RA Holger Faust / Rechtsreferendarin Meike-Christine Rehner, Berlin
Entleiherhaftung fu¨r Sozialversicherungsbeitra¨ge
nach dem Einsatz von CGZP-Tarifbescha¨ftigten
u
DB0585532
I. Einleitung
In zwei Entscheidungen vom 23. 5. 2012 hat das BAG klar-
gestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften
fu¨r Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nie tariffa¨-
hig war
1
. Weiter geht das BAG davon aus, dass den von der
CGZP geschlossenen Tarifvertra¨gen deshalb keine Wirkung zu-
kam
2
. Nach CGZP-Tarif bezahlte Leiharbeitnehmer wa¨ren
folglich im Hinblick auf § 10 Abs. 4 Satz 4 AU¨ G wie vergleich-
bare Stammarbeitnehmer des Entleihunternehmens zu bezahlen
gewesen („equal pay“).
Die deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) hat bereits
begonnen, von den tarifanwendenden Verleihunternehmen die
Sozialversicherungsbeitra¨ge nachzufordern, die auf den nach
dem „equal-pay“-Prinzip zu zahlenden Differenzlohn angefallen
wa¨ren. Grundsa¨tzlich ist der Verleiher als Arbeitgeber zur Zah-
lung der Sozialversicherungsbeitra¨ge verpflichtet. Jedoch haften
fu¨r die Erfu¨llung der Zahlungspflicht des Verleihers als Arbeit-
geber auch deren Kunden, die Entleihunternehmen. Insbeson-
dere bei Zahlungsunfa¨higkeit des jeweiligen Verleihers treffen
die Nachforderungen der DRVB damit in voller Ho¨he die Ent-
leiher. Im Folgenden werden die Voraussetzungen und Rechts-
folgen sowie mo¨gliche Auswege aus dieser Entleiherhaftung auf-
gezeigt.
II. Inanspruchnahme von Entleihunternehmen
1. Rechtsgrundlage der Haftung
Gem. § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist der Arbeitgeber der pri-
ma¨re Beitragsschuldner fu¨r den Gesamtsozialversicherungsbei-
trag. Bei der erlaubten Arbeitnehmeru¨berlassung wird damit
dem Umstand Rechnung getragen, dass allein zwischen Verlei-
her und Leiharbeitnehmer ein sozialversicherungspflichtiges Be-
scha¨ftigungsverha¨ltnis besteht. Durch die in § 28e Abs. 2 Satz 1
SGB IV normierte Bu¨rgenhaftung des Entleihers steht den So-
zialversicherungstra¨gern ein zweiter Beitragsschuldner zur Ver-
fu¨gung. Die grundsa¨tzlich vorgesehene Arbeitgeberhaftung wird
auf den Entleiher erweitert. Dieser haftet „
wie ein selbstschuldne-
rischer Bu¨ rge
“, § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV.
2. Voraussetzungen der Entleiherhaftung
a) Entgeltliche wirksame Arbeitnehmeru¨berlassung
Die Bu¨rgenhaftung des Entleihers greift ein, wenn eine entgelt-
liche, erlaubte Arbeitnehmeru¨berlassung vorgelegen hat. Verfu¨g-
te ein Verleihunternehmen nicht u¨ber die erforderliche Erlaub-
nis, ist der Entleiher nach §§ 9 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Satz 1
AU¨ G Arbeitgeber geworden und damit schon gem. § 28e
Abs. 1 SGB IV zahlungspflichtig. Dass Verleiher letztlich un-
wirksame bzw. nichtige Tarifvertra¨ge der CGZP angewendet
haben, kann die durchgefu¨hrte Arbeitnehmeru¨berlassung nicht
nachtra¨glich per se unerlaubt werden lassen. Eine einmal recht-
ma¨ßig erteilte Erlaubnis kann nur durch Widerruf der zusta¨ndi-
gen Bundesagentur fu¨r Arbeit mit Wirkung fu¨r die Zukunft wie-
der beseitigt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen
fu¨r einen solchen Widerruf vorliegen, § 5 AU¨ G.
b) Kein Leistungsverweigerungsrecht
Der Entleiher kann die Beitragshaftung bei fehlender Mahnung
gegenu¨ber dem Verleiher verweigern, § 28e Abs. 2 Satz 2
SGB IV. Eine Mahnung ist entbehrlich, wenn u¨ber das Ver-
mo¨gen des Verleihers das Insolvenzverfahren ero¨ffnet wurde
3
.
Die zusta¨ndige Einzugsstelle muss keine Zwangsvollstreckungs-
maßnahmen gegen den Verleiher unternehmen
4
. Zudem soll es
nicht darauf ankommen, ob der Verleiher zahlungsunfa¨hig oder
zahlungsunwillig ist
5
. Ein dauerhaftes Leistungsverweigerungs-
recht wird Entleihern insofern nicht zugute kommen.
3. Umfang der Haftung
Der Entleiher haftet unbegrenzt fu¨r sa¨mtliche Sozialversiche-
rungsbeitra¨ge, die sich aus der arbeitsvertraglichen Beziehung
zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer fu¨r die Zeit der U¨ ber-
lassung in einen Betrieb seines Unternehmens ergeben. Im Fall
von CGZP-Tarifbescha¨ftigten betrifft das insbes. die auf den
nach dem „equal-pay“-Prinzip geschuldeten Differenzlohn ent-
fallenden Sozialversicherungsbeitra¨ge. Die Haftung ist verschul-
densunabha¨ngig und umfasst gem. § 28e Abs. 4 SGB IV den
nicht abgefu¨hrten Gesamtsozialversicherungsbeitrag zzgl. even-
tuell anfallender Sa¨umniszuschla¨ge und Mahngebu¨hren. Die
Haftung soll auch dann eingreifen, wenn der Entleiher das ver-
einbarte U¨ berlassungsentgelt an den Verleiher gezahlt hat
6
.
III. Mo¨glichkeiten des Rechtsschutzes
1. Fremde Einwendungen
Der Entleiher haftet fu¨r Beitragsforderungen nach § 28e Abs. 2
Satz 1 SGB IV „
wie ein selbstschuldnerischer Bu¨ rge
“. Die zivil-
rechtlichen Vorschriften zur Bu¨rgschaft, §§ 765 ff. BGB, sind
bei der Entleiherhaftung entsprechend heranzuziehen
7
. Die
Bu¨rgenhaftung ist ihrem Wesen nach streng akzessorisch. Maß-
geblich fu¨r die Haftung des Entleihers als Bu¨rge ist daher gem.
§ 767 Abs. 1 BGB Bestand und Umfang der Hauptverbindlich-
keit, hier die Nachforderung von Sozialversicherungsbeitra¨gen
gegenu¨ber dem Verleiher. Der Entleiher kann gem. § 768
Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Verleiher als Hauptschuldner zuste-
henden Einreden geltend machen. Daher werden zuna¨chst
Haupteinwendungen der Verleiher dargestellt, die auch in An-
spruch genommenen Entleihern als Ausweg aus der Haftung
dienen ko¨nnten.
RA
Holger Faust
ist Associate bei Pusch Wahlig Legal in Berlin.
Meike-Christine Rehner
ist Rechtsreferendarin und wissenschaft-
liche Mitarbeiterin ebenda.
1 BAG vom 23. 5. 2012 – 1 AZB 58/11, DB0479360 = NZA 2012 S. 623, und
1 AZB 67/11, DB0479361 = NZA 2012 S. 625.
2 BAG PM Nr. 17/13 zu BAG vom 13. 3. 2013 – 5 AZR 954/11 u. a., DB0581586
3 BSG vom 7. 3. 2007 – B 12 KR 11/06 R, DB 2007 S. 1870 = juris, 1. LS.
4 LSG Baden-Wu¨rttemberg vom 14. 9. 2004 – L 11 KR 979/04, juris, Rdn. 20.
5
Vielmeier
, BB 2011 S. 3066.
6
Baier
, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 78.
Lfg. 2012, § 28e SGB IV Rdn. 15
7
Wehrhahn
, KassKommSozVersR, 75. Lfg. 2012, § 28e SGB IV, Rdn. 19.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013