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Gibt ein Patient klar zu verstehen, dass er auf das Beratungsangebot (imMoment) nicht eingehen

will, muss der Arzt dies respektieren. Auch dann ist diese Intervention aber nicht sinnlos, da

der Patient die Erfahrung machen konnte, dass sein Arzt bereit ist, das Thema Alkohol mit ihm

anzusprechen. Ein weiterer wichtiger Grundsatz besteht darin, Rückfälle nicht als Versagen zu

verstehen – weder des Arztes noch des Patienten. Rückfälle sind vielmehr Teil des Verände-

rungsprozesses und lassen sich für einen erneuten Anfang mit entsprechender kluger Anpassung

nutzen.

Da Motivationsgespräche länger dauern können, lohnt es sich, den Patienten zu einer Rand-

stunde einzubestellen. Zu vermeiden sind ineffiziente Konsultationen, in denen der Arzt herab-

setzende Fragen stellt oder beschämende Ratschläge abgibt. Oft geht es darum, deutlich zu ma-

chen, dass Arzt und Patient das Problem erkannt haben, dass das Problem explizit und unmiss-

verständlich beimNamen genannt wird und dass der Arzt seine Bereitschaft, darauf einzugehen,

wirklich ernst meint.

Aktuell wird diskutiert, ob der Wechsel von der ausschließlich abstinenzorientierten Behandlung

zum «harm reduction approach»

(Schadensminderung)

vertretbar ist. Sinnvoll scheint dies

vor allem bei alkoholabhängigen Patienten, die immerhin bereit sind, an einem kontrollierten

(reduziertem)

Konsum zu arbeiten, aber sich auf das Ziel der Abstinenz aktuell nicht ausrich-

ten wollen. Insbesondere in Hinblick auf die körperliche Gesundheit und soziale Probleme im

Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum ist ein kontrollierter Konsum bereits von Be-

deutung. Medikamente wie Naltrexon oder Nalmefen, also Opioidrezeptor-Antagonisten, deren

Wirksamkeit vorrangig für die Reduktion des Konsums belegt ist, könnten diesem Ansatz mehr

Bedeutung verleihen. Zudemwird kontrovers diskutiert, ob das kontrollierte Trinken für Alkohol-

abhängige nur ein Zwischenstadium ist, auf das später dann der Entscheid zur Abstinenz folgt

beziehungsweise der Rückfall in den abhängigen Konsum, oder ob es Alkoholabhängigen gelingt,

langfristig einen kontrollierten Konsum zu praktizieren. Auch wenn es nur ein Zwischenstadium

wäre, kann das Angebot von therapeutischen Hilfen, bei denen die Betroffenen sich nicht zum

Anfang der Behandlung schon zumAbstinenzziel verpflichtenmüssen, eine Möglichkeit sein, den

Anteil der Alkoholabhängigen in Behandlung zu erhöhen. Kontrolliertes Trinken besteht zum

Beispiel darin, auf Alkoholkonsum an bestimmten Tagen oder in bestimmten Situationen zu ver-

zichten oder die Trinkmenge pro Tag zu reduzieren.

Ziel der hier vorgestellten Vorgehensweise ist es, eine therapeutische Umgebung herzustellen,

die es dem Patienten erlaubt, seine Gesundheit selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen.

Besteht seitens des Patienten der Wunsch nach einer Verhaltensänderung, sollte der Arzt mit

Heranführen an spezifische Gesprächssituationen

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