wa im Hinblick auf die Verku¨ndung einer rechtskra¨ftigen Ent-
scheidung zu unterstellen
24
. Es du¨rften also oftmals auch Bei-
tragsforderungen das Jahr 2006 betreffend bereits verja¨hrt sein.
Betriebspru¨fungen i. S. des § 28p SGB IV, die von der DRVB
im Jahr 2011 weithin durchgefu¨hrt bzw. dort begonnen wurden,
fu¨hrten zur Hemmung der Verja¨hrung nach § 25 Abs. 2 Satz 2
SGB IV. Ein am Ende einer Betriebspru¨fung ergehender Bei-
tragsbescheid, mit dem durch die Pru¨fung als bestehend fest-
gestellte Nachforderungen geltend gemacht werden, lo¨st ebenfalls
die Hemmung der Verja¨hrung aus, § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV i. V.
mit § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Ha¨ufig werden deshalb Beitragsfor-
derungen ab dem Jahr 2007 im Raum stehen.
d) Erlass als weitere Option
Von Beitragsnachforderungen betroffene Verleiher ko¨nnen bei
der Einzugsstelle um den Erlass einer Nachforderung gem. § 76
Abs. 2 Nr. 3 SGB IV nachsuchen. Ein Erlass wu¨rde die Forde-
rung im vereinbarten Umfang entfallen lassen. Er kommt bei
perso¨nlicher oder sachlicher Unbilligkeit in Betracht. Ein Fall
perso¨nlicher Unbilligkeit ist z. B. die Existenzgefa¨hrdung
25
. Es
kommt hier auf die Umsta¨nde des Einzelfalls an. Eine dem Ge-
setzeszweck zuwiderlaufende Beitragsforderung kann einen
sachlichen Unbilligkeitsgrund darstellen
26
. Insofern mu¨sste argu-
mentiert werden, dass das Entstehungsprinzip aus § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB IV im CGZP-Fall nicht anwendbar ist, was aller-
dings wenig aussichtsreich erscheint.
2. Eigene Einwendungen
Im Folgenden werden nun Einwendungen und kritische Punkte
na¨her betrachtet, die sich aus der Rechtsstellung von Entleihern
als zur Haftung herangezogene Bu¨rgen ergeben ko¨nnen.
a) Ordnungsgema¨ßer Haftungsbescheid
Gem. § 33 Abs. 1 SGB X mu¨ssen alle Bescheide, die die Ein-
zugsstelle erla¨sst, hinreichend bestimmt sein. Ergeht gegenu¨ber
dem Arbeitgeber ein Beitragsbescheid, muss dieser grundsa¨tzlich
die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitrags-
ho¨he fu¨r bestimmte Personen in der Kranken-, Renten- und Ar-
beitslosenversicherung fu¨r eine bestimmte Zeit festlegen
27
. In
der Praxis greifen die Einzugsstellen bei CGZP-Sachverhalten
jedoch oftmals auf das Instrument der Scha¨tzung der Beitrags-
ho¨he gem. § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV zuru¨ck, weil die Vielzahl
der einzelnen U¨ berlassungsvorga¨nge, das jeweils nach dem
„equal-pay“-Prinzip zu ermittelnde Differenzentgelt des Leih-
arbeitnehmers und damit letztlich die nachgeforderten Sozialver-
sicherungsbeitra¨ge nur mit unverha¨ltnisma¨ßig hohem Aufwand
ermittelt werden ko¨nnen.
Der Entleiher wird als Bu¨rge mittels eines Haftungsbescheids
in Anspruch genommen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist
fu¨r einen ordnungsgema¨ßen Haftungsbescheid grundsa¨tzlich
nur das Bestehen einer Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber
und die Haftung des Bescheidadressaten fu¨r diese rechtsbegru¨n-
dend, wenn sich die Haftungsho¨he aus bei dem Arbeitgeber ge-
fu¨hrten Beitragsnachweisen ergibt
28
. In den CGZP-Sachverhal-
ten fehlt es jedoch an entsprechenden Beitragsnachweisen. Des-
halb muss die Beitragsforderung gegenu¨ber dem Verleiher, fu¨r
die der Entleiher nun haften soll, konkret genug angegeben sein.
Jeder Entleiher hat gem. § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV nur fu¨r
die Sozialversicherungsbeitra¨ge derjenigen Leiharbeitnehmer
einzustehen, die tatsa¨chlich bei ihm eingesetzt wurden und auch
nur fu¨r den Zeitraum der U¨ berlassung („Einstehensprinzip“).
Anforderung an die Bestimmtheit des Haftungsbescheids ist da-
her die konkrete Mitteilung, fu¨r welche Leiharbeitnehmer in
welchem U¨ berlassungszeitraum und auf Grundlage welcher Ent-
geltdifferenz Sozialversicherungsbeitra¨ge nacherhoben werden.
Vereinfachungslo¨sungen wie etwa eine gleichma¨ßige Aufteilung
der gesamten Beitragsnachforderung gegenu¨ber einem Verleiher
auf alle seine Kundenunternehmen oder eine Scha¨tzung verbie-
ten sich. Denn dagegen sprechen das Einstehensprinzip und das
Fehlen einer § 28f Abs. 2 SGB IV entsprechenden Rechts-
grundlage. Vor diesem Hintergrund ist betroffenen Entleihern
zu empfehlen, den Inhalt des Haftungsbescheids auf seine Be-
stimmtheit hin zu u¨berpru¨fen.
b) Verja¨hrung der Bu¨rgschaftsforderung
Unabha¨ngig von den dargestellten sozialversicherungsrechtlichen
Verja¨hrungsfristen unterliegen Haftungsanspru¨che gegen den
bu¨rgenden Entleiher selbststa¨ndig der Verja¨hrung nach den
§§ 195, 199 BGB
29
. Die Bu¨rgschaftsforderung verja¨hrt damit
nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres
zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gla¨ubiger
von den den Anspruch begru¨ndenden Umsta¨nden und der Person
des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ha¨tte erlangen mu¨ssen.
Bei der selbstschuldnerischen Bu¨rgschaft entsteht die Bu¨rg-
schaftsforderung mit der Fa¨lligkeit der Hauptschuld
30
. Haupt-
schuld sind die Beitragsforderungen der Sozialversicherungstra¨ger
gegenu¨ber dem jeweiligen Verleiher, die gem. § 23 Abs. 1 Satz 2
SGB IV spa¨testens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fa¨l-
lig werden. Angesichts des Umstands, dass die DRVB sich noch
im Dezember 2010 per Rundschreiben an Verleihunternehmen
gewendet hat, um „fristwahrend die Anspru¨che auf entgangene
Sozialversicherungsbeitra¨ge noch im Jahr 2010 geltend zu ma-
chen“, ist deutlich, dass die DRVB noch im Jahr 2010 von Nach-
forderungsanspru¨chen ausgegangen ist und solche somit abstrakt
kannte. Kenntnis von der gesetzlich angeordneten Bu¨rgenhaftung
der Entleiher fu¨r diese Forderungenmusste sie haben. Die dreija¨h-
rige Verja¨hrungsfrist du¨rfte damit mit demSchluss des Jahres 2010
angelaufen sein. Bu¨rgschaftsforderungen gegen Entleiher verja¨h-
ren daher am 31. 12. 2013. Selbst wenn die DRVB Anspru¨che
noch im Jahr 2010 wirksam gegenu¨ber den Verleihern geltend ge-
macht und diesbezu¨glich eine Hemmung der Verja¨hrung nach
§ 203 BGB eingetreten sein sollte, hemmt dies nicht die Verja¨h-
rung des Bu¨rgschaftsanspruchs
31
. Sollten es die Sozialversiche-
rungstra¨ger daher versa¨umen, die Beitragsnachforderungen noch
im Jahr 2013 gegenu¨ber Entleihern wirksam geltend zu machen,
verja¨hren Forderungen gegen Entleiher mit Ablauf dieses Jahres.
c) Teleologische Reduktion des § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV
Wenn eine Gesetzesnorm nach ihrem Wortlaut einen bestimm-
ten Sachverhalt erfasst, ihre Anwendung aber zu unerwu¨nschten
oder unbeabsichtigten Ergebnissen fu¨hrte, kann der Sachverhalt
vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden
32
.
Man spricht dann von einer teleologischen Reduktion, also einer
Einschra¨nkung der Normanwendung ihrem Sinn und Zweck
nach. Nach dem Wortlaut des § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV haf-
ten Entleiher fu¨r Beitragsnachforderungen in CGZP-Fa¨llen.
24 LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. 6. 2012, a.a.O. (Fn. 9), Rdn. 37; LSG Ber-
lin-Brandenburg vom 13. 11. 2012 – L 1 KR 350/12 B ER, juris, Rdn. 12.
25 LSG Berlin-Brandenburg vom 12. 11. 2008 – L 30 AL 18/07, juris.
26 LSG Berlin-Brandenburg vom 12. 11. 2008, a.a.O. (Fn. 25)
27 BSG vom 8. 12. 1999 – B 12 KR 18/99 R, BSGE 85 S. 200.
28 BSG vom 8. 12. 1999, a.a.O. (Fn. 27).
29
Sprau
, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 765 Rdn. 26;
Beckmann
, in: Dau-
ner-Lieb/Langen, BGB, 2. Aufl. 2012, § 765 Rdn. 74;
30 BGH vom 29. 1. 2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175 S. 161 = DB0287703 = DB
2008 S. 1969 (LS) = NJW 2008 S. 1729.
31 Vgl.
Ellenberger
, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 203 Rdn. 3.
32
Sprau
, a.a.O. (Fn. 29), vor § 1 Rdn. 49.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013