KURS MAGAZIN 10/2013 - page 44

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KURS
10 / 2013
FONDS & CO.
D
ie Rentenmärkte etablierter Schwellenländer wie Brasi-
lien oder China sind seit den 1990er-Jahren gereift und
zeichnen sich heute durch relativ starkesWachstum, sta-
bile politische und soziale Bedingungen sowie niedrige Ver-
schuldung aus.Mit einemDurchschnittsanteil der öffentlichen
Verschuldung am Sozialprodukt von etwa 35 Prozent stehen
viele Schwellenländer inzwischen deutlich besser da als Indust-
rienationen. Zunehmend kritischer sehen Investoren aber, dass
die Anleihe- und Währungsmärkte einiger Schwellenländer
überlaufen sind: Der Anteil ausländischer Investoren an den
nationalen Währungsschulden ist in manchen Fällen, etwa
Mexiko, innerhalb weniger Jahre von 15 auf fast 35 Prozent
gestiegen. Seit 2010 hat sich dasMarktvolumenmassiv erhöht.
Als Folge daraus haben sich die Credit Spreads und Zinsen
für die klassischen Schwellenländer bis zum frühen Mai 2013
deutlich verringert. Als dann die US-Zinsen wieder anstiegen,
führte das zu einemwahren Exodus von Investoren und einem
der stärksten Einbrüche für Anleihen aus klassischen Schwel-
lenländern wie Brasilien oder Russland. Fonds, die auf diese
Anleihen setzten, erlebten 16 Wochen hintereinander massive
Mittelabflüsse.
Gerade deshalb beschäftigen sich immer mehr Investoren mit
FrontierMarkets.Denn gut gesteuerte Frontier-Markets-Fonds
boten durch die niedrige Korrelation zu allen anderen Anla-
geklassen auch während des jüngsten Schwellenländer-Crashs
stabile Renditen. Aktuell zählen rund 100 Staaten zu dieser
Gruppe, in rund 65 von ihnen kann investiert werden. Länder
wieAngola,Ghana oder dieMongolei zeichnen sich durch rela-
tiv starkes und langfristiges Wachstum sowie hohe Zinsen aus.
IhreWachstumsraten liegen meist deutlich über denen bekann-
ter Schwellenländer.Nigeria beispielsweise besitzt einViertel der
nachgewiesenen Öl- und mehr als ein Drittel der Gasreserven
Afrikas, 80 Prozent seiner Fläche gelten als landwirtschaftlich
nutzbar. Die Bevölkerung von 160 Millionen Menschen bildet
einen großen Markt; sie wird bis 2030 voraussichtlich auf 230
Millionen wachsen. Anleihen Nigerias, die derzeit 13 Prozent
Zinsen liefern, wurden im vergangenen Herbst in die großen
Indizes aufgenommen, was viel Geld internationaler Investoren
einbrachte.
Frontier Markets befinden sich auch auf dem europäischen
Kontinent. Beispiele sind Serbien, Bosnien Herzegowina, die
Ukraine und Weißrussland. Ebenfalls attraktiv sind derzeit
Ghana, Costa Rica, Malawi und Sierra Leone. Neben den
attraktiven Renditen bieten zudem auch die lokalen Wäh-
rungen Chancen für Investoren. Durch die aufholende, starke
Wirtschaftsentwicklung haben die Währungen ein hohes Auf-
wertungspotenzial, vergleichbar mit dem der nun etablierten
Schwellenländer vor und um die Jahrtausendwende.
Geringe internationale Verflechtung
WasAnleger noch schreckt, ist derVerdacht mangelnder Liqui-
dität von Frontier-Markets-Anleihen. Doch obwohl ihr Volu-
men kleiner als das traditioneller Entwicklungsländer ist, haben
sie einen signifikanten Anteil amHandelsvolumen der Schwel-
lenländer. Ihre Liquidität ist meist höher als die europäischer
High Yields und liegt bei über 350 Milliarden US-Dollar.Auch
niedrigeVolatilität macht Frontier-Markets-Anleihen attraktiv:
Im Unterschied zu etablierten Märkten werden solche Staats-
anleihen vorallem von lokalen Anlegern gehalten – der Anteil
internationaler Investoren, die ihr Geld bei Marktumschwün-
gen oder schlechten Nachrichten abziehen, ist klein. Geringe
internationale Verflechtung ist eine Ursache für die niedrige
Korrelation zu allen anderenAsset-Klassen. Bei der Beurteilung
der Länder und Chancen sollten Investoren wissen, dass einige
Titel von langfristig nationalen Entwicklungen geprägt sind,
andere von internationalen wie schwankenden Rohstoffpreisen
oder der Euro-Krise. Da Frontier Markets nicht ausgereift und
natürliche Ressourcen oft das wichtigste Asset sind, bedarf es
detaillierter Vor-Ort-Kenntnisse, um ihr Risiko einzuschätzen.
Vor allem die politische Situation kann sich rasch ändern – das
haben die Unruhen in der Elfenbeinküste nach der Wahl 2010
und der Arabische Frühling 2011 gezeigt.
Michael Hansen ist Senior Strategist des dänischen
Emerging-Markets-Spezialisten Global Evolution.
Neuland im Portfolio
„FrontierMarkets“
gehören zu den Schwellenländern und umfassen
vergleichsweisewenig entwickelte Staatenwie Angola, dieMongo-
lei oder Nigeria. Anleihen solcher Länder sind nicht nur wegen
ihres Risiko-Rendite-Profils interessant, sondern auchwegen der
niedrigenVolatilität und geringen Korrelation zu anderenAnla-
geklassen.Während des jüngsten Crashs in den Schwellenlän-
dern zeigten sich FrontierMarkets erstaunlich robust.
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