Ärztekammer
          
        
        
          
            Nordrhein
          
        
        
          
            Jahresbericht 2013
          
        
        
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            Medizinische Grundsatzfragen
          
        
        
          Bemerkenswert ist bei Fall-Nr. 37680 der weitere
        
        
          Verlauf: Die Pharmazeutisch-Technische Angestell-
        
        
          te (PTA) einer Apotheke wird auf die ungewöhnli-
        
        
          che Dosierung aufmerksam. Leider nutzt sie nicht
        
        
          die Chance, die offensichtliche Überdosierung so-
        
        
          fort aufzuklären. Jede Auffälligkeit dieser Art sollte
        
        
          Anlass sein, sich zunächst über die Richtigkeit einer
        
        
          Anordnung zu vergewissern. Erst danach sollte das
        
        
          Arzneimittel dem Patienten ausgehändigt werden.
        
        
          Immerhin kontaktiert die PTA im Nachgang den
        
        
          verordnenden Arzt und das Missverständnis kann
        
        
          nach einmaliger Falscheinnahme durch den Patien-
        
        
          ten und ohne Schaden für ihn aufgeklärt werden.
        
        
          Gerade dieser Fall aus dem Bereich der ambu-
        
        
          lanten Versorgung zeigt die Bedeutung verschiede-
        
        
          ner Instanzen in einem Ablauf – bei verschiedenen
        
        
          Akteuren und an unterschiedlichen Plätzen. Jeder
        
        
          Beteiligte hat die Chance, einen Fehler zu entdecken
        
        
          und rechtzeitig zu korrigieren.
        
        
          
            CIRS-NRW: aus Fehlern lernen
          
        
        
          Fehlerquellen erkennen, Risiken minimieren, aus Erfahrungen anderer lernen:
        
        
          Seit einem Jahr können Ärzte, aber auch Pflegende und Mitglieder anderer Gesundheitsberufe
        
        
          kritische Ereignisse und (Beinahe-)Fehler in der Patientenversorgung an CIRS-NRW senden,
        
        
          dem Berichts- und Lernsystem der ärztlichen Körperschaften und Kliniken in NRW. Inzwischen
        
        
          umfasst die Datenbank auf
        
        
        
          mehr als 260 solcher Berichte.
        
        
          Jeder kennt Schweizer Emmentaler und sein
        
        
          Lochmuster. Der Psychologe James Reason ver-
        
        
          deutlichte anhand des Emmentalers, wie ein Fehler
        
        
          passieren kann, obwohl er eigentlich an verschie-
        
        
          denen Stellen hätte bemerkt werden müssen. Der
        
        
          Brite verglich diese Stellen mit hintereinander an-
        
        
          geordneten Käsescheiben mit Löchern. Liegen nun
        
        
          zufällig auch die Löcher hintereinander, so könnte
        
        
          einPfeil ungehindert hindurchfliegen (Swiss Cheese-
        
        
          Modell). Übertragen auf die Patientenversorgung
        
        
          heißt das, dass ein Fehler trotz der Mitwirkung ei-
        
        
          ner Reihe unterschiedlicher Akteure und des Vor-
        
        
          handenseins von Kontrollmechanismen unerkannt
        
        
          bleibt und es zu einem kritischen Ereignis kommt.
        
        
          Ein solcher Fall ist in der NRW-Mitteilung Nr.
        
        
          37680 mit dem Titel „Tippfehler auf Rezept“ ge-
        
        
          schildert. Auf den ersten Blick erscheint alles un-
        
        
          spektakulär. Bei der Analyse zeigt sich dann, dass
        
        
          es nicht nur um einen Tippfehler geht. Tatsächlich
        
        
          haben verschiedene Beteiligte den Tippfehler nicht
        
        
          oder nicht rechtzeitig bemerkt. Statt „5 x 1 Tbl.“
        
        
          eines Arzneimittels täglich werden fälschlich
        
        
          „3 x 5 Tbl.“ auf dem Rezept vermerkt. Leider teilt
        
        
          der Berichtende nicht mit, ob der Fehler vielleicht
        
        
          schon zuvor in der Kommunikation mit einer zwei-
        
        
          ten Person entstand, die etwas Anderes notierte
        
        
          als vom Arzt oder der Ärztin mündlich mitgeteilt
        
        
          worden war. Möglicherweise war davor schon der
        
        
          Verordnende in Routine verfallen, hatte das übliche
        
        
          „3 x täglich“ mit der hier üblichen 5-maligen Gabe
        
        
          pro Tag vermischt und unbewusst daraus ein
        
        
          „3 x 5“ gemacht. Manche Software verhindert durch
        
        
          Plausibilitätsprüfungen derartige Fehler. Auch die
        
        
          visualisierende Notierweise „1-1-1-1-1“ könnte auf
        
        
          einen Fehler aufmerksam machen. Das Gespräch
        
        
          mit dem Patienten ist eine weitere Gelegenheit zur
        
        
          Überprüfung einer Verordnung. Leider ist aber der
        
        
          Patient oft mit der Fülle an Informationen über-
        
        
          fordert. Ein Medikationsplan für den Patienten
        
        
          empfiehlt sich daher. Er stellt eine zusätzliche
        
        
          optische Kontrolle dar, um Fehlangaben zu erken-
        
        
          nen.
        
        
          CIRS
        
        
          N R W
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
          
        
        
        
          
            Anonyme Berichts- und Lernplattform zu kritischen Ereignissen
          
        
        
          
            CIRS
          
        
        
          steht für
        
        
          
            C
          
        
        
          ritical
        
        
          
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          eporting
        
        
          
            S
          
        
        
          ystem.
        
        
          Es ist ein Lern- und Berichtssystem für kritische Ereignisse in der Patientenversorgung.
        
        
          CIRS-NRW ist eine gemeinsame Initiative der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-
        
        
          Lippe, der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe und der
        
        
          Krankenhausgesellschaft NRW in Zusammenarbeit mit dem Ärztlichen Zentrum für
        
        
          Qualität in der Medizin (ÄZQ).
        
        
          CIRS-NRW ist vertraulich, die Übertragung von Berichten erfolgt immer verschlüsselt.
        
        
          CIRS-NRW soll lokale Berichtssysteme in den Krankenhäusern und Arztpraxen ergänzen.
        
        
          Meldungen aus den lokalen CIRS können anonymisiert und in das landesweite System
        
        
          eingestellt werden. Derzeit umfasst die Datenbank 260 Berichte.
        
        
          Die eingegangenen Meldungen werden von einem Fachbeirat analysiert und mit fachlich
        
        
          qualifizierten Kommentaren und Hilfestellungen versehen. Die Meldungen sind nicht
        
        
          rückverfolgbar, da die IP-Adresse des verwendeten Rechners nicht übermittelt wird.