Background Image
Previous Page  217 / 258 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 217 / 258 Next Page
Page Background

mehr sichern konnte, war die erforderliche Amputation den

Unfallchirurgen anzulasten.

b) Bei dem Patienten, der sich mit seit dreieinhalb Stunden

bestehenden, durch Analgetika nicht gebesserten akuten

thorakalen Beschwerden mit Ausstrahlung in den linken

Arm in der chirurgischen Notfallambulanz vorstellte, in der

zweiWochen zuvor ein BWK 4/5-Abszess mit Sepsis behan-

delt worden war, war es grob fehlerhaft, keine Diagnostik

zum Ausschluss eines Herzinfarktes eingeleitet und den Pa-

tienten über Nacht nur mit einem Analgetikatropf versehen

und nach der Oberarztvisite am nächsten Morgen entlassen

zu haben. Der schwere Herzmuskelschaden durch den

beim Hausarzt festgestellten Herzinfarkt ging zu Lasten der

Ärzte, die bei Beweislastumkehr zu beweisen haben, dass

der Verlauf bei sachgerechtemVorgehen nicht anders gewe-

sen wäre.

5. Befunderhebungsfehler mit schwerwiegend

fehlerhafter Nichtreaktion

a) Bei der Aufnahme mit klinischem Hinweis auf ein Kom-

partmentsyndrom mit massiver Unterschenkelschwellung

wurde eine Kompartmentdruckmessung fehlerhaft – auch

bei expliziter Nachfrage durch die Intensivärzte – unterlas-

sen. Sie hätte mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlich-

keit einen Befund ergeben,der eine sofortige Fasziotomie er-

fordert hätte. Diese wurde schwerwiegend fehlerhaft erst

drei Tage später durchgeführt, als das Bein schon nicht mehr

zu retten war.Der Beinverlust imHüftgelenkwar daher dem

Fehlverhalten der Ärzte zuzuschreiben.

b) Nach einem transfemoralen Aortenklappenersatz und ei-

ner Herzschrittmacherimplantation wurde es trotz eines

postinterventionellen Hb-Abfalls um 3 g/dl auf 6 g/dl unter

Kalium- und Laktatanstieg fehlerhaft unterlassen, die Blu-

tungsquelle echokardiographisch und sonographisch aus-

zumachen, sodass eine Herzbeuteltamponade zu spät er-

kannt wurde und die Patientin an den Folgen am gleichen

Abend verstarb.

6. Verletzung der Informationspflicht über weitere

Befunderhebung

Die bei Vorsorgeuntersuchungen festgestellten pathologi-

schen und jährlich steigenden PSA-Werte (2009: 7,95

ng/ml, 2010: 10,8 ng/ml, 2011: 20,4 ng/ml) wurden dem Pa-

tienten durch den Hausarzt grob fehlerhaft erst im Jahr 2011

mitgeteilt und dann erst eine weitergehende Diagnostik ver-

anlasst. Die nach der radikalen Prostatektomie des fortge-

schrittenen Prostatakarzinoms aufgetretene zweitgradige

Harninkontinenz und die erektile Dysfunktion gehen zu

Lasten des Arztes.

Lothar Jaeger und Beate Weber

Gutachtliche Entscheidungen

215

Versäumte Befunderhebung: Folgen für die Beweislast