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sprachlicher Kompetenz einschätzen, wenn der Patient gebeten wird, in freier Rede zusammen-

zufassen, was er gerade gehört hat.

Bei Patienten, die eingeschränkt sprach-kompetent sind, ist es nicht sinnvoll, in Kindersprache

zu verfallen und Verben nicht mehr zu konjugieren. Einfacher zu verstehen sind kurze Aussage-

sätze, ohne komplexere grammatikalische Strukturen wie Relativ-Sätze oder Konditionalsätze.

Bei langsamem Sprechen wird manchmal bereits durch die Beobachtung des Gegenübers deut-

lich, an welchen Stellen ein Wort auf Unverständnis stößt; wer sein Gegenüber nicht anschaut,

verpasst diese Gelegenheiten.

Ad-hoc-Übersetzer werden in der Literatur aus verschiedenen Gründen nicht empfohlen: wenn

sie verwandt sind mit dem Patienten oder wenn sie aus der gleichen überschaubaren Sprachge-

meinschaft wie der Patient stammen, geraten sie beim Übersetzen häufig in einen Solidaritäts-

konflikt. Das führt dazu, dass sie zum Beispiel schlechte Nachrichten nicht übersetzen, weil sie

den Patienten nicht belasten wollen oder weil sie die Regeln ihrer Kulturgemeinschaft einhalten

wollen; im Unterschied zu professionellen Dolmetschern sagen sie nicht, was sie tun, sodass die

Fachperson nicht weiss, was genau – und was eben nicht – übersetzt wurde.

Problematisch am Einsatz von Ad-hoc- und professionellen Dolmetschern ist, dass letztlich die

Fachperson dafür verantwortlich ist, worüber gesprochen und was verstanden wird. Da sie die

Fremdsprache, in die gedolmetscht wird, nicht versteht, ist sie auf Gedeih und Verderb der Kom-

petenz des Dolmetschers ausgeliefert.

Es ist allerdings nicht so klar, welche Aufgabe professionelle Dolmetscher eigentlich haben:

Sollen sie möglichst wortgetreu übersetzen oder sollen sie zwischen Kulturen vermitteln, also

auch auf Gebräuche, Wertvorstellungen und unterschiedliche Definitionen von Tabuthemen

fokussieren? Das Conduit-Modell entspricht der ersten Variante, bei der der Dolmetscher den

gesprochenen Text genau und präzise wiedergibt und er seine eigene Person stark zurücknimmt.

Die weiter gefasste Definition entspricht zumindest zum Teil dem des «interkulturellen Überset-

zens», bei der Dolmetscher auch als interkulturelle Mediatoren fungieren.

Qualitative Untersuchungen zum Inhalt von gedolmetschten Gesprächen zeigen, dass es bereits

auf dem Niveau der inhaltlich korrekten Übersetzung von einer Sprache in die andere gravie-

rende Probleme gibt, die noch vor der interkulturellen Übersetzung gelöst werden müssen.

Der folgende Verhaltenskatalog für Fachpersonen hilft beiden Parteien, ein gedolmetschtes Ge-

spräch möglichst korrekt und im Sinne des Patienten durchzuführen.

Heranführen an spezifische Gesprächssituationen

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