VORSORGE
3
Spezial 3 / 2013
KURS
Liebe Leser,
haben auch Sie früher die verfilmten
Lausbubengeschichten des Ludwig
Thoma im Kino gesehen? Ja? Dann
können Sie sich sicher noch an die
Szene erinnern, in der der Lausbub
Ludwig nach einer Missetat vom
Pfarrer „Kindlein“ mit vorgehaltenem Kruzifix aufge-
fordert wird, seine Unschuldsbeteuerung durch einem
Schwur zu bekräftigen. Ludwig schwört mit drei erhobe-
nen Fingern, richtet jedoch gleichzeitig drei ausgestreckte
Finger der anderen Hand hinter seinem Rücken nach un-
ten, um so den Meineid sozusagen in Blitzableiterfunkti-
on schadlos ins Erdreich abzuleiten.
Warum nur steht mir auch heute noch, nach so vielen
Jahren, diese Filmsequenz des schlitzohrigen Eid-Relati-
vierens vor Augen, wenn ich an die bevorstehenden Wah-
len zum Bundestag und – quasi als Ironie des Schicksals
– auch zum bayerischen Landtag denke, in dem der bau-
ernschlaue Abgeordnete Jozef Filser einst als Spezi des
Lausbuben Ludwig sein politisches Wesen trieb?
Warum nur kommen mir immer wieder diese satirischen
Beobachtungen der damaligen Welt der Honoratioren –
heute würde man sie Elite nennen – in den Sinn, wenn in
den Fernsehdebatten unsere Volksvertreter ihre schönen
Zukunftsgemälde mit breiten Strichen zeichnen und uns
dabei versichern, dass nach ihrer erfolgreichen Wahl die
Welt schon wieder ein Stück schöner aussehen wird? Wa-
rum nur zweifle ich Tor an unserer Kanzlerin, wenn sie
doch glaubhaft versichert, wie unglücklich sie mit dem
Zustand dauerhafter Niedrigzinsen ist, weil die dazu bei-
tragen, das Altersvermögen vieler Bürger langfristig zu
vernichten? Warum nur will meinem einfältigen Gehirn
nicht einleuchten, dass die Beteuerungen der so sehr um
unser Wohlergehen besorgten Parteieliten, die Altersvor-
sorge auf breiter Front zu stärken, gerade dann reiche
Früchte tragen werden, wenn man auf Anbieter und Ver-
mittler privater Vorsorgeangebote verbal eindrischt, als
gäbe es kein Morgen mehr? Warum nur bin ich so ein
Narr zu (irr-)glauben, dass eine durch wundersame EZB-
Geldmengenaufpumpung verschleppte Schuldenkrise und
eine die demographische Unwucht befördernde desolate
Familienpolitik der Zukunftssicherung unseres Landes
unwiderruflichen Schaden zufügen könnten?
Warum also nur, warum, habe ich auf so viele Warums
keine Antwort? Vielleicht schaue ich beim nächsten Fern-
sehtalk den Politikern doch einmal genauer auf die Fin-
ger und halte es dann mit der Philosophie des Lausbuben
Ludwig Thoma, der mit Blick auf die Honoratioren mein-
te, „man muss nachdenken, was man tut, denn man kann
es nicht vorhersagen, weil man erst studieren muss, was
sie am meisten ärgert“.
George Clegg
INHALT
© fotolia
© fotolia
© fotolia