auszusetzen. Sowohl im Rahmen des Widerspruchs- als auch
des sozialgerichtlichen Verfahrens ko¨nnen die erla¨uterten Ein-
wendungen geltend gemacht werden.
V. Zusammenfassung
Eine Haftung der Entleiher fu¨r die infolge der Tarifunfa¨higkeit
der CGZP nachgeforderten Sozialversicherungsbeitra¨ge ist ab-
zulehnen. Die Vorschrift des § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV ist te-
leologisch zu reduzieren. Vor der CGZP-Entscheidung des
BAG in den Verleihunternehmen ergangene, bestandskra¨ftige
Pru¨fbescheide sowie schutzwu¨rdiges Vertrauen ko¨nnen einer
Beitragsnachforderung ebenfalls entgegen gesetzt werden. Die
selbststa¨ndige Verja¨hrung der Bu¨rgschaftsforderung zieht zum
31. 12. 2013 eine weitere Grenze.
Aufgrund der derzeit stark divergierenden Rechtsprechung ist
der Weg der Entleiher aus der Haftung zwar steinig, die bestehen-
de Rechtsunsicherheit bietet jedoch auch die Chance, mit u¨ber-
zeugenden Argumenten die Haftung im Einzelfall abzuwenden.
Entscheidungen
Arbeitsvertragsrecht/Sozialversicherung
Zweistufige Ausschlussfrist: Bestands-
schutzklage wahrt beide Stufen fu¨r davon
abha¨ngige Anspru¨che
I. Forderungsu¨bergang erfasst nicht von Kranken-
kasse abgefu¨hrte Sozialversicherungsbeitra¨ge
A¨ nderung der Rechtsprechung des BAG zur 2. Stufe
BGB §§ 295, 615; ArbGG § 45; SGB X § 115 Abs. 1; SGB V
§ 44 ff.; RTV fu¨r die AN der Industrie der Steine und Erden im
Land Hessen vom 27. 4. 2005 § 8
Bezieht ein Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum
Krankengeld, geht sein Vergu¨tungsanspruch i. H. des Netto-
krankengelds gem. § 115 Abs. 1 SGB X auf die Krankenkasse
u¨ber. Der Forderungsu¨bergang umfasst nicht die seitens der
Krankenkasse abgefu¨hrten Beitra¨ge zur Sozialversicherung.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 19. 9. 2012 – 5 AZR 924/11
u
DB0577181
Die Parteien streiten u¨ber Vergu¨tung wegen Annahmeverzugs.
Der 1971 geborene Kla¨ger ist seit 1992 bei der Beklagten in deren Be-
trieb in E als Produktionsmitarbeiter/Maschinenfu¨hrer bescha¨ftigt. Die
Beklagte hat ihren Hauptsitz in O in Hessen. Sie ist Mitglied im Ar-
beitgeberverband Steine und Erden Hessen und Thu¨ringen e. V. In
einem mit der IG BCE abgeschlossenen Haustarifvertrag ist vereinbart,
dass im Betrieb in E die jeweils gu¨ltigen tariflichen Bestimmungen der
Industrie der Steine und Erden im Land Hessen Anwendung finden.
Nach der Feststellung des LAG ist dieser Tarifvertrag auf das Arbeits-
verha¨ltnis der Parteien kraft Individualvereinbarung anwendbar.
§ 8 des Rahmentarifvertrags fu¨r die Arbeitnehmer der Industrie der
Steine und Erden im Land Hessen vom 27. 4. 2005 (RTV) sieht eine
zweistufige Ausschlussfrist vor.
Die Beklagte ku¨ndigte das Arbeitsverha¨ltnis zum 30. 6. 2009. Der Kla¨ger
erhob Ku¨ndigungsschutzklage. In der Zeit vom 1. 7. 2009 bis zum 30. 9.
2010 bescha¨ftigte die Beklagte den Kla¨ger im Rahmen eines Prozess-
bescha¨ftigungsverha¨ltnisses.Wa¨hrenddessenDauer vergu¨tete die Beklag-
te dem Kla¨ger lediglich die geleisteten Arbeitsstunden mit 13,99 € brutto
ohne Zuschla¨ge und tarifliche Sonderleistungen. Insges. bezog der Kla¨ger
in diesem Zeitraum von der Beklagten 30.603,85 € brutto. Die Beklagte
zahlte keine Entgeltfortzahlung fu¨r Feiertage und imKrankheitsfall sowie
keinUrlaubsentgelt.Wa¨hrend der Prozessbescha¨ftigung erhielt der Kla¨ger
außerdem Krankengeld i. H. von insges. 1.069,84 € netto.
Mit einer der Beklagten am 4. 2. 2010 im Rahmen des Ku¨ndigungs-
schutzprozesses zugestellten Klageerweiterung hat der Kla¨ger erstmals
Annahmeverzugsvergu¨tung fu¨r die Zeit von Juli bis Dezember 2009 be-
ansprucht. Hinsichtlich der Folgemonate bis September 2010 hat er
spa¨ter die Klage erweitert. Mit rechtskra¨ftigem Teilurteil vom 17. 8.
2010 – 1 Ca 2809/08 stellte das ArbG die Unwirksamkeit der Ku¨ndi-
gung vom 3. 12. 2008 fest.
Das ArbG hat der Klage durch Schlussurteil stattgegeben. Berufung
(LAG Hamm – 3 Sa 671/11) und Revision der Beklagten blieben er-
folglos.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 10
I
I.
Die Beklagte schuldet dem Kla¨ger fu¨r die Zeit vom
1. 7. bis zum 30. 11. 2009 Vergu¨tung wegen Annahmeverzugs
gem. §§ 615, 611 BGB. Nach einer unwirksamen Arbeitgeber-
ku¨ndigung bedarf es zur Begru¨ndung des Annahmeverzugs kei-
nes Angebots des Arbeitnehmers
1
. Soweit der Kla¨ger an der Ar-
beitsleistung verhindert war, stehen ihm gem. § 3 Abs. 1 EFZG
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und gem. § 2 Abs. 1
EFZG Feiertagsvergu¨tung zu . . . (wird ausgefu¨hrt).
Der Forderungsu¨bergang nach § 115 Abs. 1 SGB X erfasst nicht von
der Krankenkasse abgefu¨hrte Beitra¨ge zur Sozialversicherung
11 . . . 15
I
II. 1.
. . .
3.
Der Anspruch des Kla¨gers ist i. H. von
1.069,84 € netto wegen des bezogenen Krankengelds gem.
§ 115 Abs. 1 SGB X auf die Krankenkasse u¨bergegangen. Dieser
Forderungsu¨bergang umfasst nicht die seitens der Krankenkasse
abgefu¨hrten Beitra¨ge zur Sozialversicherung
2
. Die Krankenkasse
fu¨hrt die Sozialversicherungsbeitra¨ge aufgrund einer eigenen ge-
setzlichen Verpflichtung ab. Sie za¨hlen nicht zur Krankengeld-
leistung selbst (§§ 44 ff. SGB V) und sind deshalb keine Sozial-
leistung an den Arbeitnehmer i. S. des § 115 SGB X, sondern
eine zusa¨tzliche Aufwendung der Krankenkasse
3
. Ob und inwie-
weit die Krankenkasse gegen den Arbeitgeber einen Anspruch
auf Erstattung der Sozialversicherungsbeitra¨ge hat
4
ist im Streit-
fall unerheblich.
Eine Bestandschutzklage wahrt alle vom Ausgang dieses
Rechtsstreits abha¨ngigen Anspru¨che des Arbeitnehmers sowohl
hinsichtlich der ersten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist . . .
16 . . . 17
I
4.
. . .
III.
Die in der Revision noch streitigen Anspru¨-
che sind nicht gem. § 8 Abs. 3 RTV verfallen. Vielmehr ist diese
Tarifnorm verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass
mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (
Ku¨ ndigungsschutz-
1 St. Rspr., zuletzt BAG-Urteil vom 22. 2. 2012 – 5 AZR 249/11, Rdn. 14,
m. w. N., DB 2012 S. 1628 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36.
2 Vgl. BAG vom 4. 12. 2002 – 7 AZR 437/01, DB0044898 = AP BAT § 2 SR 2y
Nr. 24; zum Arbeitslosengeld vgl. BAG vom 24. 9. 2003 – 5 AZR 282/02, DB
2003 S. 2494 = AP BGB § 151 Nr. 3.
3
Gagel
, Anm. zu BAG vom 9. 4. 1981 – 6 AZR 787/78, DB 1981 S. 1678 = AP
KSchG 1969 § 11 Nr. 1.
4 Vgl. fu¨r Sozialleistungen im Bereich des SGB III § 335 Abs. 3 SGB III und
BSG vom 29. 1. 2008 – B 7/7a AL 58/06 R, Rdn. 20, DB0298220 = SozR
4-4300 § 128 Nr. 2.
878
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
1...,60,61,62,63,64,65,66,67,68,69 71,72,73,74,75,76,77,78,79,80,...104