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Jahresbericht 2016

Ärztekammer

Nordrhein

Medizinische Grundsatzfragen

Neue Strukturen und steigende Verantwortung

für die Ethikkommission

Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln oder Medizinprodukten in epidemiologischen oder

sonstigen berufsrechtlich zu beratenden Studien dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaft-

lichen Erkenntnisgewinn und dem Fortschritt in der Medizin. Eine humane medizinische Forschung

ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet. Zum Schutze der Versuchsteilnehmer muss daher

jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethikkommission (EK) vorgelegt werden.

Berufsrechtliche Beratungen

Die EK berät nach

§ 15 Berufsordnung (BO)

nord-

rheinische Ärztinnen und Ärzte vor der Durchfüh-

rung biomedizinischer Forschung am Menschen

über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufs-

ethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage

für die ethische Beratung sind insbesondere die ethi-

schen Grundsätze medizinischer Forschung nach

der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes.

Nicht beratungspflichtig sind ausschließlich retro-

spektive epidemiologische Forschungsvorhaben.

Im Vordergrund der Beratung stehen

• die Freiwilligkeit der Entscheidung zur

Versuchsteilnahme nach Aufklärung

(informed consent),

• das Überwiegen des Nutzens gegenüber

einem potenziellen Schaden,

• die angemessene Auswahl der Studien-

teilnehmerinnen und -teilnehmer und

• der Schutz vulnerabler Gruppen.

Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer

sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for-

schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit-

linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten

wissenschaftlichen Kriterien genügt.

Bei Beratungen der EK nach der Berufsordnung

können Ärztinnen und Ärzte auch bei einer ableh-

nenden Entscheidung der EK mit der Studie begin-

nen – im Gegensatz zu klinischen Prüfungen nach

dem

Arzneimittelgesetz (AMG)

sowie dem

Medizin-

produktegesetz

.

Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz (AMG)

Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie

nach dem

AMG

erst beginnen, wenn die zuständige

Ethikkommission (EK) diese zustimmend bewer-

tet und die zuständige Bundesoberbehörde diese

genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen

Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitglied-

staaten durchgeführt werden (multinationale

multizentrische klinische Prüfung), muss jeder

betroffene Mitgliedsstaat jeweils eine einzige Stel-

lungnahme der EK abgeben. Diese Vorgabe wird

in Deutschland durch die Abgabe einer Stellung-

nahme von der federführenden EK eingehalten.

Die

EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit

Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie

2001/20/EG

ist im Juni 2014 in Kraft getreten. Die

Anwendung der EU-Verordnung setzt allerdings das

Funktionieren des EU-Portals voraus, das durch ein

abschließendes Audit geprüft und bestätigt werden

muss. Dieses befindet sich derzeit im Aufbau und

wird voraussichtlich im Oktober 2018 fertiggestellt

sein. Die Einrichtung des Portals hat sich allerdings

bereits mehrfach verschoben.

Das Verfahren bei multinationalen multizentri-

schen klinischen Prüfungen wird grundlegend neu

gestaltet mit der Konsequenz, dass die bisher vom

AMG

vorgegebenen und bewährten Verfahrens-

weisen für die Bewertung klinischer Prüfungen

in Deutschland wesentlich verändert werden. Die

EKen werden aber weiterhin eine eigenständige

Bewertung an die Genehmigungsbehörde abge-

ben, die den Verwaltungsakt für den Mitgliedsstaat

Deutschland abgibt. Dieser Verwaltungsakt be-

inhaltet die Entscheidung des Bundesinstituts für

Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder

des Paul-Ehrlich-Instituts, kurz PEI, und der sach-

lich zuständigen EK, ob die klinische Prüfung in

Deutschland durchgeführt wird oder nicht.

Nur öffentlich-rechtliche EKen der Länder, die

registriert sind, dürfen an dem Verfahren mitwir-

ken. Der Antrag auf Registrierung ist vom jeweili-

gen Träger der EK beim BfArM zu stellen. Der An-

trag wird vom BfArM im Einvernehmen mit dem

PEI entschieden. Anträge, die bis zum 31. Juli 2017

gestellt sind, erhalten ihre Entscheidung über die

Registrierung bis zum 30. September 2017.