Prozesskosten als außergewo¨hnliche Belastung
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DB0592451
Mit Urteil vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10,
BStBl. II 2011 S. 1015 = DB 2011 S. 1612)
hat der BFH seine bisherige enge Rspr.
zur steuerlichen Absetzbarkeit von Pro-
zesskosten ganz erheblich gelockert und
entschieden, dass Zivilprozesskosten un-
abha¨ngig vom Gegenstand des Prozesses
aus rechtlichen Gru¨nden zwangsla¨ufig er-
wachsen ko¨nnen, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidi-
gung hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet und nicht mutwillig erscheint. Das
BMF hat jedoch mit Schreiben vom
20. 12. 2011 (IV C 4 – S 2284/07/0031
:002 [2011/1025909], BStBl. I 2011
S. 1286 = DB 2012 S. 20) die FA¨ angewie-
sen, diese fu¨r Stpfl. positive Rspr. nicht
anzuwenden. Inzwischen haben mehrere
FG trotz des Nichtanwendungserlasses
Kosten verschiedener Zivilprozesse als
außergewo¨hnliche Belastung (agB) aner-
kannt. Da alle FG die Revision zugelassen
und die FA¨ diese auch eingelegt haben,
muss sich der BFH erneut mit der Frage
der Abzugsfa¨higkeit von Zivilprozesskos-
ten als agB befassen.
Die wichtigsten aktuellen FG-Urteile
werden nachfolgend kurz kommentiert:
Scheidungsfolgesachen
FG Du¨sseldorf, Urteil vom 19. 2. 2013
– 10 K 2392/12 E, DB0590612 (an-
ha¨ngig beim BFH: VI R 16/13)
Sachverhalt:
Der geschiedene Kla¨ger hat-
te Gerichts- und Anwaltskosten i. H. von
insgesamt 8.195 € fu¨r die Ehescheidung
aufgewandt. Die Kosten betrafen nicht
nur die eigentliche Ehescheidung, son-
dern auch die Aufwendungen im Zusam-
menhang mit dem Versorgungsausgleich,
dem Zugewinnausgleich und dem nach-
ehelichen Unterhalt. Das FA erkannte die
Kosten nur insoweit steuerwirksam an, als
sie auf die Ehescheidung und den Versor-
gungsausgleich entfielen. Soweit die Auf-
wendungen auf die Regelung der Ver-
mo¨gensauseinandersetzung (Zugewinn-
ausgleich) und der Unterhaltsanspru¨che
entfielen, ließ das FA sie nicht zum Ab-
zug zu.
Entscheidung:
Das FG hat zugunsten
des Kla¨gers entschieden, und die gesam-
ten Aufwendungen als agB steuerwirksam
zum Abzug zugelassen. Eine Eheschei-
dung ko¨nne nur gerichtlich und mit Hilfe
von Rechtsanwa¨lten erfolgen. In dem Ge-
richtsverfahren mu¨ssen regelma¨ßig auch
Regelungen zum Versorgungsausgleich,
dem Zugewinn und den Unterhalts-
anspru¨chen getroffen werden. Den damit
zusammenha¨ngenden Kosten ko¨nnen sich
die Ehepartner nicht entziehen. Dabei
spiele es keine Rolle, dass Teilbereiche
einer Scheidung nur durch Urteil, andere
Teile hingegen auch durch einen Ver-
gleich zwischen den Ehepartnern geregelt
werden ko¨nnen.
FG Mu¨nchen, Urteil vom 5. 3. 2012 –
5 K 710/12 (neu), DB0592120 (an-
ha¨ngig beim BFH: VI R 66/12)
Sachverhalt:
Das FA lehnte die als agB
geltend gemachten Prozess- und Woh-
nungsra¨umungskosten mangels Zwangs-
la¨ufigkeit ab, da die nicht anerkannten
Kosten nicht unmittelbar und unvermeid-
bar durch die Ehescheidung entstanden
seien. Die Kla¨gerin habe den Aufwen-
dungen durch die Anerkennung der im
Ehevertrag getroffenen Regelungen aus-
weichen ko¨nnen. Die Gerichtskosten so-
wie die Kosten fu¨r die Rechtsanwa¨lte des
jeweils obsiegenden Exgatten resultierten
nach Angaben der Kla¨gerin aus Verfahren
vor verschiedenen Gerichten (jeweils in
Sachen Willenserkla¨rung,
Ra¨umung,
Zahlung). Im Klageverfahren erla¨uterte
die Kla¨gerin, dass zuna¨chst keine Prozess-
kostenhilfe beantragt worden sei, da sie
eine Kostenzusage von der Rechtsschutz-
versicherung erhalten habe, welche jedoch
spa¨ter zuru¨ckgezogen worden sei. Die
Kla¨gerin beantragt die Anerkennung der
Kosten als agB, da sie ihr zwangsla¨ufig
entstanden seien.
Entscheidung:
Das FG hat entschieden,
dass Zivilprozesskosten, Kla¨ger wie Be-
klagtem unabha¨ngig vom Gegenstand des
Prozesses aus rechtlichen Gru¨nden
zwangsla¨ufig erwachsen ko¨nnen, da strei-
tige Anspru¨che wegen des staatlichen Ge-
waltmonopols regelma¨ßig nur gerichtlich
durchzusetzen oder abzuwehren sind. Da-
nach sind diejenigen Prozesskosten ab-
ziehbar, die notwendig sind und einen an-
gemessenen Betrag nicht u¨berschreiten.
Das FG legt die gea¨nderte Rspr. des
BFH vom 12. 5. 2011 (a.a.O.) dahin-
gehend aus, dass im Zeitpunkt der Kla-
geerhebung die Rechtsverteidigung aus
der Sicht eines versta¨ndigen Dritten hin-
reichende Erfolgsaussicht aufweisen muss.
Bei summarischer Pru¨fung muss der Er-
folg mindestens ebenso wahrscheinlich
sein wie ein Misserfolg. Dann sind die
notwendigen und angemessenen Prozess-
kosen, die im jeweiligen Vz. getragen
werden mussten, als agB abziehbar. Be-
streitet die Kla¨gerin nach der Eheschei-
dung die Wirksamkeit eines – den Ver-
sorgungsausgleich ausschließenden und
die Nutzung der ehelichen Wohnung
dem Ehemann zuweisenden – Ehever-
trags und setzt sie sich gerichtlich gegen
die von ihrem ehemaligen Mann ver-
anlasste Zwangsra¨umung der Wohnung
zur Wehr, sind die Kosten bezu¨glich der
Wohnungsra¨umung als agB abziehbar.
FG Schleswig-Holstein, Urteil vom
21. 12. 2012 – 1 K 75/11, DB0591061
(anha¨ngig beim BFH: VI R 70/12)
Sachverhalt:
In dem vom Kla¨ger mit
Ru¨cksicht auf den Unterhaltsausspruch
angestrengten Berufungsverfahren schlos-
sen die Parteien vor dem OLG einen
Vergleich, in dem der monatliche Unter-
halt auf 450 € herabgesetzt wurde. Fu¨r die
anwaltliche Vertretung in beiden Instan-
zen zahlte der Kla¨ger auf die Rechnungen
seiner Bevollma¨chtigten 3.879,64 €, wel-
che er als agB in seiner ESt-Erkla¨rung
geltend machte. Das FA lehnte dies ab
und fu¨hrte zur Begru¨ndung aus, die er-
kla¨rten Scheidungskosten wu¨rden auch
den nachehelichen Unterhalt betreffen.
Insoweit ko¨nnte nicht festgestellt werden,
wie hoch der Anteil der Prozesskosten fu¨r
die Scheidung war. Da bereits im Vorjahr
RA-Kosten i. H. von 1.859,53 € als
Scheidungskosten anerkannt worden sei-
en, wurde von dem FA davon ausgegan-
gen, dass es sich bei den Aufwendungen
nicht um die unmittelbaren und unver-
meidlichen Kosten des Scheidungsprozes-
ses gehandelt hat.
Entscheidung:
Das FG hat die Auffas-
sung vertreten, dass anteilige Anwaltskos-
ten einer im Scheidungsverbundverfahren
entschiedenen Scheidungsfolgesache
(hier: Unterhaltsstreit) bei Vorliegen der
weiteren Voraussetzungen als agB i. S.
des § 33 EStG abgezogen werden ko¨n-
nen. Auf der Grundlage der aktuellen
Rspr. stellen die geltend gemachten An-
waltskosten in vollem Umfang eine agB
dar. Aufgrund des Scheidungsantrags sei-
ner fru¨heren Ehefrau und des von ihr ge-
stellten Verbundantrags in Sachen Unter-
halt musste sich der Kla¨ger dem Verfah-
ren ohne jeden eigenen Gestaltungsspiel-
raum stellen. Sein Klagabweisungsantrag
in Sachen Unterhaltsforderung erscheint
weder ohne Aussicht auf Erfolg noch
mutwillig: Die vom Kla¨ger ausweislich
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Kurz kommentiert
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013