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Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler

bei der Ärztekammer Nordrhein hat mehrfach zu prüfen ge-

habt, ob ein behandelnder Arzt fehlerhaft eine Thrombose-

prophylaxe unterlassen und/oder eine Thrombose nicht

oder nicht zeitgerecht diagnostiziert hat, obwohl wegen der

Einnahme eines kombinierten oralen Kontrazeptivums

(KOK) das bekannt erhöhte Risiko für ein venöses throm-

bembolisches Ereignis (VTE) bestand. Bereits im

Rheinischen

Ärzteblatt, Heft 11/2010

hatte sich die Gutachterkommission

im Beitrag „Thromboseprophylaxe bei laparoskopischen

Eingriff und Einnahme von Contraceptiva“ mit einer ähnli-

chen Fragestellung auseinandergesetzt.

Im

Rheinischen Ärzteblatt 12/2009

wies die Kommission un-

ter der Überschrift Orale Kontrazeptiva – Thromboseembo-

lierisiko auf das erhöhte Risiko eines VTE unter Einnahme

eines KOK der 3. Generation hin. Die Arzneimittelkommis-

sion der deutschen Ärzteschaft informierte im April 2010

(Drug Safety Mail 2010-096) und mit weiteren Stellungnah-

men insbesondere zu den Drospirenon-haltigen OK

(Vasmin

®

, Yasminelle

®

, Aida

®

, Yaz

®

, Petibelle

®

) im

Deutschen Ärzteblatt 108, Heft 45 vom 11. Januar 2011

,

nunmehr verbunden mit der Darstellung eines Falls aus dem

September 2009 mit tödlichem Ausgang nach zehnmona-

tiger Einnahme von Aida

®

. Dieser Hinweis wurde im

Deutschen Ärzteblatt 2013; 110(50): C 2074-5

wiederholt und

in der Februar-Ausgabe 2014 des

Rheinischen Ärzteblatts

in

der Rubrik Sicher Verordnen (Folge 262) übernommen.

Von der Gutachterkommission wurde in 104 der 7.484 in

Nordrhein zwischen 2009 und 2013 abgeschlossenen Begut-

achtungen die Frage einer erforderlichen und/oder sachge-

rechten Thrombose-Prophylaxe geprüft (1,4 Prozent); 21-

mal wurden Fehler bei der Thrombose-Prophylaxe (BF-

Quote 20,2 Prozent) und bei 7 Patienten zusätzlich Fehler

bei der Diagnostik zum Ausschluss einer Thrombose festge-

stellt. In der Gruppe mit sachgerechter Thrombose-Prophy-

laxe wurde bei 5 Patienten eine Lungenembolie und bei

3 Patienten eine Thrombose verkannt. Acht der 34 weibli-

chen Patientinnen bis zum mittleren Lebensalter mit Vor-

würfen zur Thrombose-Prophylaxe (insgesamt 52 Patientin-

nen) nahmen Kontrazeptiva ein; bei 3 dieser 8 Patientinnen

wurden Fehler bei der Thrombose-Prophylaxe – trotz mitt-

leremThromboserisiko und weiterhin bestehenden disposi-

tionellen Risikofaktoren wie Adipositas, Nikotinabusus und

familiäre Häufung – festgestellt. Im nachfolgend dargestell-

ten Fall wurde eine Kontrazeptivaeinnahme als Risikofaktor

behandlungsfehlerhaft nicht erfragt. Der unabhängig von

der Frage einer Thrombose-Prophylaxe vorgebrachte Vor-

wurf der Verkennung einer Thrombose war bei 7 von 20 Pa-

tienten und der einer Lungenembolie bei 11 von 18 Patien-

ten begründet. Insgesamt wurden demnach bei 33 der

7.484 Patienten eine Lungenembolie (16) oder eine tiefe

Beinvenenthrombose (17) verkannt (Tabelle 1).

Sachverhalt

Die 22-jährige Patientin unterzog sich am 13. August in ei-

nem Krankenhaus einem kleinen gynäkologischen Eingriff

einer Portio-Laserung. Wegen eines postoperativen Arznei-

mittel-Exanthems wurde sie am gleichen Tag in eine derma-

tologische Abteilung verlegt und dort nach Einleitung einer

systemischen Behandlung mit Ultralan

®

, beginnend mit

50 mg, am Folgetag entlassen. Empfohlen wurde dort, die

Ultralan®-Therapie in absteigender Dosierung bis auf zu-

letzt 10 mg/die am 5. Tag (18. August) nach Beginn fortzu-

führen.

Am 20.August suchte sie den belasteten Arzt für Orthopädie

wegen Schmerzen im rechten Fuß und Sprunggelenk auf.

Handschriftlich wurde in der Karteikarte notiert: „Unkl.

Schmerzen seit 2Tagen (Ruheschm.) > pocht bis in den Zeh.

Dig.: Tendinitis re. OSG, re. Fuß.

DS u. Belastungsschmerz über re. OSG, re. Fuß, keine

Schwellung, keine Ent., PDMS intakt! 10 re. OSG“.

Unter dem Feld „Vorerkrankungen“ wurde vermerkt:

„Eisenmangel, Zustand nach der gynäkologischen Maßnah-

me, Allergien auf Penicillin,Antibiotica, Schmerzmittel und

Betäubungsmittel“.

Am Folgetag lautete die Dokumentation: „Pers. Beschw.,

Befd. s.o.; Rö. re. OSG; 10 re. OSG. Re. OSG 2 Ebenen – un-

auffällig“.

Gutachtliche Entscheidungen

211

Kontrazeptiva und Thrombose

Thromboseprophylaxe berücksichtigen

Tabelle 1: Vorwu

̈

rfe und festgestellte Behandlungsfehler bei Vorwu

̈

rfen zur Thrombose-Prophylaxe und zur Verkennung einer Thrombose/

Lungenembolie in den Begutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2009–2013

Zeitraum 1.1.2009–31.12.2013

n

in % v. n

BF bejaht

BF-Quote

in % v. Sp. 2

Anzahl der Begutachtungen

7.484

100,0

2.277

30,4

1. Überpru

̈

fungen zur Thrombose-Prophylaxe

104

1,4

21

20,2

– mit zusätzlichem Vorwurf Thrombose/Lungenembolie

44

0,6

15

34,1

verkannt zu haben

2. Überpru

̈

fungen zum Vorwurf Thrombose- und/oder Lungen-

38

0,5

18

47,4

embolieverkennnung (unabhängig von der Frage einer nötigen

Thrombose-Prophylaxe)