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Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigen eine ziem-

lich weit distal liegende Platte, die den Gelenkspalt dorsal

überbrückt. Zudem ist die Radiusgelenkfläche nicht stufen-

los wiederhergestellt worden.

Am 8.August wurde die Patientin wegen internistischer Pro-

bleme in der Medizinischen Abteilung des zweitbelasteten

Krankenhauses stationär aufgenommen. Im Zuge dieser Be-

handlung bat man die Unfallchirurgen vom Haus, sich das

operierte Handgelenk anzuschauen. Die diesbezügliche

Konsilanforderung fehlt in den Unterlagen. Der Stellung-

nahme des Unfallchirurgen ist zu entnehmen,dass er auf das

Ersuchen der Internisten hin die Patientin aufsuchte und

mit ihr die seiner Meinung nach nicht ordnungsgemäß ope-

rierte Radiusfraktur besprach. Seinen Ausführungen zufol-

ge müsse das Handgelenk erneut operiert werden,weil sonst

eine „adäquate“ Beweglichkeit nicht erreicht werden könne.

Daraufhin entschloss sich die Patientin, den Revisionsein-

griff durchführen zu lassen. Sie wurde auf die Operation

vorbereitet, über die Vorgehensweise und die Komplika-

tionsmöglichkeiten aufgeklärt und am 19. August operiert.

Die Ärzte beließen die dorsale Platte in situ und setzten zu-

sätzlich eine volare Platte ein.

Laut Operationsbericht wurde die größtenteils bereits abge-

bundene Fraktur von volar dargestellt, der Frakturspalt mit

Hilfe eines Arthrodesen-Spreizers aufgedehnt und mit zwei

aus dem Beckenkamm entnommenen Knochenblöcken un-

terfüttert.Man habe, so der Bericht,eine winkelstabile Titan-

platte anmodelliert und mit Schrauben befestigt. Nach der

Operation war, der Äußerung des Operateurs zufolge, die

Beweglichkeit des Handgelenkes nicht eingeschränkt. Beide

Operationswunden wurden nach Einlegen von Wunddrai-

nagen verschlossen. Postoperativ erfolgte eine Röntgenauf-

nahme. Die Patientin wurde gemeinsam mit den Ärzten der

Medizinischen Abteilung weiter betreut.

Am 2. September musste ein Hämatom, das sich an der Kno-

chen-Entnahmestelle am Beckenkamm gebildet hatte, ent-

fernt werden. Laut Operationsbericht wurde der Bluterguss

ausgeräumt, die Hämatomhöhle lavagiert, gereinigt und die

Haut, nach Drainage derWunde, verschlossen.Wegen einer

Anämie wurden zwei Blutkonserven verabreicht. Der wei-

tere stationäre Aufenthalt verlief weitgehend störungsfrei.

Bei reizlosen Wundverhältnissen wurde die Patientin am

9. September entlassen. Im Entlassungsbericht wurden das

Bewegungsausmaß des Handgelenks (Beugung und Stre-

ckung) von jeweils 20° und ein regelrechter Faustschluss an-

gegeben. Demgegenüber gab die Patientin an, die Hand sei

zum Zeitpunkt der Entlassung völlig steif und schmerzhaft

gewesen.

Beurteilung

Zunächst stellte sich gutachtlich die Frage, ob die Fraktur

überhaupt hätte operiert werden müssen. Die Patientin war

hochbetagt und litt an zahlreichenVorerkrankungen. In die-

ser Situation stellte jede Operation und die dazu erforder-

liche Narkose ein erhöhtes Risiko dar.Abgesehen davon war

die Radiusfraktur nicht so weit disloziert, dass sie nicht auch

hätte konservativ behandelt werden können. Die Abwei-

chung des distalen Radiusfragmentes nach dorsal von nur

10° lag, gemessen an den erwähnten Risiken und der in die-

sem Alter üblicherweise vorhandenen fortgeschrittenen

Osteoporose, durchaus im Toleranzbereich.

Unter diesenVoraussetzungen wäre es möglich gewesen, die

Fraktur entweder in Lokalanästhesie zu reponieren, um sie

dann drei bis vier Wochen in einem Unterarmgipsverband

ruhigzustellen, oder das Handgelenk hätte gleich – ohne Re-

positionsversuch – geschient werden können. Beide Mög-

lichkeiten hätten sich hier gleichberechtigt angeboten. Die

konservative Behandlung, zu der ausreichend klinische Er-

fahrungen vorliegen, kann durchaus zu guten Ergebnissen

führen. Sie hätte zudem dem Grundsatz entsprochen, mög-

lichst die für den Patienten risikoärmste Behandlungsalter-

native zu wählen.

Schon vor Jahrzehnten, als man sich bei der Versorgung

distaler Radiusfrakturen aus verschiedenen Gründen mit

der Operation noch zurückhielt, wurde die Mehrzahl dieser

Verletzungen in Lokalanästhesie reponiert und für die Dau-

er von vier Wochen ruhiggestellt. Es gelang in den meisten

Fällen, die Frakturen zur Ausheilung zu bringen und die

Handgelenksfunktion, wenn schon nicht vollständig, so

doch mit einem akzeptablen Ergebnis wiederherzustellen,

obwohl der klinische Befund nicht immer mit dem Röntgen-

bild korrelierte. Demnach wäre auch bei dieser Patientin die

konservative Behandlung der Radiusfraktur die bessere

Alternative gewesen. Für eine Operation bestand jedenfalls

kein zwingender Grund.

Stabilität nicht erreicht

Nachdem sich die Ärzte für einen operativen Eingriff ent-

schieden, hätten sie die Fehlstellung des distalen Radiusfrag-

mentes vollständig beseitigen und versuchen müssen, mit

der Osteosynthese ein Mindestmaß an Stabilität zu errei-

chen. Mit einem einzelnen Kirschner-Draht konnte diese

Fraktur aber nicht ansatzweise stabil versorgt werden, von

der fehlenden Rotationssicherheit einmal abgesehen.

ImAllgemeinen sollte eine übungsstabile Osteosynthese das

Ziel sein, sodass Patienten nach der Operation keinen oder

allenfalls nur kurzfristig einen Gipsverband tragen müssen,

um frühfunktionell nachbehandelt werden zu können.

Während sich dazu die Plattenosteosynthese am besten eig-

net,werden bei bestimmten Frakturformen auch Kirschner-

Draht-Osteosynthesen in geschlossener oder halboffener

Operationstechnik durchgeführt. Diese atraumatische Ope-

rationsmethode gewährleistet zwar keine Übungsstabilität,

weshalb zusätzlich eine äußere Schienung benötigt wird, sie

ist aber in bestimmten Fällen nicht aus dem Repertoire der

Unfallchirurgie wegzudenken. Bei richtiger Indikationsstel-

lung führt sie ebenfalls zu guten Ergebnissen.Dieses Verfah-

ren relativiert sich in den Fällen, in denen der Knochen stark

osteoporotisch verändert ist oder mehrere erheblich verwor-

fene Frakturfragmente vorliegen.

Entschließt sich der Operateur dennoch für eine Kirschner-

Draht-Osteosynthese, muss er bemüht sein, die Fraktur ach-

sengerecht zu stellen und sie so stabil wie möglich zu ver-

sorgen. Dazu gehören mindestens zwei Kirschner-Drähte,

die seitlich in den Knochen eingebracht werden, sich im

Knochen kreuzen und die Gegenkortikalis des Knochens

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Gutachtliche Entscheidungen

Behandlungsfehler bei distaler Radiusfraktur