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Der Mini-Mental-State kann zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit nur als Vorab-Prüfung die-
nen (Stier, 2006). Daran muss sich eine individuelle kontextabhängige Tiefenprüfung durch den
Arzt anschließen.
Werteanamnese
Sicher gibt es Situationen, in denen eine PV in einer einzigen Sitzung erstellt werden kann. Meist
werden aber mehrere Sitzungen notwendig sein, denn für eine vollständige und sinnvolle PV
müssen Wertehaltungen formuliert, Behandlungsziele und Vertrauenspersonen benannt und
Aussagen zu verschiedenen spezifischen Behandlungssituationen gemacht werden (siehe 3.3).
In einem ersten Gespräch geht es darum, mit dem Patienten einen Zugang zu Themen wie
schwere Krankheiten und Lebensende zu finden. Der Patient erzählt, wie seine gegenwärtige
Lebenssituation aussieht (Gesundheit, soziale Kontakte, Zukunftspläne), wie weit er sich schon
mit Fragen über Krankheit, Sterben und Tod auseinandergesetzt hat, welche Ängste in diesem
Zusammenhang bestehen und von welchen Personen er denkt, dass sie als Vertrauenspersonen
eingesetzt werden könnten. Der Arzt kann in diesem Zusammenhang auch Informationsmaterial
zu Patientenverfügungen abgeben (z.B. BÄK-ZEKO, 2013 oder Ärztekammer Nordrhein, 2015)
Eine Eingangsfrage könnte so formuliert werden:
«Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht über Ihr Altwerden, über das Sterben und über
den eigenen Tod? Wenn ja, warum und in welchem Zusammenhang? Wollen Sie mir ein bisschen
mehr darüber erzählen?»
In einem zweiten Gespräch soll in der Regel die Vertrauensperson anwesend sein (im Hinblick
auf eine Vollmacht). In diesemGesprächwird eineWerteanamnese aufgenommen, dokumentiert
und es werden die Themen Behandlungsabbruch und Lebensverlängerung anhand von Fallbei-
spielen diskutiert. Darauf wird ein Entwurf für eine PV erstellt.
Erst in einer dritten Sitzung wird die PV dann definitiv geschrieben, kopiert und unterschrieben.
Werteklärung
Je individueller die Werteklärung ist, desto höher wird die Qualität der PV sein. Eine Werte-
anamnese kann erhoben werden, indem der Patient mit einer einfachen, offenen Frage gebeten
wird, seine Wertvorstellungen zu schildern:
«Bitte sagen Sie mir, was für Sie im Leben wichtige
Werte sind und was für Sie in einer Phase des nahenden Todes besonders wichtig sein könnte.»
Da es Menschen oftmals schwerfällt, diese Werte zu definieren, kann der Arzt hier auf Fragen-
sammlungen zurückgreifen. Auch werden Kartensammlungen empfohlen, wobei der Patient
Heranführen an spezifische Gesprächssituationen
Ärztekammer
Nordrhein