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energie | wasser-praxis
10/2014
R E C H T | e c k
sätzliche Bedingungen zur Auftrags-
ausführung festzulegen. Diese zusätz-
lichen Bedingungen bezögen sich auf
die Vertragsausführung. Der öffentli-
che Auftraggeber kann verlangen, dass
der Bieter die Einhaltung dieser Vor-
schriften bereits im Vergabeverfahren
erklärt. Verweigert der Bieter diese Er-
klärung, so ist er vom Vergabeverfah-
ren auszuschließen.
Indem das OLG Düsseldorf entschie-
den hat, dass die Verpflichtungserklä-
rung im falschen Kontext verlangt
wurde (Eignung anstelle zusätzlicher
Bedingungen), ist es um eine Vorlage
der Frage, ob das TVgG NRW europa-
rechtskonform ist, an den Europäi-
schen Gerichtshof herumgekommen.
Verfassungswidrigkeit
der Verpflichtungserklärung
Zu der Frage, ob das Verlangen, diese
Verpflichtungserklärung abzugeben,
verfassungswidrig sei, verweist das
OLG Düsseldorf lediglich auf ein Ur-
teil des Bundesverwaltungsgerichts
und ein Urteil des Verwaltungsge-
richtshofs Baden-Württemberg. In bei-
den Entscheidungen klingt an, dass
die unspezifische Formulierung der
Pflichten verfassungswidrig sei.
Abschließend entschieden hat das
OLG Düsseldorf über die Frage der
Verfassungsmäßigkeit der Verpflich-
tungserklärungen zu den ILO-Kern-
arbeitsnormen und zu der Förderung
von Frauen und Familien jedoch
nicht. Vor dem Hintergrund der Ent-
scheidungen der Verwaltungsgerichte
spricht viel dafür, dass die gegenwär-
tig von den Landesgesetzgebern ge-
wählten Formulierungen nicht ver-
fassungskonform sind. Im Übrigen
bleibt das OLG Düsseldorf bei seiner
Auffassung, dass die ausschließliche
Gesetzgebungskompetenz des Bundes
nicht berührt sei.
Normadressat
Nicht auseinandergesetzt hat sich das
OLG Düsseldorf mit der Frage, ob Ver-
pflichtungserklärungen von Unter-
der öffentliche Auftraggeber weder
die Absicht noch die Möglichkeiten
habe, die Richtigkeit der mit der Ver-
pflichtungserklärung abgegebenen
Angaben zu überprüfen,
das Verlangen einer Verpflichtungs-
erklärung von den Nachunterneh-
mern einen unzulässigen Vertrag
zulasten Dritter darstellt und
es keinen sachlichen Zusammen-
hang zwischen den abzugebenden
Verpflichtungserklärungen und dem
Auftragsgegenstand gäbe.
Verletzung europarechtlicher und
nationaler Vergabevorschriften
Das OLG Düsseldorf sah in der Tatsa-
che, dass der öffentliche Auftraggeber
die Verpflichtungserklärung im Zu-
sammenhangmit der Eignung verlangt
hatte, einen Verstoß gegen die Verga-
bekoordinierungsrichtlinie (VKR)
2004/18/EG. Denn der Art. 45 Abs. 2
VKR zähle die Gründe für den Aus-
schluss eines Bieters vom Vergabever-
fahren wegen mangelnder Zuverlässig-
keit abschließend auf. Darüber hinaus
sei es nicht zulässig, weitere Anforde-
rungen an die Eignung zu stellen. Da
die Verpflichtungserklärung vorliegend
an der falschen Stelle verlangt wurde,
entschied das OLGDüsseldorf, dass das
Vergabeverfahren zurückzusetzen sei.
Sowohl im europäischen als auch im
nationalen Vergaberecht sah das OLG
Düsseldorf jedoch die Möglichkeit, zu-
Ein öffentlicher Auftraggeber
hatte
in seiner Bekanntmachung unter Zif-
fer III.2.1 „Persönliche Lage des Wirt-
schaftsteilnehmers“ gefordert, dass
die Wirtschaftsteilnehmer zur Be-
rücksichtigung sozialer Kriterien
nach den Vorgaben des TVgG NRW
zu den ILO-Kernarbeitsnormen sowie
zur Förderung von Beruf und Familie
eine Verpflichtungserklärung abge-
ben müssen.
Rügen
Ein Wirtschaftsteilnehmer rügte, dass
die Abgabe dieser Verpflichtungserklä-
rungen in mehrerlei Hinsicht gegen
das geltende Recht verstoße, da:
die europarechtlichen und nationa-
len Vergaberechtsvorschriften ver-
letzt seien,
die §§ 18 und 19 TVgG NRW verfas-
sungswidrig seien, da die Gesetzge-
bungskompetenz für arbeitsrechtli-
che Normen beim Bund und nicht
beimLand Nordrhein-Westfalen liege
und auch Grundrechte verletzt seien,
die ILO-Kernarbeitsnormen nicht
einzelne Unternehmen als Adressa-
ten hätten, sondern als völkerrecht-
liches Abkommen die beteiligten
Staaten,
der öffentliche Auftraggeber in un-
zulässiger Weise die Beweislast (Art.
45 Abs. 2 lit. d VKR) dafür, dass der
Bieter gesetzestreu gehandelt habe,
dem Bieter auferlege,
Es werden wohl eine Vielzahl von Vergabeverfahren davon betroffen sein:
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 25. Juni 2014
(Az.: Verg 39/13) entschieden, dass es sich bei Verpflichtungserklärungen zu
ILO-Kernarbeitsnormen und zur Förderung von Beruf und Familie nicht um
Eignungskriterien handelt. Vergabeverfahren, bei denen die Verpflichtungs-
erklärung unter dem Punkt „Eignung“ gefordert wurde, sind angreifbar und
müssen zurückversetzt werden – nicht nur in Nordrhein-Westfalen.
Vergaberecht
Aus für Tariftreue- und Vergabe-
gesetz (TVgG) NRW?
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