

Grundsätzliche Hinweise
Bei der diagnostischen oder therapeutischen endoskopischen
Spiegelung sind Perforationen von Hohlorganen zwar seltene, aber
typische methodenimmanente Komplikationen, über die im Vorfeld
aufzuklären ist. Insbesondere sollte darauf hingewiesen werden,
dass eine Darmperforation in seltenen Fällen ein Darmstoma zur
Folge haben kann.
Überwachung:
Auf die Folgen einer möglicherweise notwendig
werdenden Sedierung, beispielsweise auf eine nach Untersu-
chungsabschluss vorübergehend eingeschränkte Fahrtüchtigkeit
muss der Patient rechtzeitig vor der Untersuchung hingewiesen
werden (Sicherungsaufklärung). Besteht die Gefahr, dass der Pa-
tient die Warnung nicht beachtet, müssen vom Arzt Maßnahmen zur
Gefahrenabwehr ergriffen werden. Der Patient darf erst nach einer
abschließenden ärztlichen Untersuchung entlassen werden.
Nachsorge:
Treten im Anschluss an die Untersuchung Beschwerden
auf, die auf eine Darmverletzung hindeuten, müssen diese umge-
hend abgeklärt werden. Der Patient muss gegebenenfalls unmittel-
bar einem Chirurgen vorgestellt werden.
Handlungsanweisungen für den Fall von auftretenden Beschwer-
den müssen mündlich erteilt werden
(§ 630 c Abs. 2 Satz 1 BGB)
; sie
sollten möglichst auch schriftlich mitgegeben werden (Sicherungs-
aufklärung).
Darmperforation bei der Koloskopie
200
Gutachtliche Entscheidungen
Am darauffolgenden Tag, dem 4. Juli, lagen sowohl klinisch
als auch laborchemisch Hinweise für das Bestehen einer
Bauchfellentzündung vor. Trotz der nach Verlegung auf die
Intensivstation erhobenen auffälligen Befunde wurde chir-
urgischerseits – ohne Untersuchung – telefonisch „Zuwar-
ten“ empfohlen. Die schon am 4. Juli indizierte notfallmäßi-
ge Laparotomie wurde erst am folgendenTage verspätet vor-
genommen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Entzün-
dungswerte weiter verschlechtert.
Die bei der Operation festgestellte große Sigmaperforation
hatte zu der vom Operateur beschriebenen lokalen Peritoni-
tis geführt. Wäre der operative Eingriff 24 Stunden früher
vorgenommen worden, wäre das Ausmaß der Bauchfellent-
zündung mit praktischer Gewissheit deutlich geringer aus-
gefallen und die Chancen einer Heilung wären größer gewe-
sen.
Die bei dieser Operation vorgenommene Teilresektion mit
vorgeschalteten Dünndarmausgang ist fachgerecht und lege
artis vorgenommen worden. Dies gilt auch für die Versor-
gung des Platzbauches am 12. Juli.
Stomarückverlagerung ohne Prüfung
der Intaktheit der Anastomose
Als geradezu unverständlich wurde aber die am 19. Juli vor-
genommene Rückverlagerung des Ileostomas ohne Über-
prüfung der Nahtdichtigkeit der Dickdarmanastomose be-
urteilt. Es ist eine unumstößliche Regel, vorVerschluss eines
vorgeschalteten protektiven Darmausgangs zu überprüfen,
dass die zu schützende Darmnaht intakt ist. Üblicherweise
erfolgt dies durch einen Röntgenkontrasteinlauf, der im vor-
liegenden Fall unterlassen wurde.
Seit dem 25. Juli bestanden auf eine Anastomoseninsuffi-
zienz hinweisende Symptome. Dieses Nahtleck wurde feh-
lerhaft und verspätet erst am 26. Juli durch Übernähen ver-
sorgt. Der erneute Versuch eines Bauchdeckenverschlusses
zu diesem Zeitpunkt wurde gutachtlich als nicht mehr sinn-
voll bewertet. Wie zu erwarten, war die Übernähung nicht
erfolgreich. Es kam zu einer erneuten Nahtleckage, die am
3. August behandlungsfehlerhaft wiederum durch eine bei
einer Peritonitis ungeeignete Übernähung versorgt wurde.
Spätestens jetzt hätte man die Dickdarmanastomose auflö-
sen, den aboralen Darmschenkel blind verschließen und
den oralen Darmabschnitt als endständigen Bauchafter aus-
leiten müssen.
Diese Kaskade operationstechnischer Unzulänglichkeiten
wurde als schwerwiegender Behandlungsfehler bewertet,
der zur Folge hatte, dass es bis zum Tod der Patientin zu ei-
ner stetig eitrigen, intermittierend auch stuhligen Sekretion
über die Bauchwunde kam, mit wiederkehrenden, zuneh-
menden septischen Phasen.
Henning Hansen, Ulrich Smentkowski und Beate Weber