DER BETRIEB 21 - page 15

zu einer kurz-, mittel- und langfristigen
27
Wertschaffung des
Unternehmens fu¨hren
28
. Vergleicht man die Ausfu¨hrungen
zum IR-Konzept im Diskussionspapier mit denen des Frame-
work-Entwurfs so fa¨llt auf, dass bestimmte Charakteristika des
IR in der neuen Definition nicht mehr explizit genannt werden.
Beispielsweise wird weder ein Zusammenhang zur Nachhaltig-
keitsberichterstattung noch der Rechenschaftszweck des IR ge-
nannt. Stattdessen wird allgemein auf die Beschreibung der
Wertschaffung und den integrierten Bericht als Prozessergebnis
verwiesen. Auch in der neuen Definition eines integrierten Be-
richts fehlt der Verweis auf den eigentlichen Berichtszweck.
Dieser la¨sst sich allerdings aus den in Rdn. 1.5 formulierten
vier Zielen des IR entnehmen
29
. Demnach soll durch IR zum
einen ein effizienterer Ansatz bzgl. der Unternehmensbericht-
erstattung vorangetrieben werden, der sa¨mtliche Faktoren ein-
bezieht, die sich wesentlich auf die Fa¨higkeit eines Unterneh-
mens, Wert zu schaffen, auswirken, und dabei Informationen
aus anderen bestehenden Berichtsarten bu¨ndelt. Zum anderen
sollen durch IR Allokationsentscheidungen bzgl. des Einsatzes
von Finanzkapital durch entscheidungsnu¨tzliche Informationen
erleichtert werden. Des Weiteren verfolgt IR das Ziel, die Re-
chenschaft und Verantwortung in Bezug auf die breite Basis an
Kapitalarten (siehe hierzu den na¨chsten Gliederungspunkt) zu
erho¨hen und das Versta¨ndnis der Wechselwirkungen zwischen
den Kapitalarten zu fo¨rdern
30
. Als vierter Punkt wird angefu¨hrt,
dass IR im Hinblick auf die unternehmerische Wertschaffung
innerhalb des Unternehmens eine integrierte Denkweise (
inte-
grated thinking
) im Rahmen der unternehmerischen Entschei-
dungen sowie Aktivita¨ten fo¨rdern sollte.
Bezu¨glich der Adressaten des IR wird in Rdn. 1.6 des Frame-
work-Entwurfs aufgefu¨hrt, dass (Finanz-)Kapitalgeber
31
als die
prima¨ren Adressaten eines integrierten Berichts gesehen werden,
die durch den Bericht in ihren Kapitalanlageentscheidungen un-
terstu¨tzt werden sollen. Insbesondere die Kapitalgeber mit einem
langfristigen Investmenthorizont (
long term view
) sollen im Fo-
kus des IR stehen und davon profitieren
32
. Diese Eingrenzung
des Adressatenkreises stellt gegenu¨ber dem Diskussionspapier
eine klare Konkretisierung, aber auch eine deutliche Abschwa¨-
chung der Position der anderen Stakeholder im Hinblick auf die
Ausrichtung des IR sowie des integrierten Berichts dar. Dies er-
weckt den deutlichen Eindruck, dass der integrierte Bericht von
den Zielsetzungen der Finanzberichterstattung
33
und nicht von
jener der Nachhaltigkeitsberichterstattung dominiert wird bzw.
beide Berichterstattungsformen nicht „gleichwertig“ zu IR bei-
tragen sollen. Diese einseitige Adressatenorientierung ist zwar
aus Praktikabilita¨tsgru¨nden und vor dem Hintergrund der star-
ken Beteiligung der Investoren im Pilotprogramm versta¨ndlich,
schu¨rt aber auch die deutliche Vermutung, dass der geforderte
Einbezug verschiedener Kapitalarten im Rahmen des IR
34
und
der eingefu¨hrte, unbestimmte erweiterte Wertbegriff
35
lediglich
im Zusammenhang mit den Interessen der Kapitalgeber und
nicht sa¨mtlicher Stakeholder auszulegen ist. Diese Auslegung
la¨sst auch das im Framework geforderte Leitprinzip der „
stake-
holder responsiveness
“, d. h. der Stakeholder-Orientierung, in
einem spezifischen Licht erscheinen (siehe spa¨ter Gliederungs-
punkt 3). Es kommt somit im Konsultationsentwurf eindeutiger
zum Ausdruck als im Diskussionspapier des Jahres 2011, dass
IR prima¨r die Kapitalmarktkommunikation verbessern sollte,
was sicherlich auch des intensiven Einflusses von Institutionen
und Personen auf das IIRC geschuldet sein du¨rfte, die der vom
Kapitalmarkt dominierten US-amerikanischen Auffassung von
corporate governance
und
corporate reporting
nahestehen. Das ein-
zige „neue“ Charakteristikum ist dabei die explizite Hervor-
hebung der Investoren mit dem „
long term view
36
, die durch IR
besonders profitieren sollten. Gleichwohl scheint deren Beru¨ck-
sichtigung auch nicht sehr dominierend zu sein, da IR im Fra-
mework nicht nur auf die langfristige Wertschaffung im Unter-
nehmen beschra¨nkt wird, sondern explizit auch die „kurz- und
mittelfristige“ Wertschaffung einbeziehen sollte
37
, die eigentlich
fu¨r die langfristig orientierten Investoren zumindest zweitrangig
sein du¨rfte.
Neben der Definition von IR, der Zielsetzung sowie der zen-
tralen Adressaten eines integrierten Berichts wird im ersten Ka-
pitel die Funktion des IR-Framework erla¨utert. Grundsa¨tzlich
soll das Framework durch die Vorgabe von Leitprinzipien und
wesentlichen Inhaltselementen Unternehmen bei der Implemen-
tierung des IR-Prozesses aber insbesondere bei der Konzeption
eines integrierten Berichts unterstu¨tzen. Dabei schließt das IIRC
explizit die Aufnahme konkreter Berichtsinstrumente und -me-
thoden in das Framework aus
38
. Stattdessen wird es dem Ma-
nagement u¨berlassen, was konkret wie zu berichten ist. Gleich-
wohl (auch hier wird ein riesiger Spannungsbogen ero¨ffnet) soll-
te das Framework auch dazu beitragen, ein gewisses Maß an
Vergleichbarkeit der Berichte zu gewa¨hrleisten (siehe spa¨ter)
39
.
Das IR-Framework ist prima¨r fu¨r die Anwendung durch
nicht-o¨ffentliche gewinnorientierte Unternehmen jeglicher Gro¨-
ße gedacht, soll aber durch entsprechende Anpassungen auch
von o¨ffentlichen Unternehmen und gemeinnu¨tzigen Organisa-
tionen verwendet werden ko¨nnen
40
. Die anwendenden Institu-
tionen haben darauf zu achten, dass nicht nur einzelne Anforde-
rungen, sondern das Framework umfa¨nglich erfu¨llt wird. Fu¨r
den Fall, dass die Berichterstattung u¨ber bestimmte Sachverhalte
aufgrund fehlender verla¨sslicher Daten, gesetzlicher Auflagen
oder wegen wettbewerblicher Bedenken eingeschra¨nkt wird, sind
diese Tatsachen offenzulegen und der Grund der fehlenden Of-
fenlegung zu erla¨utern
41
.
Die substituierende oder erga¨nzende Eigenschaft des inte-
grierten Berichts in Bezug zu bereits bestehenden Berichterstat-
tungsformen wurde im Rahmen der Stellungnahmen zum Dis-
kussionspapier intensiv diskutiert
42
. Auch diesbezu¨glich schafft
der Konsultationsentwurf nun eine klare Konkretisierung, indem
27 Die Formulierung „kurz,- mittel- und langfristig“ wird im Rahmen des Frame-
work-Entwurfs mehrmals verwendet, erfa¨hrt aber keine Konkretisierung in
Jahresangaben, sondern ist unternehmensspezifisch festzulegen; vgl. IIRC,
a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 5.22.
28 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.3.
29 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.5.
30 Hier erfolgt explizit der in der Definition nicht mehr vorhandene Verweis auf
die Rechenschaftsfunktion eines solchen integrierten Berichts und implizit
(u¨ber den Verweis auf die Kapitalarten) die Verbindung zum „Nachhaltig-
keitsprinzip“.
31 Unter diesem Begriff werden bestehende und potenzielle Eigen- oder Fremd-
kapitalgeber zusammengefasst.
32 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.8.
33 Die Adressaten entsprechen jenen der Berichterstattung nach IFRS; vgl.
IASB, Conceptual Framework for Financial Reporting, OB2.
34 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Abb. 4 S. 13.
35 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 2.42.
36 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.8.
37 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.3.
38 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.13 und 1.19.
39 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.13 f.
40 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.10. Obwohl die Anpassungsfa¨higkeit und
Skalierbarkeit des Framework, um den Bedu¨rfnissen von o¨ffentlichen und
gemeinnu¨tzigen Organisationen zu entsprechen, im Rahmen der Stellung-
nahmen zum Diskussionspapier oftmals gefordert wurden, scheint deren Be-
ru¨cksichtigung im Framework noch nicht ausreichend umgesetzt.
41 Vgl. IIRC, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1.12.
42 Ausgangspunkt dieser Diskussion war die im Diskussionspapier enthaltene
Beschreibung des integrierten Berichts als „a single report that the IIRC an-
ticipates will become an organization’s primary report, replacing rather
than adding to existing requirements.“ IIRC, a.a.O. (Fn. 6), S. 6.
DER BETRIEB | Nr. 21 | 24. 5. 2013
Betriebswirtschaft
1127
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...86
Powered by FlippingBook