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8 / 2013
KURS
FONDS & CO.
Wende gefährdet
Wohin steuert die
Windkraftbranche
angesichts der Überle-
gungen der Bundesregierung, die Förderung für den Ausbau
der Erneuerbaren Energien zu begrenzen? Auskunft gibt
Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverbands
WindEnergie, im Gespräch mit KURS.
KURS: Frau Pilarsky-Grosch, vor zwei Jahren verkündete die
Bundesregierung, aus der Atomenergie auszusteigen. Man
wollte zügig auf alternative Energien umsteigen. Jetzt redet
man nicht mehr so gerne davon.Was ist inzwischen passiert?
Pilarsky-Grosch:
Ganz einfach.Das Erneuerbaren-Energie-Ge-
setz zeigt seine Wirkung. Die erneuerbaren Energien erobern
immer mehr Marktanteile, und die konventionellen Energie-
erzeuger stellen zunehmend fest, dass Ihre Modelle nicht mehr
funktionieren. Jetzt prallen gegensätzliche Interessen aufeinan-
der.Ärgerlich ist derzeit aber vor allem, dass sich die Regierung
auf dieArgumente der konventionellenEnergieerzeuger einlässt
und das Marktversagen den Erneuerbaren anlastet.
KURS: Bundesumweltminister Altmaier hat bereits im Ja-
nuar eine Strompreisbremse vorgeschlagen. Konkret will er
erneuerbare Energien weniger fördern. Seiner Ansicht nach
muss bei der Förderung gespart werden, um Strom nicht noch
teurer zu machen. Liegt er mit seiner Einschätzung richtig?
Pilarsky-Grosch:
Nein, damit liegt er nicht richtig. Minister
Altmaier verkennt vollkommen den Einfluss der Entwick-
lung des Börsenpreises, an den auch die Höhe der EEG-
Umlage gekoppelt ist. Je größer das Angebot von Öko-Strom,
desto niedriger die Börsenpreise für konventionellen Strom,
weil die Nachfrage danach sinkt. Die Versorger geben diese
Preissenkung jedoch nicht an den Verbraucher weiter. Das
ist Marktversagen zu Lasten des Verbrauchers. Die EEG-
Umlage von 5,27 ct/kWh bietet also keine Grundlage zur
Beurteilung der Kosten der erneuerbaren Energien. Die rei-
nen Kosten zur Finanzierung von Ökostrom machen zurzeit
weniger als 2,7 ct/kWh aus. Der Restbetrag fällt an, weil
der Gesetzgeber so viele Unternehmen von der Zahlung der
Stromsteuer befreit hat und der sinkende Börsenpreis aus-
geglichen werden muss. Eine Einschränkung der Förderung
künftigerWindenergieprojekte an Land hätte praktisch keine
Auswirkung auf die EEG Umlage.
KURS: Die Konsequenz? Wer würde dann noch Windparks
bauen?
Pilarsky-Grosch:
Das hinge davon ab, wie stark die Förde-
rung eingeschränkt wird und natürlich auch von den Stand-
orten der Anlagen. Die Energiewende würde aber mindestens
stark verlangsamt, wenn nicht gar gestoppt.
KURS: 2012 wurden Windkraftanlagen mit einer instal-
lierten Leistung von rund 2500 Megawatt in Deutschland
gebaut – Investitionen in Höhe von rund drei Milliarden
Euro. Anfang des Jahres ist der Ausbau hingegen ins Stocken
geraten. Hält sich die Branche deshalb zurück?
Pilarsky-Grosch:
Die Branche ist stark verunsichert, aber die
Finanzierung für laufende Projekte ist überwiegend gesichert.
Windanlagen benötigen bei Planung, Genehmigung und Bau
viel Vorlaufzeit, und es ist ja auch schon länger bekannt, dass
Veränderungen anstehen.Dennoch investiert die Branche auch
jetzt noch, solange die Förderung durch das EEG gesichert ist.
Was jedoch nicht geht, sind unüberlegte Schnellschüsse der
Regierung, die die Investoren abschrecken.
KURS: Die Reform des Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG)
ist jetzt schon beschlossene Sache.Was erwartet die Branche?
Pilarsky-Grosch:
Das EEGwird regelmäßig reformiert. So steht
es ja auch im Gesetz. Uns graut aber vor Sofortmaßnahmen,
die übereilt und nicht durchdacht getroffen werden könnten,
um politische Handlungsfähigkeit vorzugaukeln. Dazu gehört
etwa eine sofortige Absenkung der Umlage von Ökostrom,
aber auch eine Quotenregelung, nach der Stromvertrieben die
Erhöhung ihre Anteils an erneuerbaren Energien innerhalb
eines bestimmten Zeitrahmens zur Auflage gemacht würde.
Stadtwerke und andere Versorger müssten den Strom aus rege-
nerativenEnergien dann selbst erzeugen oder amMarkt kaufen.
Sie würden auch selbst entscheiden, ob sie den Grünstrom-
erzeugern Festpreise zahlen oder Marktprämien, ebenso, ob
der Anteil an grünem Strom aus Biomasse, Solarenergie oder
Windkraft gewonnen würde. Der Anreiz, in erneuerbare Ener-
gien zu investieren wäre sehr gering. Und mit einem solchen
Modell wäre jede Bürgerbeteiligung tot,weil Privatleuten dafür
das finanzielle Polster fehlte.
KURS: Welche konkreten Vorschläge hat der BWE bislang
zu einer Neuausrichtung des EEG unterbreitet?
Pilarsky-Grosch:
Der BWEmöchte eineVeränderung des Umla-
gemechanismus und strebt auch stärkere Systemverantwortung
an, etwa in Bezug auf die Stromnetze und die Infrastruktur.
Konkret wollen wir erreichen, dass Strom nicht mehr am
Spotmarkt gehandelt wird, wo ohnehin nur die niedrigsten
Preise zu erzielen sind. Vielmehr wäre es sinnvoll, wenn die
Vertriebe den Ökostrom stärker selbst vermarkten müssten.
Wir möchten durch die Übernahme von mehr Systemverant-
wortung auch marktwirtschaftliche Elemente stärken. Derzeit
werden an alleWindenergieanlagenAnforderungen gestellt, die
volkwirtschaftlich sinnvoller von bestimmtenWindenergieanla-
gen erfüllt würden.Diesemüssten ihreMehrinvestitionen dann
auch vermarkten können.
Das Gespräch führte Susanne Osadnik