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KURS
10 / 2013
VERS I CHERUNGEN
In schwerer See
E
ine „Ente“ soll es gewesen sein, was die Süddeutsche
Zeitung da verbreitet hatte. Angeblich seien zehn Le-
bensversicherer bei der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) mit demAnsinnen vorstellig gewor-
den, die Mindestzuführungsverordnung außer Kraft setzen
zu wollen, um so Gewinnanteile nicht an die Versicherten
ausschütten zu müssen.Alexander Erdland,Vorstandsvorsit-
zender des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungs-
wirtschaft (GDV), fand starkeWorte: „Diese Verunsicherung
von MillionenAltersvorsorgesparern verurteilen wir auf das
Schärfste.“ Der GDV stellte fest, „dass kein am deutschen
Markt tätiger Lebensversicherer die Möglichkeit zur Aus-
setzung der Mindestzuführungsverordnung in Anspruch
nimmt.“
Immer wenn die Versicherungsbranche etwas dementiert,
ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten – so auch in diesem
Fall. Auch wenn bisher vielleicht noch kein Unternehmen
die gesetzlichen Überschussbeteiligungen der Versicherten
gekürzt hat – tun würden das einige Versicherer doch schon
ganz gern. Denn sie ächzen unter der Last der Garantie-
verzinsungen ihrer Bestände, vor allem unter der Last der
Vierprozenter aus den Jahren 1994 bis Juni 2000. Da nutzt
es wenig, wenn die Branche darauf verweist, dass sie mit
im Schnitt 4,6 Prozent Nettorendite immer noch deutlich
höhere Erträge aus ihren Kapitalanlagen erwirtschaftet als
zur Bedienung der Garantien notwendig ist. Doch die Argu-
mentation hat einen Schönheitsfehler. Der Durchschnitt sagt
wenig über die Leistungskraft einzelner Versicherer. Zehn
Lebensversicherer erzielten 2012 weniger als vier Prozent,
so Untersuchungen des Branchendienstes map-Report.
Keine Frage, die anhaltende Niedrigzinssituation setzt den
Versicherern schwer zu. Nach Einschätzung der BaFin kön-
nen die Versicherer die Niedrigzinsphase angeblich noch bis
zum Jahr 2027 überstehen. Doch die eigentliche Frage ist:
Wie viele können das? Offen wird darüber spekuliert, dass
ab 2018 das finanziell schwächste Fünftel des Marktes in
die Bredouille geraten könnte.Vorsorglich hatte die Aufsicht
den Lebensversicherern die Bildung einer Zinszusatzreserve
auferlegt. Doch deren Finanzierung wird zunehmend pro-
blematisch.
Einsparpotenzial bald ausgeschöpft
Bei den stillen Reserven hat die Branche die vom Gesetzge-
ber erwünschte Änderung der seit 2008 geltenden hälftigen
Beteiligung der Kunden mit auslaufendenVerträgen nicht er-
reicht. Die weitere Absenkung der Überschussbeteiligungen
macht die Lebensversicherung immer unattraktiver, was zu
weiteren Neugeschäftsverlusten führt. Für einige Unterneh-
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Den
deutschen Versicherern
bläst der Wind gleich aus mehreren Richtungen ins Gesicht. Die Branche
braucht strukturelle Veränderungen. Doch bislang übt sie sich vor allem im Abwarten, Beschwichtigen und
Dementieren.