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Der Vorwurf, ein akutes Abdomen verkannt zu haben, wird

in Nordrhein derzeit in etwas mehr als einem Prozent der

Verfahren gemacht und bei knapp der Hälfte der Patienten

bestätigt

(

T

abelle 1)

. Bei diesen Fällen spielt differenzialdia-

gnostisch vor allem eine Appendizitis eine Rolle, die gerade

bei atypischer Symptomatik häufiger nicht erkannt und da-

her nicht zeitgerecht behandelt wird

(siehe hierzu auch „Dia-

gnostische Versäumnisse bei akuter Appendizitis“, Rheinisches

Ärzteblatt RhÄ 11/2002,„Versäumnisse bei einem akuten Abdo-

men“ RhÄ 1/2003, „Ruptur eines Aortenaneurysmas“ RhÄ

5/2006 und „Nicht diagnostiziertes Aorten-Aneurysma“, RhÄ

11/2011)

. Die festgestellten Einzelfehler bei diesem Vorwurf

sind in der

T

abelle 2

zusammengestellt.

Nachfolgend soll über einen Fall berichtet werden, in dem

initial aufgrund von Rückenschmerzen eine Schmerzmittel-

therapie erforderlichwurde,die das imVerlauf zugrunde lie-

gende operationsbedürftige akute Abdomen verschleierte.

Sachverhalt

Die 90-jährige Patientin wurde am 14. Februar mit seit dem

Mittag desselben Tages bestehenden, starken Rücken-

schmerzen im Lumbalbereich links ohne vorausgegangenes

Trauma durch einen Notfalltransport in die belastete Klinik

zu 1) eingeliefert.

Zur Vorgeschichte war bekannt, dass die Patientin bis zum

Abend bereits dreimal 40 mg Targin

®

eingenommen hatte.

Gegen 19 Uhr hatte der Hausarzt im Hause der Patientin fol-

genden Untersuchungsbefund erhoben: „LWS nicht klopf-

schmerzhaft, kann gehen/stehen/aus dem Bett aufstehen,

Schmerz bek., nur stärker als bisher. Keine Dysurie, Stuhl-

gang oB, Abd. weich, keine Abwehrspannung, kein Fieber.“

Es erfolgte eine intramuskuläre Injektion von einer Ampul-

le Novalgin

®

und eine Verabreichung einer 10 mg-Tablette

Sevredol

®

.Um 21 Uhr hatte die Tochter den Notfalltransport

in die Klinik angefragt, da sich keine Besserung eingestellt

hatte.

Bekannt waren außerdem eine regelmäßige Schmerzthera-

pie mit Opiaten seit 2010 bei einer Polyneuropathie, rezidi-

vierenden Lumbalgien, einer Spinalkanalstenose, Osteopo-

rose und Schulterschmerzen. Die letzte Vorstellung beim

Schmerztherapeuten hatte acht Monate zuvor stattgefunden

und es wurde eine zufriedenstellende Schmerzreduktion

durch die Medikation festgestellt.Weiterhin war die Patien-

tin beim Hausarzt wegen einer zunehmenden Bewegungs-

störung und zur Kontrolle des Zustands nach einer Kniepro-

these rechts in Behandlung. Der Hausarzt wurde etwa alle

acht Wochen tätig, mit Zwischenüberweisungen an Kardio-

logen bei vorliegendem Herzschrittmacher, arterieller Hy-

pertonie und Mitralklappeninsuffizienz, Orthopäden und

Neurologen. Zwischendurch wurde eine Steingallenblase

diagnostiziert. Es bestand eine Pflegestufe eins.

Tabelle 2: Einzelfehler beim akuten Abdomen

Zeitraum 1.1.2009 – 31.12.2013

BF bejaht

Verfahren mit festgestellten Fehlern

48

beim akuten Abdomen

Festgestellte Einzelfehler*

148

Keine (28)/unzureichende Bildgebung (2),

diese verkannt (4)

34

Keine (11)/unzureichende Anamnese- und

Untersuchung (16)

27

Keine Labor-/Urin-Untersuchungen

16

Fehlbewertung der Befunde

12

Indikation zur OP verspätet gestellt

11

Keine (5)/verspätete Einweisung (1)/stationäre

Aufnahme (3), zwischenzeitliche Entlassung (2)

11

Versäumtes (8)/verspätetes (2) Beiziehen

eines Chirurgen

10

Keine diagnostische Laparoskopie

5

Verschleierung der Symptomatik durch Analgetika

5

Kurzfristige Kontrollen nicht vereinbart

5

Keine Inaugenscheinnahme vom Dienstarzt/in der Nacht

3

Sonstige (unzureichende intraoperative Befund-

pru

̈

fung (1), keinen Krankentransport organisiert (1),

nur symptomatische Therapie (1))

3

Dokumentationsmangel

8

* Mehrfachnennung

Tabelle 1: Behandlungsfehler in Zusammenhang mit dem Vorwurf

der Verkennung eines akuten Abdomens in den gutachtlichen Ent-

scheidungen der GutachterkommissionNordrhein der Jahre

2009 – 2013

Zeitraum

BF

BF-Quote n

in %

1.1.2009 – 31.12.2013

bejaht

in %

v. n

v. Sp. 2

Begutachtungen insgesamt 2.277

30,4

7.484

100,0

Vorwurf DF akutes Abdomen 48

47,5

101

1,3

davon bei

– akuter Appendizitis

25

53,2

47

0,6

– Ileus

9

81,8

11

0,1

– anderen Erkrankungen

14

32,6

43

0,6

DF = Diagnosefehler

Rückenschmerzen als Hinweis auf ein akutes Abdomen

Gutachtliche Entscheidungen

219