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energie | wasser-praxis
10/2014
I N T E R V I E W
In Deutschland gibt es ca. 6.000 Wasserversor
gungsunternehmen. Halten Sie das Konzept der
Reststoffenunie auch für Deutschland denkbar?
Das deutsche Jahresangebot beläuft sich laut
Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2012
(DVGW-TechnologiezentrumWasser, Karls-
ruhe) auf etwa 211.000 Tonnen Trockenmas-
se pro Jahr. Das wäre fast das Vierfache der
niederländischen Wasserwerksrückstände.
Während es in den Niederlanden etwa 200
Wasserwerke und 10 Wasserversorgungsun-
ternehmen gibt, sind es in Deutschland laut
Angaben des Statistischen Bundesamtes ca.
16.500 Anlagen der Wassergewinnung und
Wasserversorgung und 600 Mal so viele Was-
serversorgungsunternehmen wie in den Nie-
derlanden. Es gibt also eine Vielzahl kleine-
rer Wasserbetriebe mit keinem oder nur sehr
geringem Anfall von Rückständen. Um die
Frage beantworten zu können, ob das Kon-
zept der Reststoffenunie auch für Deutsch-
land denkbar wäre, müsste man zunächst
jene Gebiete identifizieren, in denen der
Schwerpunkt des Rückstandsanfalls bei der
Wasseraufbereitung liegt. Wenn wir die ein-
zelnen Bundesländer betrachten, deren Flä-
che und Einwohnerzahl, könnte es in
Deutschland etwa vier oder fünf Entsor-
gungsregionen geben. Ferner müsste man in
diesen Gebieten potenzielle Verbraucher
bzw. Kunden ermitteln. Dabei sind die
Transportentfernungen zu beachten. In den
Niederlanden setzt die Reststoffenunie einen
Großteil der Rückstände als Nebenprodukte
in einem Umkreis von durchschnittlich 100
Kilometer ab. Viel längere Transportstrecken
per Lkw kämen aufgrund der hohen Trans-
portkosten im Verhältnis zum Preis der Ware
nicht infrage. Für größere Entfernungen sind
Schiffstransporte eine Alternative.
Eine weitere Stimulanz für das Vorantreiben
der Verwertung ist die Untermauerung des
Nebenproduktstatus, wobei die größeren Pro-
duzenten sich gemeinsam bemühenmüssten,
eine Registrierung nach REACH durchzuset-
zen. Zudem sind regelmäßige Qualitätskon-
trollen erforderlich. Nicht zuletzt muss auch
der Wille zur Zusammenarbeit da sein und
die einzelnen Wasserversorgungsunterneh-
men sollten der Entsorgungsgesellschaft weit-
gehende Befugnisse zugestehen, um die Ne-
benprodukte zu vermarkten. Die Reststoffen-
unie wäre sehr an einer Zusammenarbeit
interessiert.
W
aus der Abwasserreinigung. Dies ist freilich
eine große und ehrgeizige Herausforderung.
Wie jeder weiß, sind die Rückstände aus der
Abwasserreinigung sowohl mengenmäßig als
auch qualitativ nicht vergleichbar mit denen
aus der Trinkwasserversorgung. Auch im Ab-
wasserbereich ist eine Entwicklung dahinge-
hend in Gang gekommen, Abwasser als Quel-
le für knappe und wertvolle Rohstoffe zu be-
trachten. So enthält Abwasser verschiedene
mineralische Rohstoffe wie Phosphat, aber
auch Rohstoffe für die Herstellung von Bio-
kunststoffen. Diese werden derzeit jedoch
noch nicht zurückgewonnen, sondern mit
dem geklärten Abwasser abgeleitet. Die Ab-
wasserverbände sind bestrebt, die Abwasser-
wirtschaft zu vernachhaltigen und so auch
Kosteneinsparungen zu realisieren. Anfang
2012 haben die 25 niederländischen Abwas-
serverbände sich zur „Grondstoffenfabriek“
(Rohstofffabrik) zusammengeschlossen.
Im Juni 2014 haben die Teilhaber der Reststof-
fenunie den Unternehmensplan für die kom-
menden vier Jahre beschlossen. Darin bestä-
tigen sie den Kurs, die Aktivitäten der Rest-
stoffenunie auf die anderen Spieler in der
Wasserwirtschaft, die Abwasserverbände,
auszuweiten. Gerade erfolgte die Zusage des
Amsterdamer Wasser- und Abwasserunterneh-
mens „Waternet“, dass die Reststoffenunie mit
der Vermarktung seines Rückstands „Struvit“
(Magnesiumammoniumphosphat aus der Ab-
wasserreinigung) betraut wird.
•
Die Entsorgungskosten für Rückstände, bestehend aus der Gewinnung
der Rückstände auf den Betriebsgeländen der Wasserwerke, Transport
& Logistik sowie Qualitätskontrolle, sind in einem Zeitraum von sechs
Jahren real um 40 Prozent gesunken.
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Insgesamt werden 95 Prozent der erhaltenen Rückstände recycelt,
wodurch die Reststoffenunie jährlich für eine Einsparung von 170.000
Tonnen an Primärrohstoffen sorgt.
•
Eisen(hydr)oxid und Calciumkarbonat werden nunmehr mit entspre-
chender Registrierung nach der Europäischen REACH-Verordnung als
Nebenprodukte der Wasseraufbereitung qualifiziert.
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Die Anzahl der Transportkilometer wurde in den letzten fünf Jahren um
30 Prozent gesenkt.
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Während die Reststoffenunie ihren Teilhabern 2010 im Schnitt noch ca.
1,05 Euro pro Tonne gelieferter Rückstände auszahlte, ist der durch-
schnittliche Erstattungsbetrag aus dem Verkaufserlös bis 2013 auf fast
6,00 Euro pro Tonne gestiegen.
Zahlen und Fakten:
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