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KURS
9 / 2013
MARKT & MAKLER
wie sie hier vorliegt, begründet rechtlich eine
so genannte unechte Verflechtung.
Liegt zwischen Geschäftspartnern eine solche
Verflechtung vor, kommt es, wie der Bundesgerichts-
hof es bezeichnet, zu einem institutionalisierten Interessen-
konflikt. Der Makler steht im fatalen Wirkungsfeld zweier
weitgehend diametral entgegenstehender vertraglicher Ver-
pflichtungen: zum einen zur Versichererseite, zum anderen
zur Kunden- bzw.Auftraggeberseite.Mit Blick auf die daraus
resultierende Interessenkollision kann ein Versicherungs-
makler die originär seinem Status geschuldete, alle seine
Dienstleistungen bestimmende Interessenwahrnehmungs-
pflicht zugunsten seines Kunden nicht mehr erfüllen.
Vom Pfad der Tugend abgewichen
Durchleuchtet man den Fall des Maklers M., der hier vom
Pfad der Tugend abgewichen ist, und klopft die einzelnen
Sachverhaltskomponenten auf ihre rechtliche Relevanz unter
dem Leitbild „Institutionalisierter Interessenkonflikt“ ab, so
zeigt sich Folgendes:
•Das Verwenden von Antragsformularen des Versicherers,
wie es hier der Makler M. gehandhabt hat, begründet für
sich allein nicht den Tatbestand eines Interessenkonflikts.
Wie Berufungs- und Revisionsgericht übereinstimmend
festgestellt haben, dient die Verwendung solcher Formulare
in erster Linie der organisatorischen Abwicklung bei dem
Zustandekommen von Versicherungsverträgen, ohne dass
hieraus eine Interessenkollision gefolgert werden kann.
•Relevant unter diesemBlickwinkel sind indessen dieMarken-
namen der Versicherungsprodukte, die mit einem Bestandteil
des Firmennamens desMaklersM. gekennzeichnet sind, unter
dem er sein Vermittlungsgeschäft betreibt. Die so bezeichne-
tenVersicherungsproduktewurden in Informationsbriefen an
seineKlientel als eigene konzeptionelle Leistung für die private
Altersversorgung herausgestellt. Das führt, so der BGH, zu
der gesteigerten Gefahr einer Interessenbindung zulasten des
eigentlichen Auftraggebers, des Maklerkunden.
•Die so erzeugte Interessenbindung bedeutet im Einzelnen,
dass dem Makler vorrangig daran gelegen ist, die auf ihn
und seine Firma hinweisenden Versicherungsprodukte sei-
nen Kunden vorzugsweise anzubieten, ihnen in der Folge den
Vertragsabschluss nahezulegen und eben nicht den Markt
auf vorhandene Alternativprodukte zu prüfen und aus die-
sen Angeboten solche Versicherungslösungen zu offerieren,
die geeignet sind, sich vielleicht sogar aufdrängen, im Ein-
zelfall dieWünsche und Vorstellungen des Kunden in einem
vergleichsweise höheren Maße zu erfüllen. Auch an dieser
Stelle zeigt sich besonders deutlich, dass es unter derartigen
Umständen dem Makler M. nicht möglich war, den mak-
lervertraglichen Pflichten gegenüber seinem Auftraggeber
gerecht zu werden – der ihn schließlich auch bezahlt!
•In dem vorliegenden Fall wird die Einbindung des Maklers
in die Firmengruppe schließlich noch dadurch verfestigt,
dass die dieser Gruppe zugehörige GmbH es übernom-
men hatte, nicht nur die Versicherungsbeiträge von den
Versicherungsnehmern einzuziehen sondern auch die dem
Makler zustehenden Vermittlungsgebühren, so dass die-
ser vom Inkasso und von möglichen Schwierigkeiten beim
Einzug der Gelder befreit war. Auch aus dieser
den Makler M. begünstigenden Verfahrensweise
resultiert eine Interessenbindung in Richtung der
F. – Firmengruppe.
•Damit der Tatbestand eines institutionellen Interessenkon-
flikts als erfüllt angenommen werden kann, ist die alles tra-
gende, aber auch ausreichende Grundvoraussetzung, dass es
sich – wie es der Bundesgerichtshof generalisierend heraus-
gestellt hat – um rechtliche und wirtschaftliche Bindungen
(diese können unterschiedlicher Art sein) von erheblichem
Gewicht handelt, die auf Dauer angelegt sind und von denen
einmaßgeblicher Einfluss auf den oder die Handelnden (hier:
der Makler) ausgeht. Das war hier der Fall.
Und die Moral von der Geschicht‘ ...
Das Kreativsein ist einer der wichtigsten, wenn nicht der
wichtigste Meilenstein auf dem Weg zu einem erfolgreichen
Marktauftritt. Diese Erkenntnis gilt für jedes Unternehmen,
jeden Unternehmer und auch für jeden Vermittler, darunter
den Makler. Und dazu ist ein progressives Herantasten an in-
novativeMöglichkeiten sowohl für denVertrieb derVersicherer
als auch für die Vermittler „vor Ort“ unumgänglich, die ihnen
das Geschäft zuführen.Allerdings darf es dabei nicht zu Grenz-
überschreitungen kommen, die im Zuge derartiger Aktivitäten
den ganzen Status eines Vermittlers in Frage stellen, wie es im
Falle des Versicherungsmaklers M. geschehen ist. Gesetzliche
Vorschriften, standesrechtliche Regeln – von dem Gebot der
Compliance war M. weit entfernt.
Durch die Einbindung in das System der Versichererseite, do-
kumentiert durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen,
sowie durch die Identifizierung mit den Lebensversicherungs-
produkten (Namensvergabe!) seinesKooperationspartners – des
Versicherers – hat der Makler im Ergebnis das Lager des Versi-
cherungskunden verlassen. Infolgedessen war er nicht mehr in
der Lage, seine maklervertraglichen Pflichten diesem gegenüber
zu erfüllen und dessen Interessen wahrzunehmen. Mit dieser
Pflichtverletzung war zwangsläufig die Folge verbunden, dass
dem Makler kein Anspruch auf Vergütung nach § 675 BGB
zustand.Dementsprechendwar die gegendenKunden/VNerho-
bene Zahlungsklage auch in letzter Instanz abgewiesenworden.
Der Streitgegenstand, der drei Gerichtsinstanzen beschäftigte,
war kein einmaliger Betriebsunfall, wie er in der Tagespraxis
eines Versicherungsmaklers immer einmal vorkommen kann.
Zwischen dem Makler und der Firmengruppe des Lebens-
versicherers X. bestand vielmehr eine auf Dauer angelegte
Kooperation auf der Grundlage entsprechender vertraglicher
Bindungen. Dadurch wurde der Verstoß des klagendenMak-
lers gegen tragende Prinzipien seines Berufsstandes perpetu-
iert. Über den gerichtlich entschiedenen Einzelfall, über die
Klage auf Zahlung der Vermittlungsgebühr, hinaus, stellt sich
folglich mit Blick auf diesenVermittler, der seine gesetzlichen
Pflichten hinter sich gelassen hat, die generelle Frage seiner
Zugehörigkeit zum Berufsstand der Versicherungsmakler.
Auf seinem beruflichen Weg als Makler entgleist, wird er
nun wieder in die Spur zurückfinden müssen.
Dr. Mario Zinnert
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist abgedruckt in der Zeit-
schrift ‚Versicherungsrecht’ 2012, 619.
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