

Der Anteil der Vorwürfe zu Hüftendoprothesen an der Ge-
samtzahl der medizinischen Begutachtungen beträgt seit
vielen Jahren circa drei Prozent der insgesamt medizinisch
überprüften Begutachtungen. Die Vorwürfe bestätigten sich
in den Abschlussjahren 2009 bis 2013 in 101 von 307 Ver-
fahren (Behandlungsfehler-Quote 32,9 %), darunter bei
64 von 211 primären Endoprothesen bei Coxarthrose
(
T
abelle 1)
.
Am häufigsten wurden intraoperative Versäumnisse (n=75)
festgestellt (Mehrfachnennung); postoperative Fehler lagen
bei 59 Patienten vor
(
T
abelle 2).
Eine Risikoaufklärungsrüge
war in vier von 49 Fällen begründet, darunter war ein Ver-
fahren, in dem die mangels wirksamer Einwilligung rechts-
widrige Behandlung als solche durchaus sachgerecht war.
Nachfolgend ein Fallbeispiel, bei dem es um die Prüfung des
Vorwurfs ging, die fehlerhafte Implantation einer Hüft-
totalendoprothese rechts wegen Coxarthrose habe zu einer
Schenkelhalsfraktur geführt. Nach erfolglosem Versuch, sie
zu versorgen, sei schließlich wegen einer nicht beherrsch-
baren chronischen Osteomyelitis eine hohe Oberschenkel-
amputation erforderlich gewesen.
Wann und auf wessen Veranlassung sich der 61-jährige Pa-
tient präoperativ im belasteten Krankenhaus vorstellte, war
den Unterlagen nicht zu entnehmen. Zur Begutachtung vor-
gelegt wurden präoperative Röntgenaufnahmen vom
14. Juli des tiefen Beckens und Oberschenkels a. p. rechts,die
einen Zustand nach Nagelung des rechten Oberschenkels
vor 20 Jahren mit verheilter Fraktur im mittleren Drittel des
Femurschaftes zeigten. Es stellte sich ein weitgehend nor-
males Hüftgelenk dar. Der Gelenkspalt war in allen Ab-
schnitten circa 4 mm breit. Eine auffallende Sklerosierung
des Pfannendaches lag nicht vor. Es fand sich ein kleiner
Osteophyt am unteren Pfannenrand. Eine Lauensteinauf-
nahme lag nicht vor.
Am 16. Juli wurde dem Patienten durch einen Facharzt für
Unfallchirurgie und Orthopädie unter der Diagnose „Cox-
arthrose rechts“ eine Oberflächenprothese Typ Cormed
rechts, Kopfgröße 4, Pfanne 50 zementfrei implantiert. Die
am 18. Juli gefertigte postoperative Röntgenkontrollaufnah-
me zeigte den Zustand nach Oberflächenersatzoperation
des rechten Hüftgelenks. Es war ersichtlich, dass die Hüft-
kappe mit Stiel ungenügend fest auf den Schenkelhals-
stumpf aufgeschlagen war, weshalb keine genügend feste
Verbindung zwischen Implantat und vorgefrästem Schen-
kelhals eintreten konnte. Das Acetabulum war unsachge-
mäß ausgefräst und wies bei 12.00 Uhr und bei 1.00 Uhr ei-
nen weiten Abstand zum metallenen Prothesenkopf auf.
Eine Röntgenaufnahme vom 23. Juli (7. postoperativer Tag)
zeigte einen Zustand nach Ausbruch der Oberflächenpro-
these aus dem Schenkelhals mit Abkippung des Implantates
um circa achtzig Grad nach medial-caudal. Der Erstopera-
teur führte am selben Tag eine Hüftrevision durch. Geplant
war,eine im Femurschaft zu verankernde Prothese einzuset-
zen. Hierzu musste zunächst der Küntscher-Nagel entfernt
werden, was aber misslang. Welche Ausschlaginstrumente
verwandt wurden,wurde imOP-Bericht nicht erwähnt.Die-
sem Bericht zu Folge wurde nunmehr versucht, den Künt-
scher-Nagel durch transfemorale Bohrung zwischen mittle-
rem und unterem Drittel zu zerteilen. Dabei kam es im Tei-
lungsbereich zu starken Beschädigungen und zur Zerstö-
Beinverlust durch nicht indizierte, fehlerhaft implantierte Hüftprothese
Fünfjährige Auswertung der erhobenen einschlägigen Behandlungsfehlervorwürfe und
gutachtlich festgestellten Behandlungs- und Aufklärungsfehler zu Hüftendoprothese
Gutachtliche Entscheidungen
207
Tabelle 1: Vorwu
̈
rfe und festgestellte Behandlungsfehler
bei Hu
̈
ftgelenksendoprothesenimplantationen in den gutachtlichen
Entscheidungen der Gutachterkommission Nordrhein
der Jahre 2009–2013
Zeitraum
BF
BF-
1.1.2009 – 31.12.2013
n
in %
bejaht Quote
v. n
in %
Anzahl aller Begutachtungen
7.484
100,0 2.277 30,4
• davon Anteil an Vorwu
̈
rfen zu
Hu
̈
ftgelenksendoprothesen
307
4,1
101
32,9
Begutachtungen bei primärer
Hu
̈
ftgelenksendoprothese
260
3,5
83
31,9
• davon Coxarthrose
(bei Diagnose ex post*)
211
2,8
64
30,3
Begutachtungen bei sekundärer
Hu
̈
ftgelenksendoprothese
47
0,6
18
38,3
* Eine Hauptdiagnose pro Verfahren, BF = Behandlungsfehler, n = Zahl der Fälle
Tabelle 2: Festgestellte Einzelfehler* bei Hu
̈
ftgelenks-
endoprothesenimplantationen in den Begutachtungen der
Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2009 – 2013
Zeitraum 1.1.2009 – 31.12.2013
BF bejaht
Anzahl der Begutachtungsverfahren
2.277
davon Anteil an Vorwu
̈
rfen zu Hu
̈
ftgelenksendoprothesen 101
Fehlende Indikation zum Eingriff
5
Fehlerhafte präoperative Planung
7
Intraoperative Fehler (max. 1 x pro Verfahren)
75
davon*
• Intraop. Vorgehen (28), Zementierung (4), Nervenläsion (5),
Gefäßläsion (1), Spongiosaauffu
̈
llung (1) 39
• Fehlimplantation der Pfanne (19), Schaft (8)
27
• Prothesenwahl (14), Schaft zu kurz (5)/zu groß (1),
Pfanne zu klein (2)/ zu groß (1)
23
• Intraoperative Rö verkannt (13), versäumt (2)
15
• Fehlende Antibiotika-Prophylaxe
2
• Lagerung
1
• Dokumentation OP-Bericht
6
Postoperative Fehler (max. 1 x pro Verfahren)
59
davon*
• Rev.-OP unzureichend (17), verspätet (6), versäumt (7),
ohne Indikation (1)
31
• Rö p.o. verkannt (19), verspätet (2), versäumt (1)
22
• Postoperative Untersuchung/Reaktion auf Befund (8),
Infektion (6), Nachblutung (2), Beinlängendifferenz (2),
Nervenläsion (2), Gefäßarrosion (1), Vitalparameter (1)
22
• Antibiotika versäumt (3), verspätet (1),
zu späte Umstellung (1)
5
• Ossifikationsprophylaxe versäumt
1
• Sicherungsaufklärung versäumt
7
• Dokumentationsmangel
2
* Mehrfachnennung möglich