

Tabelle 1: Vergleich der Verfahrenszahlen zur vorwerfbaren fehlenden Indikation zur ärztlichen Maßnahme in den gegen Krankenhausärzte
abgeschlossenen Verfahren der Abschlussjahre 1991–2000, 2001–2010 und 2011–2013
Gutachterkommission Nordrhein
2011 – 2013
2001–2010 1991–2000
Verfahren gegen Krankenhausärzte
3.242
9.342
6.555
Fehler bejaht
in % v. n
in % v. n
in % v. n
Festgestellte Behandlungsfehler (BF-Quote)
965
29,8
30,1
31,8
davon fehlende Indikation zur ärztlichen Maßnahme
101
3,1
2,5
2,5
Gru
̈
nde:
1. Unnötige Behandlung/Übertherapie
25
0,8
0,7
0,7
2. Nichterheben/Abwarten von Befunden
19
0,6
0,6
0,6
3. Nichtbeachten von Befunden
18
0,6
0,2
0,3
4. Nichtbeachten Kontraindikationen
13
0,4
0,4
0,2
5. Konservative Therapie nicht ausgeschöpft
11
0,3
0,2
0,2
6. Fehlende Erfolgsaussichten
10
0,3
< 0,1
< 0,1
7. Zu erwartende Komplikationen
3
0,1
< 0,1
< 0,1
8. Fehlinterpretation von Befunden
1
< 0,1
0,3
0,4
9. Seiten-/Lokalisationsverwechslung
1
< 0,1
0,1
0,1
10. IGeL
/
/
/
< 0,1
„Übertherapie“ – Fehlende Indikation zu ärztlichen Maßnahmen
In 3,4 Prozent der bearbeiteten 7.484 Verfahren fehlte es in den Jahren 2009 bis 2013
an einer Indikation zur ärztlichen Maßnahme
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Gutachtliche Entscheidungen
Die ärztliche Aufgabe, zu helfen und zu heilen, muss stets
begleitet werden von derMahnung: nil nocere [1]. Bei der In-
dikationsstellung zur ärztlichen Behandlung, sei es durch
Medikamente, Injektionen oder operative Eingriffe, sollte
immer auch ein Augenmerk auf die Frage gelegt werden, ob
dem Patienten nicht bereits durch Maßnahmen mit gerin-
gen Risiken und Nebenwirkungen eine Linderung ver-
schafft werden könnte: beispielsweise die Einlagen- und
Schuhversorgung statt einer Vorfußchirurgie oder die orale
Schmerzmittelgabe statt einer Injektion. Hierzu ist eine ge-
naue Anamneseerhebung zu den Anforderungen, die der Pa-
tient an seinen Körper stellt, dem Leidensdruck und den Le-
bensumständen unerlässlich, vor allem wenn es sich um
zum Eingriff zugewiesene Patienten handelt, die dem Ope-
rateur nicht vorbekannt sind.
In den Jahren 2009 bis 2013 fehlte es in 3,4 Prozent (255)
der von der Gutachterkommission für ärztliche Behand-
lungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein bearbeiteten
7.484 Verfahren an einer Indikation zur ärztlichen Maßnah-
me. Bei knapp einem Prozent war eine unnötige Behand-
lung beziehungsweise eine „Übertherapie“
festzustellen.Ge-genüber früheren Jahren ist bei den Krankenhausärzten ei-
ne geringe Steigerung um 0,6-Prozentpunkte auf derzeit
3,1 Prozent der geführten Verfahren zu verzeichnen gewe-
sen, mit einem Anstieg des Anteils der Operationen und In-
terventionen von zwei Drittel auf zuletzt 85 Prozent. Bei den
Praxisärzten lag der Anteil der Fehler bei der Indikations-
stellung mit 3,7 Prozent leicht darüber;Operationen und In-
terventionen spielten hier mit einem Anteil von 38 Prozent
eine deutlich geringere Rolle. Dafür waren häufiger Injek-
tionen und Medikamentengaben nicht indiziert.
Haftung bei fehlender Indikation für alle Folgen
Wie man aus den Beschwerdeschreiben herauslesen kann,
wird des Öfteren die Invasivität des Eingriffs dem Patienten
erst bewusst, wenn Komplikationen eingetreten sind, die
ihn nunmehr stärker belasten als die primär zugrunde lie-
gende Erkrankung. Hier kommt es dann auch auf die Risi-
koaufklärung an: Je weniger indiziert ein Eingriff ist, desto
höher sind die rechtlichenAnforderungen an eine rechtsgül-
tige Risikoaufklärung.
Haftungsrechtlich hat die Frage der Indikation eine hohe
Bedeutung, haftet doch der Arzt bei fehlender Indikation
oder gar bestehender Kontraindikation einer medizinischen
Maßnahme für alle Komplikationen, die daraus resultieren,
auch wenn er diese Maßnahmen als solche sachgerecht
durchgeführt hat
(siehe Kasten, Seite 226)
.
Die Gutachterkommission hatte sich im Jahr 2011 anlässlich
eines Symposiums der Kaiserin Friedrich-Stiftung mit der
Fragestellung einer „Übertherapie“ auseinandergesetzt und