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Häusliche Gewalt in der medizinischen Versorgung

Opfer häuslicher Gewalt suchen zwar häufig wegen ihrer körperlichen Verletzung Hilfe im me-

dizinischen Versorgungssystem. Die zum langfristigen Schutz der Gesundheit neben der medi-

zinisch-somatischen Versorgung erforderlichen psychosozialen Hilfen unterbleiben jedoch oft.

Solche psychosozialen Hilfen sind in der Regel:

• Sicherstellung des elementaren Rechts der körperlichen und psychischen Unversehrtheit;

• Einschätzung des akuten Gefährdungspotenzials;

• Berücksichtigung der akuten, emotionalen Belastung des Gewaltopfers;

• Initiierung von (meist nur längerfristig zu erreichenden) Ablösungsprozessen aus der von

Abhängigkeit geprägten, gewaltsamen Beziehung zum Täter.

Häufigster Grund, warum psychosoziale Hilfen unterbleiben, ist die Tatsache, dass die Gewalt-

erfahrung nicht angesprochen wird. Dabei wünschen sich Gewaltopfer überwiegend, in einem

geschützten Rahmen offen über ihre Gewalterfahrung sprechen zu können. Es gibt verschiedene

Gründe, warum die häusliche Gewalt nicht thematisiert wird: Der Patient zweifelt vielleicht an

der Vertraulichkeit des Gesprächs oder er geht davon aus, dass die Fachperson kaum Interesse

oder kaum Zeit hat.

Was ist bei Verdacht auf häusliche Gewalt zu beachten?

Äußere Bedingungen:

Vordringlich ist es, eine sichere Gesprächssituation herzustellen. Dies

bedeutet neben einem ungestörten Ort und einem entsprechenden Zeitrahmen auch, sensibel

mit den Begleitpersonen umzugehen und Patient und Begleitperson allenfalls zu separieren

(denn unter Umständen ist die Begleitperson der Täter).

Auf Emotionen eingehen:

Gewaltopfer befinden sich oft in einem emotionalen Ausnahmezu-

stand. Leitaffekte sind Scham und Angst. Gewaltopfer geben sich die Schuld für das Erlittene

(«Ich hab ihn doch provoziert.»)

und schämen sich, dass sie sich nicht selbst aus dieser de-

mütigenden Situation befreien können

(«Wieso lasse ich zu, dass man so mit mir umgeht?»)

.

Daneben besteht oft auch eine reale Angst, denn Gewaltopfer haben schon erfahren, dass sie

geschlagen und gedemütigt werden und befürchten zu Recht, dass ihnen dies wieder geschieht.

Häufig werden sie von den Tätern konkret bedroht

(«Wenn du erzählst, was Dir passiert ist, mach

ich Dich fertig.»)

. Daher ist es wichtig, auf diese starken Emotionen im Gespräch einzugehen.

Hilfreiche Techniken hierfür sind im NURSE-Modell beschrieben (siehe 2.3.).

Direktes Ansprechen bei Verdacht auf häusliche Gewalt:

Besteht der Verdacht auf häusliche

Gewalt, sollte dies direkt angesprochenwerden. Hilfreiche Formulierungen können sein:

«Könnte

Heranführen an spezifische Gesprächssituationen

Ärztekammer

Nordrhein