

Indikationsmängel bei einer ERC und EPT
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Gutachtliche Entscheidungen
Amylase 1.493 U/l – Referenzwert bis 34 U/l) und ein
mäßiger Leukozytenanstieg (12,9/nl).
Am 20. November um 22:00 Uhr wurden weiterhin beste-
hende starke Oberbauchbeschwerden und Erbrechen regis–
triert, die auch nach Infusion von Analgetika nicht nach-
ließen.
Therapie der Pankreatitis
Der Patient wurde noch am selben Abend mit der Diagnose
„Pankreatitis, Zustand nach ERC“ auf die Intensivstation
verlegt. Der Abdominalbefund entsprach einem „Gummi-
bauch“. Die Therapie bestand in parenteraler Nahrungs-,
Elektrolyt- und Flüssigkeitszufuhr über einen zentralen Zu-
gang,Verabreichung von Ciprobay
®
(Ciprofloxazin),Antra
®
(Omeprazol), sowie von Analgetika, Spasmolytika und
Heparin.
Eine Ultraschalluntersuchung und ein Computertomo-
gramm des Abdomens am 21. November zeigten eine ausge-
dehnte nekrotisierende Pankreatitis mit Nekrosestraßen
beidseits in der paracolischen Rinne und freier Flüssigkeit
im Oberbauch sowie Pleuraergüsse beidseits.
Im Computertomogramm am 29. November waren die aus-
gedehnten Nekroseareale im Pankreascorpus und -schwanz
deutlicher demarkiert. Neu aufgetreten war ein Nekrose-
areal im Pankreaskopf bei weiter bestehenden ausgedehnten
Exsudaten. Im Computertomogramm am 5. Dezember be-
stand die exsudativ-nekrotisierende Pankreatitis unverän-
dert mit Progression der Exsudate in der Bursa omentalis
und im peripankreatischen Raum bis zur Mesenterialwur-
zel und insbesondere ein perihepatischer Ascites.
Am 17. Dezember zeigte das Computertomogramm eine
deutlichere Demarkation mit Ausbildung einer Pseudozyste
im Pankreaskopf sowie Exsudate besonders in der Bursa
omentalis. Lediglich im Bereich des Processus uncinatus des
Pankreaskopfes fanden sich noch diskrete perfundierte
Parenchymreste des Pankreas.
Die Laborwerte zeigten ab 21. November mit einem Anstieg
der Leukozyten auf 22,0/nl, des CRP auf 20,66 mg/dl, der
LDH auf 801 U/l und der CK auf 168 U/l die massiven ent-
zündlich-nekrotisierenden Veränderungen an.
Die intensivmedizinische Behandlung der nahezu totalen
nekrotisierenden Pankreatitis war zunächst konservativ.
Am 25. November wurde der Patient wegen zunehmender
respiratorischer Insuffizienz intubiert und beatmet. Die
engmaschigen Blutgaskontrollen zeigten daraufhin regel-
rechte Werte. Die Antibiotikatherapie wurde bei anhalten-
dem Fieber auf Zienam
®
(Imipenem und Cilastatin),Vanco-
mycin
®
und Clont
®
(Metronidazol) umgestellt.
Der klinische Zustand des Patienten war wechselnd. Nahe-
zu ständig bestanden subfebrile Temperaturen mit Spitzen
bis 39,5°C; die Vitalparameter blieben zunächst im Wesent-
lichen stabil.
Entwicklung zur Sepsis
Vom 17. Dezember an verschlechterte sich der Zustand des
Patienten deutlich. Wegen einer instabilen hämodynami-
schen Situation mit Blutdruckeinbrüchen mussten Katechol-
amine in angepasster Dosierung verabfolgt werden.
Die Laborwerte zeigten eine septische Entwicklung an
(Rückgang der Quickwerte auf 74 % und der Thrombozyten
auf Werte von 100/nl bis 61/nl). Gleichzeitig stiegen die
Kreatininwerte als Zeichen eines beginnenden Nierenversa-
gens auf 4,87 mg/dl an. In dieser Situation wurde am
18.De-zember in einem chirurgisch-internistischen Konsil der Ent-
schluss zur Nekrosektomie und Bursa-Lavage gefasst. Die
Verlegung des Patienten in die Chirurgische Klinik des
Krankenhauses erfolgte am 20. Dezember.
Noch am selben Tag wurde der Eingriff (Nekrosektomie,
Bursa-Lavage, Cholecystektomie) vorgenommen. Dabei
konnten große Flüssigkeitsmengen aus der Bursa omentalis
entfernt und eine Bursa-Lavage durchgeführt werden. Da-
nach kam es zu einer leichten Stabilisierung des Zustandes.
Eine zweite Lavage wurde am 22. Dezember durchgeführt.
Am 23. Dezember entwickelte sich ein septisch-toxischer
Schockzustand, in dem der Patient noch am selben Tag ver-
starb.
Gutachtliche Beurteilung
Die zum Tode des Patienten führende ausgedehnte akute
nekrotisierende Pankreatitis wurde nach Ansicht der Gut-
achterkommission durch die ERC und EPT verursacht.
Die akute postinterventionelle Pankreatitis ist, wie die
Kommission betont, eine methodentypische Komplikation
der durchgeführten Eingriffe. Sie tritt mit einer Häufigkeit
von 1 bis 3 Prozent auch bei regelrechter Durchführung des
Eingriffs auf. Todesfälle werden, wie die Kommission fest-
stellte, im internationalen Schrifttummit 0,1 bis 0,9 Prozent
angegeben.
Bei der Beurteilung des Sachverhalts setzte sich die Kom-
mission mit den Fragen der Indikation und Durchführung
des Eingriffs sowie der Diagnostik und Therapie der Pan-
kreatitis auseinander.
Fehlende Indikation
Bei dem Patienten lagen ein solitäres Gallenblasenkonkre-
ment und so genannter Sludge in der Gallenblase vor. Es gab
keine Hinweise auf Steine oder einen Aufstau in den abfüh-
renden Gallenwegen. Dies bestätigten auch die Ultraschall-
untersuchung vom 21. November und die bei der ERC ange-
fertigten drei Röntgenaufnahmen der ableitenden Gallen-
wege in Bauchlage. Die Kommission beurteilte sie wie folgt:
Aufnahme 1:
Endoskop in situ. Selektive Kanülierung des Gallengangs
mit Darstellung eines normalkalibrigen und steinfreien Gal-
lengangs (bildmäßig Durchmesser 10 mm, was wegen der
Zentralprojektion den sonographisch zuvor ermittelten
9 mm entspricht) und einzelner hepatischer Gänge. Kleines
Kontrastmitteldepot im Bulbus duodeni.