

Indikation, Risikoabwägung und Hygiene bei der Injektion
homöopathischer Substanzen
Langzeittherapie erfordert differenzierte Begründung
Gutachtliche Entscheidungen
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Wiederholt hatte sich die Gutachterkommission mit Vor-
würfen bei Injektionsbehandlungen durch Ärzte bei chro-
nischen Schmerzpatienten auseinanderzusetzen und hierzu
Erfahrungen publiziert (siehe u.a. Holland, Ch, Jaeger,
L, Smentkowski, U,Weber, B, Otto, Ch: Septische und asep-
tische Komplikationen in Verbindung mit Korticoid-Injek-
tionen – Eine Auswertung von 278 einschlägigen Fällen der
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Jahre
2005–2009,
Dtsch. Arztebl Int 2012; 109(24): 425–30 und
Weber, B, Smentkowski, U, Köbberling, J: Fehler bei der Arznei-
mitteltherapie. RhÄ 2013 (6): 22–24)
.
Unlängst wurde ein interessanter Fall entschieden, der meh-
rere Aspekte einer Schmerztherapie mit dem homöopa-
thischen Medikament Traumeel
®
umfasst, die nachfolgend
dargestellt werden sollen:Der Karteikarte des belasteten Or-
thopäden war zu entnehmen, dass sich die 1966 geborene
Patientin erstmalig im November 2004 vorstellte wegen seit
1978 bestehenden Wirbelsäulenproblemen nach jahrelan-
gem Tragen eines Milwaukee-Korsetts. Anamnestisch war
1994 ein cervikaler Bandscheibenvorfall festgestellt worden.
Die Dokumentation enthielt des Weiteren Angaben zum
klinischen Befund, zur Anfertigung eines Magnetresonanz-
tomogrammes der Lendenwirbelsäule und – nach Diagnose
eines Bandscheibenvorfalles L5/S1 ohne Paresen nach neu-
rochirurgischerMituntersuchung–zu einer Behandlung mit
einem Schmerzmittel, Infusionen und periduralen Injektio-
nen, die durch einen anderen Arzt vorgenommen wurden.
In der Folgezeit wurden Konsiliaruntersuchungen und auch
radiologische Untersuchungen durchgeführt und die Be-
schwerden wurden erfolglos mit verschiedenen Maßnah-
men behandelt. Schließlich wurde im Dezember 2006 eine
Bandscheibenprothese L5/S1 eingesetzt. Aber auch danach
traten immer wieder heftige Beschwerden auf. Zwischen-
zeitlich wurde eine Leberteilresektion erforderlich.
Im Januar 2008 ist erstmalig eine Behandlung mit Trau-
meel
®
vermerkt, auch ein „Gespräch über Procedere unter
Berücksichtigung der Anamnese mit hohen Leberwerten
und Medikamentenunverträglichkeiten, Gespräch über
Traumeel
®
-Injektionen lokal in die untere LWS an den je-
weiligen Schmerzpunkt, Aufklärung über die „Ungenauig-
keit“ der geplanten Injektion im Vergleich zu CT-gesteuer-
ten Injektionen, Aufklärung über auch hier bestehende
Risiken wie Infektion (Bakterienverschleppung),Hämatom-
bildung und Verletzung von Nerven, Gefäßen und vom
Rückenmark abgehenden Strukturen etc., erhöhtes Risiko
insgesamt wg. Zustand nach OP einer Bandscheibenprothe-
se, veränderte Anatomie durch Narbenbildung und nicht
mehr vorhandene anatomische Grenzenbarrieren, Hinweis
auf kommunizierendes System Rückenmarkflüssigkeit –
Gehirnflüssigkeit, Pat. einverstanden“.
Im weiteren Verlauf sind häufige Kontakte und viele unter-
schiedliche Therapien dokumentiert, auch Mitbehandlun-
gen beim „Schmerztherapeuten“, so im September 2008.
Ab diesem Zeitpunkt erfolgten zahlreiche Traumeel
®
-In-
jektionen bei L5/S1 links. Im Mai 2011 ist dokumentiert:
„Stat. in Uni zweimal PRT, habe noch Schmerzen HWS“.
Beim letzten Praxiskontakt wurde dokumentiert: „Wieder
vermehrt Schmerzen LWS li., Hartspann idem, DS betont
L5/S1 li.. Diagnosen: Skoliose; Bandscheibenvorfall; Spon-
dylarthrose; LWS-Syndrom; HWS-Syndrom; PHS re.;
Schwindel; Bursitis olecrani; Handgelenkarthrose. FA. Ra-
diologie / M / K/: Infiltrationsbehandlung nach Ziffer 345 ø
2. TR L5/S1 li..“
Vorgelegt wurden auch alle demArzt zugegangenen Berich-
te, beginnend mit dem Bericht einer Reha-Klinik nach
stationärer Behandlung im März 2005. Hierin ist eine Bes-
serung der Beschwerden nach vorausgegangenen PRTs
genannt. Aus zahlreichen konsiliarisch zugezogenen Unter-
suchungen geht eine andauernde, rezidivierende Schmerz-
symptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule hervor.
Belegt sind auch eine weitere Rehabilitationsmaßnahme im
September 2010 vorwiegend wegen der Wirbelsäule, das
Magnetresonanztomogramm der Halswirbelsäule vomApril
2011 und der Bericht über die stationäre Behandlung in
einer Orthopädischen Universitätsklinik im Mai 2011 mit
einer PRT C6/C7 rechts.
Die Krankenakte einer Neurologischen Universitätsklinik
nach stationärer Behandlung führt zur Epikrise auf: „Die
stationäre Aufnahme der 45-jährigen Patientin erfolgte zur
weiteren Klärung von seit wenigen Tagen progredienten
Kopf- und Nackenschmerzen. Begleitend seien Erbrechen
und Lichtscheu vorhanden gewesen. Bei chronischen
Schmerzen nach cervicalen und lumbalen Bandscheiben-
vorfällen seien wiederholt Schmerzmittelinjektionen appli-
ziert worden, zuletzt lumbal. Nachgewiesen wurde eine
Methicillin-Resistenzgen mecA positive-Meningitis.“
Der belastete Arzt gab in seiner Stellungnahme an, er habe
die jeweiligen Traumeel
®
-Injektionen nach Befragen der
Patientin und Betasten der als schmerzend bekundeten Re-
gion in Höhe L5/S1 links vorgenommen. Insgesamt erfolg-
ten innerhalb von 43 Monaten 34 Traumel
®
-Injektionen
„auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin bei einem Man-
gel an alternativen Wirkstoffen bei angeschlagenem Leber-
stoffwechsel und langjähriger Medikamenteneinnahme.“
Die paravertebralen Injektionen seien unter den hygieni-
schen Anforderungen an subkutane und intramuskuläre In-
jektionen erfolgt. Am 14. Juli sei ein tiefliegender Schmerz-
punkt ertastet worden, der mit der Injektion erreicht werden
sollte.
Die Patientin gab in ihrem Gedächtnisprotokoll und in ih-
rer Stellungnahme an, sie habe wegen einer Lumboischial-
gie in unregelmäßigen Abständen – je nach Schmerzintensi-
tät – seit 3 bis 4 Jahren Traumeel
®
gespritzt bekommen. Die
Injektionen seien immer in der gleichen Art vorgenommen
worden, eine Aufklärung über Risiken seit allenfalls 2008
erfolgt, nicht aber über Behandlungsalternativen. Am 4. Juli
sei statt einer intramuskulären Spritze eine PRT oder PDI