– Sonderheft
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BLITZ- UND ÜBERSPANNUNGS-SCHUTZGERÄTE
in Kenntnis zu setzen, die nötige Zeit für
das Zurückziehen in den jeweiligen Län-
dern zu gewähren und eine rechtzeitige
offizielle Reaktion von CENELEC sicher-
zustellen.
Leider gibt es in Europa einige entgegen-
stehende Normen in Bezug auf unkon-
ventionelle Blitzschutzeinrichtungen mit
sogenannten ESE-Fangstangen (ESE =
Early Streamer Emission).
Jedoch hat sich die geforderte Funktion
der ESE-Fangstangen und die angenom-
mene Effizienzsteigerung als Funktion
des sogenannten Zeitvorteils im Vergleich
zu normalen Fangstangen nach dieser
Hypothese als nicht gegeben erwiesen.
Dies wurde nachgewiesen durch:
]
praktische Untersuchungen von Blitz-
einschlägen in Gebäude
]
Versuchsaufbauten verschiedener
Fangstangen, die gleichzeitig natür-
lichen Blitzen ausgesetzt sind
]
theoretische Ermittlungen und
]
nummerische Simulationen der physi-
kalischen Prozesse.
Daher müssen diese Normen aus Sicher-
heitsgründen zurückgezogen werden.“
In Deutschland ist dieses nicht notwendig,
weil nur die Normen [10] bis [13] gelten.
5 Bemühungen auf dem
Gebiet der Forschung
Natürlich müssen weitere Forschungsvor-
haben auf dem Gebiet des Blitzschutzes
durchführt werden und neue Alternativen
wie Lasertriggerung, Triggerungsraketen,
Mikrowellen, Wasserkanonen und von
Schutzmaßnahmen auf chemischer Basis
sowie weitere heute noch unbekannte
Arten untersucht werden.
Untersuchungen bei den ESE-Fangstan-
gen von unabhängigen Institutionen
(nicht die eigenen von Herstellern) erga-
ben, bis jetzt erreichen die Emissions-
ströme nur etwa 10 μA. Für Laien, die
manchmal Entscheidungen über Blitz-
schutzsysteme treffen, sollte deutlich
gesagt werden, dass die ESE-Fangstange
durch diese Emissionsströme nur 1 oder
2 Zentimeter länger ist. Das bedeutet, der
Schutzbereich der ESE-Fangstangen wird
eigentlich nur um diese Länge durch die
Emissionsströme vergrößert. Dadurch,
dass die ESE-Fangstangen auf einem Mast
installiert sind, vergrößert sich allerdings
die Wahrscheinlichkeit entsprechend, dass
die ESE-Fangstangen getroffen werden.
6 Runder Tisch zur
ESE-Fangeinrichtung
Im Oktober 2009 trafen sich in Neu-Ulm
am Vorabend der 8. VDE/ABB-Blitz-
schutztagung Vertreter der Universitäten
und des Verbandes Deutscher Blitzschutz-
firmen, Hersteller von Blitzschutzbauma-
terial und Sachverständige zu einem Rund-
Tischgespräch, um zu den ESE-Fangein-
richtungen Stellung zu nehmen. Der
ebenfalls eingeladene Lieferant der ESE-
Fangeinrichtung sagte seine Teilnahme
kurzfristig ab. Schwerpunkt der Stellung-
nahme war, ob mit der ESE-Fangeinrich-
tung die EN- und VDE-Normen eingehal-
ten werden und ob die Blitzschutzmaß-
nahmen dann den allgemein anerkannten
Regeln der Technik entsprechen
1)
. Das Er-
gebnis der Sitzung am runden Tisch über
die ESE-Fangeinrichtung war:
]
Ein Blitzschutzsystem ist ein System
und nicht nur ein Teil der Fangeinrich-
tung mit einer Ableitung, wie dieses
bei der ESE-Fangeinrichtung der Fall ist.
]
Der Schutzbereich der ESE-Fangeinrich-
tung ist nicht größer als der anderer
Fangeinrichtungen. Er kann mit dem
anderer Fangeinrichtungen, die nach
gültigen Normen hergestellt wurden,
verglichen werden.
]
Es wurde abgeraten, die ESE-Fangein-
richtungen mit dem angeblichen höhe-
ren Schutzbereich dort zu installieren,
wo sich Personen aufhalten.
]
Zum Schwerpunkt, ob die ESE-Fangein-
richtung den allgemein anerkannten
Regeln der Technik entspricht, wurde
von allen Teilnehmern ausgesagt, dass
die Anlage nicht den allgemein aner-
kannten Regeln der Technik entspricht.
7 ESE-Fangeinrichtungen:
Vergleich mit Normen
Ein Blitzschutzsystem ist ein vollständiges
System, das zur Verringerung physikali-
scher Schäden einer baulichen Anlage
durch direkte Blitzeinschläge installiert
wird [10] bis [13]. Es besteht sowohl aus
dem äußeren als auch dem inneren Blitz-
schutz. Der innere Blitzschutz
2)
wird durch
die ESE-Fangeinrichtung hingegen nicht
berücksichtigt. Diese kann somit einen
Schaden innerhalb der baulichen Anlage
nicht verhindern. In folgenden Punkten
weichen ESE-Fangeinrichtungen von den
Forderungen in den Normen ab:
1.
Der Schutzbereich der ESE-Fangeinrich-
tung entspricht nicht den angegebenen
Herstellerwerten. Dieses ergaben Unter-
suchungen verschiedener unabhängiger
Institutionen.
2.
Nur eine Ableitung – dieses ist bei der
ESE-Fangeinrichtung der Fall – steht im
Widerspruch zur Norm DIN EN 62305-3 [12],
Abschnitt E.5.3.1.:
„Bei der Auswahl von Anzahl und Lage der
Ableitungen sollte berücksichtigt werden,
dass, wenn der Blitzstrom auf mehrere Ablei-
tungen aufgeteilt wird, dies die Gefahr von
Seiteneinschlägen und elektromagnetischen
Störungen innerhalb der baulichen Anlage
verringert. Daraus folgt, dass die Ableitungen
möglichst gleichmäßig und symmetrisch um
den Umfang der baulichen Anlage herum
verteilt werden sollten.“
Mit einer Ableitung – der ESE-Fangeinrich-
tung – ist der Effekt eines Faradaykäfigs
jedoch nicht erreichbar.
3.
Diese einzige Ableitung verursacht im
Gegenteil im näheren Bereich der Ableitung
starke magnetische Felder. Durch Kopplun-
gen können Schäden innerhalb der bau-
lichen Anlage verursacht werden. Wenn die
Räumlichkeiten der baulichen Anlagen, die
Stahlbetonwände oder Stahlkonstruktionen
enthalten, geschirmt werden sollen oder
müssen, dann sind die Stahlkonstruktionen
direkt als natürliche Bestandteile des
Blitzschutzsystems zu nutzen.
4.
Wie groß der Trennungsabstand
3)
ist –
in Prospekten von Herstellern auch oft mit
Sicherheitsabstand verwechselt –, wird nicht
angegeben. Damit kann eine fachgerechte
Installation nicht beurteilt werden.
5.
Durch die Erdung mit einem Tiefenerder
und den Anschluss der ESE-Fangeinrichtung
mit Moniereisen wird keine fachgerechte
Verbindung zum vorhandenen Schutzpoten-
tialausgleich (alt: Hauptpotentialausgleich)
oder auch zum Blitzschutz-Potentialausgleich
erreicht. Sind die Kabeleintritte in die bau-
1) In Deutschland müssen die Installationen
mindestens nach den allgemein anerkannten
Regeln der Technik durchgeführt werden, was
den EN- und VDE-Normen entspricht. Wenn
eine Einrichtung nicht nach den allgemein
anerkannten Regeln der Technik installiert ist,
muss durch Nachweis bestätigt werden, dass
die Einrichtung mindestens den aktuellen
Normen entspricht oder sogar noch besser ist.
2) Der
innere BlItzschutz
besteht aus der Er-
dung, dem Blitzschutz-Potentialausgleich, dem
Potentialausgleich-Netzwerk, den Schirmungs-
und Überspannungs-Schutzmaßnahmen.
3) Der
Trennungsabstand
ist der Abstand
zwischen zwei leitenden Teilen, bei dem keine
gefährliche Funkenbildung eintreten kann.