Elektro Praktiker - Sonderheft Blitz- und Überspannungsschutz - page 75

– Sonderheft
75
LESERANFRAGEN
Blitzschutz für ein
Gebäude mit einem
begehbaren Dach
?
Für das begehbare Dach einer in
Hanglage errichteteten ehemali-
gen Pumpstation (13 m Durchmesser,
10 m Höhe) ist ein äußerer Blitzschutz
gemäß Blitzschutzklasse III vorgese-
hen. Dafür sollen drei Ableitungen im
Inneren des Gebäudes verlegt werden.
Das Dach schließt höhenmäßig mit
dem umgebenden Gelände ab und
ist durch ein 1,30 m hohes Geländer
umfasst. Es soll durch Personen
(Touristen) begangen werden können.
Darüber hinaus ist geplant, neben
dem Edelstahl-Geländer in Richtung
Dachmitte Einbauleuchten zu instal-
lieren.
1. Lässt sich das umfassende Geländer
als Fangeinrichtung für das Gebäu-
de nutzen?
2. Da eine Errichtung von Fangstangen
möglichst vermieden werden soll,
ist das Anbringen eines Verbots-
schilds vorgesehen, auf dem zu
lesen ist, dass die Plattform bei Ge-
witter nicht betreten werden darf.
Ist ein solches Vorgehen zulässig?
!
Ausgehend von den in den Blitzschutz-
normen DIN EN 62305-3 (VDE 0185-
305-3) [1] enthaltenen Anforderungen
sind die Fragen wie folgt zu beantworten:
Geländer als Fangeinrichtung:
Gemäß
Abschnitt 5.1.3 von [1] ist die Nutzung von
natürlichen Bauteilen für Zwecke des Blitz-
schutzes zugelassen. Erfüllt das umlaufen-
de Geländer die grundsätzliche Schutz-
funktion als Fangeinrichtung für die gefor-
derte Schutzklasse für das Gebäude
(nachprüfbar mit Schutzwinkel-, Blitzkugel-
oder Maschenverfahren), so steht der
Anwendung nichts entgegen, wenn auch
die Blitzstromtragfähigkeit erfüllt ist (siehe
hierzu Abschnitt 5.2.5 von [1], z.B. Mindest-
dicken nach Tabelle 3).
Anbringen eines Verbotsschilds:
Bei
dieser Frage geht es um Personen, denen
das Betreten des Gebäudedachs als „Aus-
sichts-Plattform“ ermöglicht werden soll.
Hier sind grundsätzliche Aspekte zu be-
handeln, die sowohl die Konstruktion des
Blitzschutzsystems als auch die subjektiven
Verhaltensweisen von Personen betreffen.
Fakt ist, dass der im Rahmen der ersten
Frage behandelte Blitzschutz die Personen
nur dann schützen kann, wenn sie sich im
Gebäude aufhalten.
Ist ein äußeres Blitzschutzsystem (nicht nur
das unter Frage 1 genannte Geländer) auf
der Plattform des betreffenden Gebäudes
vorhanden, so sind nach [1], Abschnitt 8,
dennoch Gefährdungen und somit Verlet-
zungen von Personen möglich. Außerdem
werden Schutzmaßnahmen gegen die Ge-
fährdung durch Berührungs- oder Schritt-
spannungen dargelegt. Hier wird einge-
räumt, dass Absperrungen und/oder
Warnhinweise zulässig sind, wenn alle an-
deren Schutzmaßnahmen nicht erfüllt
sind. Die Wirksamkeit dieser Warnhinweise
wird im Abschnitt 8 von [1] jedoch nur als
„…Verringerung der Wahrscheinlichkeit
einer Berührung bzw. Vermeidung des
Betretens des durch Schrittspannung ge-
fährlichen Bereichs …“
(und damit nur als
Einschränkung einer biologischen Verlet-
zung von Personen; d. Verf.) eingestuft.
Einen wirklichen Schutz kann ein solches
Hinweis- oder Verbotsschild nicht bieten,
weil es immer der subjektiven Verhaltens-
weise von Personen unterworfen ist.
Selbst bei Errichtung eines Fangkäfigs
(Fangstangen, Fangmaschennetz) auf dem
als Aussichtsplattform vorgesehenen Dach
der stillgelegten Pumpstation gemäß der
Blitzschutznorm [1] ist der Personenschutz
nur bedingt gegeben. Dies erklärt sich aus
den folgenden Überlegungen:
a) Selbst bei Vorhandensein eines solchen
Fangkäfigs besteht für Personen eine
Gefährdung durch ein zufälliges Berüh-
ren von Bauteilen des Blitzschutzsys-
tems oder dadurch, dass die Personen
nicht den erforderlichen (Trennungs-)
Abstand zu Fang- und Ableitungsein-
richtungen auf der Plattform einhalten,
den sie als Touristen nicht kennen
müssen. Auch die Annahme, dass die
meisten Menschen schon aus Angst vor
Gewitter das Anfassen von Teilen der
Blitzschutzanlage vermeiden würden,
trägt zum Personenschutz nicht bei.
b) Es besteht ebenso Lebensgefahr durch
das Abgreifen unverträglicher Schritt-
spannung, die sich auf der Dachhaut
oder in der Dachdecke der Plattform
aufbauen kann. In der Regel wissen
Touristen (elektrotechnische Laien) nicht,
dass sie in diesem Fall nur mit geschlos-
sener Fuß-Stellung eine Chance auf
biologische Unversehrtheit haben.
Es ist deshalb äußerst zweifelhaft, ob das
Errichten eines äußeren Blitzschutzes auf
der Plattform des betreffenden Gebäudes,
der nach Abschnitt E.5.2.4.2.1 von DIN EN
62305-3 Beiblatt 1 [2] hergestellt werden
müsste, tatsächlich ein sinnvolles Vorhaben
darstellt. Nicht umsonst wird in [1] auf die
Handhabung mit Warnhinweis hingewie-
sen. In der Praxis gibt es Beispiele von Aus-
sichts- und/oder Fernsehtürmen, bei denen
der Betreiber oder Eigentümer durch ein
Verbotsschild („Das Betreten der Anlage
bei Gewitter ist verboten!“) das Betreten
untersagt.
Empfehlung.
Anstelle der derzeit geplan-
ten Ausführung sollte lieber ein von der
Plattform/ dem Gebäude abgesetztes
„getrenntes Blitzschutzsystem“ vorgese-
hen werden, mit dem sich dann auch das
Geländer in den Schutzbereich einstellen
lässt. Bei der Umsetzung einer solchen
Lösung besteht die angesprochene Perso-
nengefährdung nicht. Somit kann auch
auf das Anbringen von Hinweisschildern
verzichtet werden und zudem muss das
Geländer auch nicht die in [1] enthaltenen
Anforderungen an natürliche Fangeinrich-
tungen erfüllen.
Literatur
[1] DIN EN 62305-3 (VDE0185-305-3):2011-10
Blitzschutz – Teil 3: Schutz von baulichen
Anlagen und Personen.
[2] DIN EN 62305-3 Beiblatt 1 (VDE0185-3 Bei-
blatt 1): 2012-10 Blitzschutz – Teil 3: Schutz
von baulichen Anlagen und Personen –
Beiblatt 1: Zusätzliche Informationen zur
Anwendung der DIN EN 62305-3 (VDE 0185-
305-3).
W. Weigt
Überspannungsschutz
hinter einer FI-Schutz-
einrichtung
?
In einem TT-System ist gemäß
der DIN VDE 0100-410 [1] für die
Zuleitung zu Unterverteilern eine
Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)
erforderlich. Jedoch ist das Errichten
von Überspannungs-Schutzeinrich-
tungen hinter einer RCD laut DIN
VDE 0100-534 [2] nicht zulässig.
Wie lässt sich in einem Unterverteiler
ein Überspannungsschutz (Typ 2)
realisieren?
!
Normative Forderungen.
Ihr Ein-
wand hinsichtlich der Errichtung von
Überspannungs-Schutzeinrichtungen
(Typ 2) hinter einer gemäß DIN VDE 0100-
1...,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74 76,77,78,79,80,81,82,83,84
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