Neigung zur Verstopfung.
Nach gastroskopischem Ausschluss einer Blutungsquelle im
oberen Gastrointestinaltrakt wurde am 3. Juli nach entspre-
chender Vorbereitung eine hohe Koloskopie durchgeführt.
Hierbei fand sich im Sigma, bei 40 cm ab ano, ein „monströ-
ser, langgestielter Polyp“, der zunächst biopsiert, anschlie-
ßend mittels Diathermieschlinge teilabgetragen und bei Ver-
dacht auf Malignität zur histologischen Untersuchung ein-
geschickt wurde.
Vermerkt wurde „Kontroll-Koloskopie in ca. einer Woche
mit ggfs. Restabtragung des Sigmapolypen“. Die feingeweb-
liche Begutachtung ergab ein „invasiv wachsendes Colon-
karzinom (tubuläres Adenokarzinom) in einem tubulo-vil-
lösen Adenom mit Infiltration der Submucosa. Der Tumor
ist abschnittsweise randbildend. pT1 G2.“
Verlauf nach der Koloskopie
In der Pflegedokumentation wird für die Nacht vom
3./4. Juli notiert: „ … in der Nacht starke Bauchschmerzen,
Erbrechen … Rö Abdomen …, Nitrospray bekommen, Pas-
pertin i.v. bekommen … Inf. Plus BS (Buscopan?) plus Noval-
gin bek. Infus. Plus KCL bek. da K . Heute chirurg. Konsil,
Labor und Troponin.“
Auf dem Kurvenblatt findet sich für den 3. Juli um 22.00 Uhr
ein ärztlicher Eintrag: „Diffuser Druckschmerz mit p.m. im
re. Unterbauch“.Weiterhin für 22.45 Uhr vermutlich der Be-
fund eines chirurgischen Konsils:„Bauch weich, adipös, dif-
fuser Druckschmerz im gesamten Unterbauch, keine Perito-
nitis. Subakut.“
Unmittelbar neben diesem Eintrag findet sich ohne Datum
und Zeitangabe der Eintrag: „ …von Schwestern informiert.
Zunehmend Bauchschmerzen und Umfangsvermehrung,
akutes Abdomen, Rö Kontrolle z. Zt. nicht möglich, mit OA
gesprochen, sofort in die Ambulanz bringen lassen … Rück-
ruf halbe Stunde später: akutes Abdomen, sofortige OP-In-
dikation bei aktueller … (nicht lesbar) ... –Anästhesiekonsil
organisieren, Rückruf wenn Pat …(nicht lesbar).“
Mit dem Datum 4. Juli wird seitens der Inneren Station un-
ter der Fragestellung: „paralyt. Ileus mit diffuser Peritonitis“
eine Röntgenuntersuchung des Thorax und des Abdomens
im Stehen erbeten mit folgendem Ergebnis: „In Projektion
auf das Abdomen finden sich nur spärlich gasgeblähte
Darmschlingen, jedoch keine Spiegelbildungen. Röntgeno-