Elektro Praktiker - Sonderheft Blitz- und Überspannungsschutz - page 71

– Sonderheft
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BLITZ- UND ÜBERSPANNUNGS-SCHUTZGERÄTE
V. Kopecky
, Aachen
In letzter Zeit werden die Betreiber
baulicher Anlagen, aber auch die
Blitzschutzfirmen über ein neues
äußeres Blitzschutzsystem (fachge-
recht nur „Teil der Fangeinrichtung
und Ableitung“) informiert, das auf
dem Prinzip der ESE-Fangeinrichtung
beruht. Diese hat laut Herstellerin-
formation einen deutlich größeren
Fangbereich und einen wesentlich
niedrigeren Preis. Wie weit diese
Angaben wirklich zutreffen, vermit-
teln die folgenden Ausführungen.
1 Sichere und preiswerte
Blitzschutzsysteme
Die Maßnahmen zur Einhaltung der Vor-
schriften des EMV-Gesetzes in Verbin-
dung mit dem Blitz- und Überspannungs-
schutz sind Gebiete, auf denen zurzeit ein
hoher Informationsbedarf seitens Planern
und ausführender Firmen besteht. Das
Thema EMV hat gerade in der letzten Zeit
immens an Bedeutung gewonnen. Auslö-
ser hierfür sind die aktuelle Normenlage
und die großen Schäden, die durch Nicht-
beachten eines wirkungsvollen Schutzes
elektrischer und elektronischer Betriebs-
mittel entstehen. Aber Blitzschutzsysteme
schützen nicht nur diese Einrichtungen in
der baulichen Anlage, sondern auch die
bauliche Anlage selbst sowie Personen in
und neben der baulichen Anlage.
Die durch Überspannungsschäden ver-
ursachten Kosten an Bauelementen und
baulichen Anlagen werden überwiegend
von den Versicherungsgesellschaften
übernommen. Folgekosten durch Perso-
nenschäden werden jedoch zumeist nicht
übernommen. Somit ist für diese der
Anlagenbetreiber der baulichen Anlage
verantwortlich. Aus diesem Grunde ist er
an möglichst sicheren und natürlich auch
kostengünstigen Blitzschutzsystemen
interessiert. Mit der ESE-Fangeinrichtung
wird eine entsprechende Blitzschutzein-
richtung angeboten.
Beispiel.
In einem konkreten Fall liegt
dem Betreiber der baulichen Anlage ein
Angebot für den äußeren Blitzschutz vor:
]
1 Stck. Dynasphere Fangeinrichtung
]
zugehörige Kabel
]
Mast mit einer Höhe von 12 m
]
Erdungsanschluss eines Tiefenerders mit
Verbindung an die Gebäudearmierung
und Potentialausgleichsschiene.
Information des Herstellers.
Die Dyna-
sphere-Fangeinrichtung schützt die bau-
liche Anlage mit allen Dachaufbauten und
allen benachbarten baulichen Anlagen
in der Umgebung der „geschützten“
baulichen Anlage.
Weiterhin bestehen folgende Vorteile:
]
Die Dachfläche ist gegen Blitzeinschläge
geschützt.
]
Es besteht keine Beeinflussung durch
Aufbauten, die bei einer normalen
Installation nach DIN-Normen zu beach-
ten gewesen wären.
]
Der Schutzgrad beträgt 94%. Dieser
wäre mit einer konventionellen Blitz-
schutzinstallation nur mit sehr großem
Aufwand realisierbar gewesen.
]
Als Hauptargument werden die Kosten
erwähnt: 1/8 der Kosten einer Installa-
tion nach dem Blitzkugelverfahren.
Ausgehend von diesem konkreten Fall
und auch anderen bekannten Fällen
werden nachfolgend die Vor- und
Nachteile dieses Systems mit anderen
Blitzschutzmaßnahmen verglichen.
2 Untersuchungen im
Hochspannungslabor
Die Wirksamkeit von ESE-Fangeinrichtun-
gen im Vergleich mit herkömmlichen Ein-
richtungen erfolgte in mehreren Hoch-
spannungslaboren. Prof.
Friedhelm Noack,
TU IImenau, verglich die Schutzwirkung
der ESE-Geräte Dynasphere 3000, Pulsar
60, Prevectron S6 mit den abgerundeten
Franklin-Fangstangen [1][2]. Die Untersu-
chungen und Messungen ergaben, dass
die Emissionsströme
i
TE
in sehr hohen Feld-
stärken bei den ESE-Fangstangen minimal
sind und nur etwa 10 μA erreichen (Bild
™
). Dies bedeutet, dass die Wirkungen
der Emissionsströme bedeutungslos sind.
An der University of Manchester [3] durch-
geführte Untersuchungen (Bild
š
) erga-
ben ebenfalls, dass ESE-Einrichtungen kei-
ne besseren Fangergebnisse als die Frank-
lin-Fangstangen erzielen. Laut Angaben
der ESE-Hersteiler dürften eigentlich nur
die ESE-Fangeinrichtungen und nicht die
Franklin-Fangstangen getroffen werden.
Auch Dr.
Mohammed Nidal Rayes,
Uni-
versität Damaskus, erzielte im Hochspan-
nungslabor gleiche Ergebnisse [4][5]. Bei
den Versuchen konnte keine verbesserte
Schutzwirkung der ESE-Fangeinrichtungen
festgestellt werden.
In einem Hochspannungslabor müssen
nicht immer die gleichen Verhältnisse wie
in der Natur erreicht werden. Acht Jahre
lang beobachteten die Forscher einer Ge-
wittermessstation die Blitzeinschläge in die
unterschiedlichen Fangeinrichtungen (Bild
›
). Einschläge in die installierten ESE-
Blitzschutzsysteme
mit ESE-Fangeinrichtungen
Autor
Vojtech Kopecky
ist öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger der
Handwerkskammer Aachen für EMV und
Blitzschutzsysteme.
ESE-Fangeinrichtung
Als ESE-Fangeinrichtung (Early Streamer
Emission Devices) werden solche Ein-
richtungen verstanden, welche durch
eine zusätzlich verstärkte Emission von
Ladungsträgern die Wirksamkeit der
Fangeinrichtung erhöhen. Das soll der
Vorteil gegenüber den klassischen Fang-
einrichtungen sein, weil man mit dieser
virtuellen Verlängerung der Fangstange
einen deutlich größeren Schutzbereich
erreichen soll.
Die Idee wurde schon im Jahr 1979 in
der französischen Norm NFC17-102 be-
schrieben. Der Schutzbereich der ESE-
Fangstangen wurde nach der Fangvolu-
men-Methode CVM (Collection Volume
Method) ab 1990 festgelegt.
Die ESE-Einrichtungen, die hauptsächlich
in den westlichen Ländern wie Frank-
reich, aber auch in den östlichen Ländern
wie Tschechien und Slowakei installiert
sind, will der Hersteller/Lieferant und
der Weiterverkäufer auch auf dem deut-
schen Markt durchsetzen. Die Hersteller
sind hauptsächlich in Frankreich, den
USA und Australien ansässig.
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