

Laut Stellungnahme des belasteten Arztes erfolgten die in-
traartikulären Injektionen jeweils mit einem Lokalanästhe-
tikum in Kombination mit einem Kortikosteroid (10 mg).
Ab dem 24. August wurde die Patientin wegen beidseitiger
Lungenarterienembolien ausgehend von einer rechtsseiti-
gen Unterschenkelvenenthrombose stationär für 10 Tage
unter Einleitung einer für 6 Monate durchzuführenden An-
tikoagulantientherapie mit Marcumar
®
behandelt.
Bewertung
Fehlerhaft waren eine unsorgfältige Befragung und Unter-
suchung, die zu einer selbst durch die vorliegende Doku-
mentation nicht gedeckten falschen Diagnose und einer fal-
schen Injektionstherapie führten:
Der belastete Arzt hatte bei seit 2 Tagen bestehenden unkla-
ren Schmerzen die Diagnose einer Sehnenerkrankung am
rechten oberen Sprunggelenk gestellt, ohne die betreffende
Sehne näher zu lokalisieren und nach einer möglichen aus-
lösenden Ursache zu fragen. Den spärlichen Unterlagen war
eine die Injektionsbehandlung rechtfertigende Befundbe-
schreibung des Sprunggelenks nicht zu entnehmen. Die in-
traartikuläre Injektion war daher als behandlungsfehler-
haft, weil ohne Indikation vorgenommen, anzusehen.
Als einen Tag später die Beschwerden persistierten und der
Befund der gleiche wie bei der ersten Untersuchung gewe-
sen sein soll,wurde – nach einer unauffälligen röntgenologi-
schen Untersuchung des oberen Sprunggelenks – erneut be-
handlungsfehlerhaft eine intraartikuläre Injektion vorge-
nommen. Zu rügen ist, dass die verabreichten Medikamen-
te, insbesondere das Kortikosteroid, jeweils nicht dokumen-
tiert wurden. Der Verdacht, es könne sich um eine Throm-
bose – bei Risikoerhöhung durch die nicht erfragte Kontra-
zeptivaeinnahme – handeln, kam dem belasteten Arzt nicht.
Zum Schaden wurde festgestellt, dass die Unterschenkel-
thrombose zweifelsfrei beginnend am 20. August schon be-
standen hatte. Es lässt sich daher für die Gutachterkommis-
sion nicht abschätzen, ob sich das Risiko des Erleidens einer
Lungenarterienembolie durch eine zeitgerechte Diagnostik
mit Nachweis der Thrombose und Einleitung einer entspre-
chenden Behandlung noch hätte minimieren oder gar ver-
hindern lassen.
Schlussfolgerungen
Der erstmals ein Kontrazeptivum verordnende Arzt muss
auf das Risiko eines VTE aufmerksam machen unter Beach-
tung möglicherweise bereits bestehender weiterer Risiko-
faktoren (evtl. bekannte genetische Faktoren, bereits erlitte-
ne Thrombose, Übergewicht, Rauchen). Die Aufklärung
muss nach dem Patientenrechtegesetz dokumentiert
(§630f Abs.2 BGB) werden. Hinweise zur Beantwortung der
Frage, unter welchen Voraussetzungen Minderjährigen –
auch ohne Beteiligung der Erziehungsberechtigten – ein
Kontrazeptivum vom Arzt verschrieben werden kann, fin-
den sich in einer Stellungnahme zu Rechtsfragen bei der Be-
handlung Minderjähriger der Arbeitsgemeinschaft Medizin-
recht der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Ge-
burtshilfe (DGGG) unter
www.dggg.de/leitlinienstellungnah-men/aktuelle-stellungnahmen
. Bei Beschwerden im Bereich
der Unterschenkel und Füße, die bei „leerer“ Vorgeschichte
nicht eindeutig einem lokalen Befund zugeordnet werden
können, ist bei in Frage kommenden Patientinnen– auch bei
sehr jungen Patientinnen – auch die Frage nach der „Pille“
zu stellen und dann einer möglichen Thrombose als Ursache
der Beschwerden nachzugehen.
Bei Verletzungen oder gesicherten Überlastungsbeschwer-
den, die eine auch nur geringe Ruhigstellung durch stabili-
sierende Verbände und Schienen erfordern, ist die Frage
nach der „Pille“ gleichfalls zu stellen und gegebenenfalls
eine Thromboseprophylaxe einzuleiten
(siehe Leitlinien der
Fachgesellschaften)
.
Christian Holland, Karl Joseph Schäfer und Beate Weber
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Gutachtliche Entscheidungen
Kontrazeptiva und Thrombose