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– Sonderheft
BLITZ- UND ÜBERSPANNUNGS-SCHUTZGERÄTE
liche Anlage weit von der Erdung der ESE-
Fangeinrichtung entfernt, so entstehen
große Spannungsgefälle. Mit diesem einzi-
gen Tiefenerder entsteht in der Nähe der
baulichen Anlage auch die Gefahr von
Schritt- und Berührungsspannungen. Damit
ist der Personenschutz nicht gewährleistet,
sondern – im Gegenteil – gefährdet.
6.
Wenn EMV-, Blitz- und Überspannungs-
Schutzmaßnahmen für eine bauliche Anlage
geplant sind, müssen nicht nur die Blitz-
schutznormen, sondern auch die anderen
Normen für die bauliche Anlage eingehalten
werden. Das Ziel der EN-Normen – z.B. [14],
Abschnitt 3.1.2 ist ein Potentialausgleichs-
Netzwerk mit „...allen miteinander verbun-
denen leitfähigen Konstruktionen, die einen
elektromagnetischen Schirm für elektroni-
sche Systeme und Personal im Frequenz-
bereich von Gleichstrom bis zum unteren
Hochfrequenzbereich bilden“.
Anmerkung zu diesem Abschnitt: „Der Aus-
druck ,elektromagnetischer Schirm‘ bezeich-
net eine beliebige Anordnung zum Ableiten,
Abblocken oder Dämpfen elektromagneti-
scher Energie.“
7.
Das bedeutet, unabhängig vom Blitz-
schutzsystem muss ein Potentialausgleichs-
Netzwerk (BN) geplant und ausgeführt wer-
den, weil die elektronischen Systeme
und
das Personal geschützt werden müssen!
Das Potentialausgleich-Netzwerk ist z.B. in
der Stahlbetonwand mit einer Verbindung
zu den Moniereisen durchgeführt. Damit
werden auch die Gebäude- und Raum-
schirmungsmaßnahmen erreicht, die ein
Teil des Blitzschutzsystems sind [12][13].
Warum dann nicht direkt die Bänder, die bis
zur letzten Etage der baulichen Anlage für
das Potentialausgleichs-Netzwerk installiert
sind bzw. andere Stahlkonstruktionen [14]
auch für die Ableitungen der durch Blitz-
schlag gefährdeten Stellen benutzen? Den
hierfür notwendigen Aufwand in den Stahl-
betonwänden kann man preislich in Ange-
boten nicht vergleichen, obwohl dieses im
eingangs beschriebenen Angebot eines
Lieferanten ausgesagt wird. Der Grund hier-
für ist, das Potentialausgleichs-Netzwerk
muss immer ausgeführt werden – außer in
baulichen Anlagen ohne elektronische Ein-
richtungen, wo ein einfacher Schutzpoten-
tialausgleich ausreichend ist. In dem Fall
erfolgt bei einem Blitzschlag auch die Blitz-
aufteilung in mehrere Pfade, was in den
gültigen Normen [10] bis [13] vorgeschrie-
ben ist.
8.
Bei der ESE-Fangeinrichtung wird die
gesamte Blitzenergie nur über ein einziges
Erdungskabel (Ableitung) zur „Erdungsan-
lage“ geführt.
Die ESE-Fangeinrichtung steht auch im
Widerspruch zu der Norm DIN EN 62305-3
(VDE 0185-305-3) [12], Abschnitt 5.2.2:
„Die Fangeinrichtungen müssen an einer
baulichen Anlage an Ecken, frei liegenden
Stellen und Kanten (vor allem am oberen
Teil der Fassaden) nach einem oder mehre-
ren der folgenden Verfahren angebracht
werden. Zulässige Verfahren für die Fest-
legung der Lage der Fangeinrichtung sind:
– das Schutzwinkelverfahren
– das Blitzkugelverfahren und
– das Maschenverfahren.
Das Blitzkugelverfahren ist für alle Fälle
geeignet.“
Wie aber verschiedene in der Literatur ver-
öffentlichte Bilder beweisen, ist die ESE-
Fangeinrichtung nicht an den gefährdeten
Stellen installiert. Diese Stellen wurden auch
beschädigt.
9.
Die ESE-Fangeinrichtung beinhaltet keine
Potentialausgleichs-, Schirmungs- und Über-
spannungs-Schutzmaßnahmen nach [10]
bis [13] und ist nicht mit dem Blitzschutzsys-
tem nach [10][11][12] vergleichbar.
10.
Den angeblichen Vorteil, die ESE-Fang-
einrichtung koste nur 1/8 Teil einer Blitz-
schutzanlage, kann nicht geltend gemacht
werden, weil die Anlagen vom Umfang der
Ausführungen her nicht vergleichbar sind.
8 Fazit
In entfernter Zukunft wird evtl. eine
Fangeinrichtung herstellbar sein, die ohne
großen Aufwand die Gewitterwolken
außerhalb der baulichen Anlagen entlädt.
Damit wäre ein inneres Blitzschutzsystem
nicht mehr notwendig, ein Überspan-
nungsschutz ist jedoch auch dann vor-
zusehen. Aber so weit ist die Technik
noch nicht. Deshalb müssen bei baulichen
Anlagen
]
die Blitzenergie zur Erde abgeleitet,
]
Personen an der Stelle der Ableitung
vor Schritt- und Berührungsspannun-
gen geschützt,
]
Einrichtungen gegen elektromagne-
tische Felder geschirmt und
]
eingekoppelte Energien in den Leitun-
gen mittels Blitz- und Überspannungs-
ableitern abgeleitet werden.
Diese Eigenschaft besitzt die ESE-Fangen-
richtung nicht. Zuletzt müssen mittels
Potentialausgleichs-Netzwerk die Poten-
tialunterschiede zwischen allen leitfähi-
gen Einrichtungen ausgeglichen werden.
Der Schwerpunkt ist jedoch der von den
Lieferanten angegebene Schutzbereich
der ESE-Fangeinrichtung. Alle Unter-
suchungen in
]
den Hochspannungslaboren,
]
der Natur und auch
]
ausgewertete Schäden an baulichen
Anlagen
beweisen das Gegenteil der durch die
Hersteller angegebenen Schutzbereiche
der ESE-Fangeinrichtungen.
Das bedeutet: Die ESE-Fangeinrichtungen
entsprechen nicht den EN- und VDE-
Normen und damit auch nicht den allge-
mein anerkannten Regeln der Technik.
Literatur
[1]
Noack, F.; Schönau, J.; Barth, A.:
Untersu-
chungen zur Wirkung von ionisierenden
Fangeinrichtungen. VDE-Fachbericht 58,
S. 169–179. 4. VDE/ABB-Blitzschutztagung.
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[2]
Noack, F.:
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bach (2002)3-4., S. 2 ff.
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schutzverhalten von „Early Streamer Emis-
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Hartono, Z. A.; Mieee a. Robiah, I.:
Journal
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September 2002.
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Noack, F.; Hasse, R.:
Blitzentladungen gezielt
auslösen und einfangen – Utopie oder Wirk-
lichkeit? ETZ, Offenbach (2003)3-4, S.16–20.
[10] DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1):2011-10
Blitzschutz – Teil 1: Allgemeine Grundsätze.
[11] DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2):2013-02
Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management.
[12] DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2011-10
Blitzschutz – Teil 3: Schutz von baulichen
Anlagen und Personen.
[13] DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4):2011-10
Blitzschutz – Teil 4: Elektrische und elektro-
nische Systeme in baulichen Anlagen.
[14] DIN EN 50310 (VDE 0800 Teil 2-310):2011-
05 Anwendung von Maßnahmen für Poten-
tialausgleich und Erdung in Gebäuden mit
Einrichtungen der Informationstechnik
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