

unter der Diagnose „Ganglion/Bakerzyste linkes Kniege-
lenk“.
Für den Eingriff wurde ein Oberarzt der belasteten orthopä-
dischen Klinik eingeteilt. Dieser gab in seiner Stellungnah-
me an, dass er sich am 4. Mai mit dem Ambulanzbericht des
Patienten vom 3. März vertraut gemacht habe. Nach seinen
Angaben konnte er mit dem am Operationstag, dem 5. Mai,
einbestellten Patienten erst in einer OP-Pause sprechen und
ihn untersuchen. Die MRT-Bilder habe er präoperativ nach
Einspielung im Computer gesichtet und in Anlehnung an
den Befund des Radiologen als Ganglion interpretiert.
Der Patient erschien am 5. Mai um 10.30 Uhr zum geplan-
ten Eingriff. Um 11.45 Uhr begann die Operation in Blutlee-
re des linken Beins und unter Bauchlagerung des Patienten.
Bei der Inzision und partiellen Entfernung des vermeintli-
chen Ganglions entleerte sich reichlich altes Blut. Die histo-
logische Aufarbeitung des Resektionsmaterials ergab Gefäß-
wandanteile und Thromben.Nach Öffnen der Blutleere kam
es zu einer starken arteriellen Blutung, sodass die Manschet-
te sofort wieder aufgeblasen wurde. Jetzt wurde ein Kollege
aus der Allgemeinchirurgie hinzugerufen, der die Diagnose
„Aneurysma der A. poplitea“ stellte und – bei fehlender Ex-
pertise im eigenen Hause – die notfallmäßige Verlegung des
Patienten in eine Gefäßchirurgie veranlasste.
Hierzu wurde die Operation um 13.20 Uhr provisorisch be-
endet. Der Patient blieb intubiert und mit Blutsperre des lin-
ken Beins (Druck 450 mmHg) versehen. Um 16.15 Uhr be-
gann laut Stellungnahme der Gefäßchirurgen sofort nach
der Aufnahme die Notoperation. Die Blutleere wurde nach
einer Zeit von circa 4,5 Stunden wieder aufgehoben. Opera-
tiv erfolgten die Ausschaltung des Popliteaaneurysma durch
einen popliteo-poplitealen Venenbypass, eine mediale und
laterale Fasziotomie des linken Unterschenkels, wobei die
Muskulatur bereits herausquoll, sowie die Wundrevision
und Hämatomausräumung in der Kniekehle. Die Operation
endete nach fast fünf Stunden um 21.03 Uhr. Damit ergab
sich eine durchgehende Intubationszeit des Patienten von
über neun Stunden.
Weitere Zusatzoperationen zur Deckung der Unterschen-
kelwunden folgten. Postoperativ blieben die Sensibilität und
Motorik des linken Beins eingeschränkt. Eine neurologische
Untersuchung zeigte eine Fußheberschwäche links (KG 2/5)
durch eine Parese des N. peroneus. Maßnahmen zur Spitz-
fußprophylaxe wurden eingeleitet.
Am 8. Juni wurde der Patient in eine Rehabilitationsklinik
verlegt. Über den weiteren Verlauf lagen keine Unterlagen
vor.
In der Bewertung des Sachverhaltes ergaben sich
folgende Fragen:
1. Wurde die Magnetresonanztomographie der Kniekehle
sachgerecht durch den Radiologen befundet?
2. Durften sich die Orthopäden im Rahmen der horizonta-
len Arbeitsteilung auf den Befundbericht verlassen und den
Eingriff durchführen?
1. MRT vom Radiologen verkannt
Die Magnetresonanztomographie wurde vom Radiologen
fehlerhaft befundet. Es lag das charakteristische und un-
verwechselbare Bild eines 6 x 5,5 x 4,5 cm
3
großen Aneurys-
mas der A. poplitea in der Kniekehle vor
(Abbildung 1,
unten)
.
Die Differenzialdiagnose wurde nicht einmal erwogen. Der
Diagnosefehler des Radiologen wurde als schwerwiegend
beurteilt, weil er schlechterdings unverständlich war.
2. Unkritische Übernahme der fälschlichen Diagnose
Die Differenzialdiagnose eines Popliteaaneurysma wurde
auch von den Orthopäden weder bei der Erstvorstellung des
Patienten noch unmittelbar präoperativ bedacht, obwohl
dieses den häufigsten Grund für eine Raumforderung in der
Kniekehle darstellt.
Tabelle 2: Hinweise auf Organisationsfehler bezogen auf den Tätigkeitsbereich des behandelnden Arztes
1.1.2008 – 31.12.2012
Gesamt
Fehler bejaht
N
Anteil in %v.n n-bejaht
davon mit Hinweisen auf Organisationsmängel
Sp. 2
2008–2012
2008–2012
2003 –2007
n
Anteil in % Anteil in %
v. n-bejaht
v. n-bejaht
Begutachtungen*
7.109
100,0
2.205
297
13,5
10,7
Anzahl der Ärzte²
8.550
100,0
2.325
310
13,3
11,2
Krankenhausärzte
5.839
68,3
1.542
229
14,9
13,4
Niedergelassene Ärzte
2.711
31,7
783
81
10,3
7,4
*
Begutachtungen = Gutachtliche Bescheide oder Einstellungen nach Einholung eines Gutachtens
²
Ein Arzt pro Abteilung oder Gemeinschaftspraxis; Belegärzte werden den niedergelassenen Ärzten zugerechnet
Abbildung 1:
MRT-Darstellung des linken Knie-
gelenkes in sag. Ebene in T1 ge-
wichteten Sequenzen. In der Knie-
kehle erkennt man eine überwie-
gend rundliche, glatt berandete
Raumforderung, von 42 x 56 mm
Größe. Zentral zeigt sich eine se-
gelartige hypodense Struktur, die
von der (hier nicht sichtbaren)
A. poplitea ausgeht. Zusätzlich
Nachweis einer querverlaufenden
bandförmigen Artefaktbildung,
als Folge der pulsierenden Press-
Strahlblutung.
Diagnose: teilthrombosiertes, per-
fundiertes Aneurysma der A. po-
plitea
Fehlerhafte Organisation ärztlicher Tätigkeit
Gutachtliche Entscheidungen
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