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Vorgehen

Oft wird der Hausarzt nicht primär wegen Alkoholproblemen aufgesucht, sondern wegen kör-

perlicher Beschwerden, die aber durchaus Folge des übermäßigen Alkoholkonsums sein können.

Im Zusammenhang mit der Abklärung dieser Beschwerden kann dann der Alkoholkonsum ange-

sprochen werden. Falls aus Sicht des Arztes Anhalt für eine Alkoholproblematik besteht, muss

der Arzt sich für ein entsprechendes Gespräch genügend Zeit reservieren. Der Patient muss die

Gelegenheit haben, sich zu erklären, der Arzt die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen und weitere

Schritte anzubieten. Die Diagnostik und Einteilung der Schwere des Alkoholkonsums verfolgt

zwei Ziele: zum einen die Exploration des Status Quo und zum anderen eine Dokumentation der

Bereitschaft, ein allfälliges Alkoholproblem zum Thema zu machen.

Der Arzt kann ein Gespräch so einleiten:

«Sie haben mir einige wichtige Informationen zu

IhremGesundheitsverhaltenwiekörperlicheAktivitäten,Trink-undRauchgewohnheitengegeben.

Das ist nicht selbstverständlich, vielen Dank! Ich möchte mit Ihnen kurz darüber reden. Einver-

standen?»

Für das ärztliche Gespräch in der Praxis eignen sich am ehesten

Kurzinterventionen

nach den

Gesprächsprinzipien des

«motivational interviewing»

(siehe Rollnick et al.). Solche Kurzinter-

ventionen helfen dem Arzt herauszufinden, wieweit der Patient motiviert ist, sein Verhalten zu

ändern und wie er dabei am besten unterstützt werden könnte. Im Gegensatz zu einer pater-

nalistischen, unter Umständen als bevormundend erlebten ärztlichen Kommunikation, die dem

Patienten quasi vorschreibt, was er zu tun hat, setzt das „motivational interviewing“ (MI) auf

die Aktivierung der Ressourcen des Patienten. Zu den Gesprächsprinzipien des MI gehört die

Annahme, dass der Patient grundsätzlich zu einer für ihn angemessenen Verhaltensänderung in

der Lage ist

(self-efficacy)

und hierfür selber die Verantwortung

(responsibility)

trägt. Hierbei

kann der Arzt Veränderungsprozesse anstoßen, indem er – ohne den Patienten entlarven oder

überführen zu wollen – medizinische Befunde, zum Beispiel Laborwerte, in Zusammenhang mit

dem Alkoholkonsum stellt

(feedback)

und den Patienten zum Nachdenken über Schlussfolge-

rungen aus solchen Befunden für seinen Alkoholkonsum anregt. Der Arzt kennt die regionalen

Hilfsangebote und kann ihre Besonderheiten erläutern. Das Gespräch ist getragen von einem

einfühlenden Verständnis

(empathy)

für die Lebenslage des Patienten und die Schwierigkeiten

einer Verhaltensänderung. Letztlich bestimmt jedoch der Patient selbst, wie viel und welche Ver-

haltensänderungen er angehenmöchte. Der Arzt prüft hierbei, in welchemVeränderungsstadium

(«Stages of Change»)

sich sein Patient befindet, was wiederum die Ziele des Gespräches be-

stimmt und unnötige Interventionen, zum Beispiel in Hinblick auf die aktuelle Aufnahme einer

abstinenzorientierten Behandlung, vermeidet, wenn der Patient im Moment dafür gar nicht zu-

gänglich ist.

Heranführen an spezifische Gesprächssituationen

Ärztekammer

Nordrhein