Wahrnehmung auf, dass – im Gegensatz zum Diskussionspapier
– das IR-Konzept nun von einer klaren Kapitalmarktorientie-
rung dominiert wird. Eine belastbare Begru¨ndung fu¨r diese star-
ke Anna¨hrung an das international vorherrschende Konzept der
Finanzberichterstattung bleibt das IIRC im Konsultationsent-
wurf schuldig. Es ist folglich damit zu rechnen, dass IR trotz der
proklamierten Beru¨cksichtigung von Stakeholder-Interessen,
den Informationsbedu¨rfnissen vieler Stakeholder nicht gerecht
werden wird. Stattdessen ko¨nnte die enge Eingrenzung des
Adressatenkreises dazu fu¨hren, dass Nachhaltigkeit lediglich vor
dem Hintergrund einer erhofften finanziellen Verbesserung in
unternehmerische Entscheidungen eingebunden wird (sog.
busi-
ness case for sustainability
)
99
und somit lediglich zu einem „Wert-
treiber“ innerhalb der Shareholder Value-Konzeption „degra-
diert“ wird.
Umso wichtiger ist zu betonen, dass IR die Nachhaltigkeits-
berichterstattung nicht ersetzen kann bzw. sollte. Dies ins-
besondere auch, weil sich mittlerweile eindeutig abzeichnet, dass
nach den Vorstellungen des IIRC der integrierte Bericht ein
eigensta¨ndiger Bericht (
stand-alone report
) sein sollte, der die
Funktion einer Art
executive summary
der wesentlichen Determi-
nanten der unternehmerischen Wertschaffung und deren Inter-
dependenzen u¨bernehmen sollte. Inwieweit auch eine Integrati-
on von IR in den nach europa¨ischen und deutschen Vorschriften
zu erstellenden Lagebericht dieser Funktion entsprechen ko¨nnte,
la¨sst das IIRC im Konsultationsentwurf im Gegensatz zum Dis-
kussionspapier
100
unkommentiert.
Noch sta¨rker als im Diskussionspapier betont das IIRC im
vorliegenden Framework-Entwurf die Bedeutung des internen
Berichts-, Steuerungs- und U¨ berwachungssystems fu¨r die Effek-
tivita¨t und Effizienz der externen integrierten Berichterstat-
tung
101
. IR wird nicht nur als retrograde Abbildung der Unter-
nehmensta¨tigkeit gesehen, sondern ihm wird ein nutzenstiften-
der Beitrag fu¨r die Unternehmensfu¨hrung zugesprochen
102
, da
eine intensivere und konstruktivere Sichtweise auf das Ge-
scha¨ftsmodell und den Wertschaffungsprozess sowie deren In-
terdependenz mit dem Unternehmensumfeld gefo¨rdert wird,
was vom IIRC als
integrated thinking
bezeichnet wird, und grds.
zum Wohle des Unternehmens und seines Umfeldes beitra¨gt
103
.
Um transparent zu machen, wie weit das Management in dieser
integrierten Denkweise fortgeschritten ist, hat der integrierte
Bericht auch die Aufgabe „
bringing reporting closer to the way the
business is run
“
104
.
Um trotz dieses geringen Konkretisierungsgrades der inte-
grierten Berichterstattung ein notwendiges Maß an verla¨sslicher
Berichterstattung zu sichern, erscheint die Pru¨fung von inte-
grierten Berichten als ein unausweichlicher Schritt, um das Ver-
trauen in die Berichterstattung und damit die Nu¨tzlichkeit der
Informationsgewa¨hrung zu sichern, was wiederum eine nicht
unerhebliche Herausforderung fu¨r die tradierten Konzepte der
Abschlusspru¨fung darstellt
105
.
Durch den Framework-Entwurf wird schließlich auch deut-
lich, dass die Entwicklung zum IR die Kosten sowie die Kom-
plexita¨t der Berichterstattung fu¨r die berichtenden Unternehmen
nicht senken, sondern weiter erho¨hen wird. Allerdings ko¨nnte
sich aus dem induzierten „
integrated thinking
“ ein entsprechen-
der (u¨ber)kompensierender Nutzeneffekt ergeben. Wesentliche
Nutznießer des vom IIRC vorgestellten Berichtskonzepts schei-
nen momentan die Investoren und Kapitalmarktintermedia¨re zu
werden, die eine auf wesentliche „Werttreiber“ reduzierte Infor-
mationsgewa¨hrung erwarten du¨rfen, die voraussichtlich zusa¨tz-
lich zu den tradierten ausfu¨hrlichen Finanz- und Nachhaltig-
keitsberichten etc. von den Unternehmen zur Verfu¨gung gestellt
werden wird. Welchen Umfang ein solcher Bericht haben wird
bzw. sollte, ist momentan noch vo¨llig offen. Angesichts der Fu¨lle
der im Framework-Entwurf enthaltenen Anforderungen er-
scheint ein „Kurzbericht“ von ein paar Seiten schon jetzt als sehr
unwahrscheinlich.
V. Zusammenfassung
Der vorliegende Framework-Entwurf des IIRC zeigt die Not-
wendigkeit auf, dass sich insbesondere kapitalmarktorientierte
Unternehmen, deren Wirtschaftspru¨fer sowie an Unterneh-
mensberichten interessierte Personen und Institutionen intensiv
mit den Entwicklungen beim IIRC bescha¨ftigen und sich in
Form von Stellungnahmen (Kommentierungsfrist bis 15. 7.
2013) bzw. aktiver Mitarbeit in den Entwicklungsprozess des
Framework einbringen, um dessen Inhalt mitzugestalten. Wie
oben ausgefu¨hrt, erscheinen folgende Inhalte des Entwurfs als
besonders u¨berdenkenswert:
– Fokus auf (langfristige) Finanzkapitalgeber als zentrale
Adressaten des integrierten Berichts.
– Unbestimmtheit des Wertbegriffs, der im Mittelpunkt des
IR-Konzepts steht.
– Prima¨re Interpretation des integrierten Berichts als Instru-
ment der Kapitalmarktkommunikation.
– Großer Spannungsbogen zwischen prinzipienbasiertem und
auf die „
individual value creation story
“ des jeweiligen Unter-
nehmens abstellenden Ansatz und einer notwendigen Ver-
gleich- bzw. Pru¨fbarkeit des integrierten Berichts.
– Potenzial, die Komplexita¨t sowie die Menge der zu gewa¨h-
renden Informationen sowie der durch die Berichterstattung
verursachten Kosten zu erho¨hen.
Die große internationale Dynamik des Themas IR und seine lo-
gische Rechtfertigung aus aktuellen Entwicklungen in Unter-
nehmen und in der Gesellschaft la¨sst stark vermuten, dass die
Initiative des IIRC eine nachhaltige Wirkung haben und sein
Framework zum State of the Art der integrierten Berichterstat-
tung werden wird. Umso wichtiger erscheint ein engagiertes
Verfolgen bzw. Einflussnehmen auf die momentanen Entwick-
lungsprozesse, um unliebsame Ergebnisse (soweit mo¨glich) zu
vermeiden bzw. von diesen zumindest nicht u¨berrascht zu wer-
den.
Fu¨r die Zukunft stellt sich die Frage, welche Rolle das IIRC
einnehmen wird, nachdem es mit der Vero¨ffentlichung des IR-
Rahmenkonzepts eines seiner Hauptziele erreicht hat. Die Tat-
sache, dass das IIRC diese geplante Vero¨ffentlichung als „
Inter-
national <IR> Framework version 1.0
“ bezeichnet, la¨sst erwarten,
dass zuku¨nftig eine versionsweise U¨ berarbeitung des Framework
stattfinden wird
106
. Ob man sich lediglich auf diese Weiterent-
wicklung beschra¨nken oder mit der Erarbeitung detaillierterer
Standards zum IR beginnen wird, bleibt abzuwarten.
99 Vgl.
Miolo/Veser,
IRZ 2012 S. 482.
100 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 6), S. 20.
101 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 3.11 und 4.26.
102 „Information included in an integrated report is, by nature, central to run-
ning the business.“ IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 3.41.
103 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.16 und 2.37.
104 IIRC, a.a.O. (Fn. 6), S. 10.
105 Vgl.
Nolden/Richter
, WPg 2012 S. 983 f.; Arbeitskreis Externe Unternehmens-
rechnung der Schmalenbach-Gesellschaft fu¨r Betriebswirtschaft e. V., BB
2013 S. 880 f.
106 Eine solche Vorgehensweise wird auch von der Global Reporting Initiative
(GRI) gepflegt, die in diesen Tagen die 4. Generation ihrer Leitlinien zur
Nachhaltigkeitsberichterstattung verabschiedet.
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013