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KURS
10 / 2013
VERS I CHERUNGEN
Große Sorge bereiten auch Leitungswasserschäden. Immer
mehr Häuser kommen in die Jahre und damit auch die Was-
serleitungen. Die letztenWinter mit teilweise schweren Frost-
perioden haben ebenso zum Anstieg der Schadenbelastung
beigetragen. Rund 1,5 Millionen Leitungswasserschäden
werden den Versicherern jährlich gemeldet.
Auch bei Blitz- und Überspannungsschäden kämpft die Bran-
che mit rasant wachsenden Zahlen. Im vergangenen Jahr
wurden 410.000 Schäden mit Kosten von 330 Millionen
Euro angezeigt. Dabei steigen vor allem die durchschnittli-
chen Schadensummen je Versicherungsfall, da dieWertigkeit
von elektronischen Geräten in den Haushalten zunimmt.
Sogar die Schäden durch Brände und Explosionen nehmen
im privaten Bereich zu. Die Ursachen: Gerätefehler durch
billige Bauteile und mangelnde Sicherheit sowie Brand- und
Explosionsschäden durchAkkus, so das Institut für Schaden-
verhütung und Schadenforschung. Insgesamt ist die Wohn-
gebäudeversicherung für die Branche defizitär.
Zinsgewinne fehlen
Kaum etwas demonstriert das Dilemma der Schadenversi-
cherer besser als die Situation in der Kfz-Versicherung. Zwar
steigen die Beitragseinnahmen als Folge von Prämienerhö-
hungen im Bestand und im Neugeschäft seit vergangenem
Jahr deutlich, auf einen grünen Zweig kommen die Versi-
cherer wegen wachsender Schadenaufwendungen dennoch
nicht. Die Schaden-Kosten-Quote beläuft sich auf über 100
Prozent. Der Wettbewerbsdruck ist weiter sehr hoch. In der
Vergangenheit konnten die Schaden- und Unfallversicherer
ungünstige versicherungstechnische Ergebnisse mit Erträgen
aus Kapitalanlagen immer wieder ausbügeln. Das klappt in
der Niedrigzinssituation nicht mehr. Deshalb sind viele Scha-
den- und Unfallversicherer dazu übergegangen, ihre Bestände
zu sanieren. Teilweise mit rabiaten Methoden werden nicht
nur schadenträchtige Verträge gekündigt, sondern vor allem
Bestandskunden vor die Alternative Beitragserhöhung und
Selbstbeteilung oder Kündigung gestellt.
Strukturelle Veränderungen statt ein„Weiter so“
„Die deutschen Versicherer müssen endlich handeln.“ Zu
dieser Einschätzung kommt das Managementberatungsun-
ternehmen Oliver Wyman nach Analyse der Entwicklung in
der deutschen Versicherungswirtschaft in den Jahren 2005
bis 2011. Die Unternehmen müssten vor allem neue Wachs-
tumsfelder identifizieren. In der Sachversicherung seien die
Prämieneinnahmen im Betrachtungszeitraum inflationsbe-
reinigt um neun Prozent gesunken, die Vertragsstückzahl
um drei Prozent. Zwar hätten die Unternehmen die Verwal-
tungskostenquoten deutlich gesenkt, der Anteil der Vertriebs-
kosten sei mit 50 Prozent in den Sachversicherungen und 60
Prozent bei den Lebensversicherern aber deutlich zu hoch.
Der neueste Vorstoß des GDV für eine gesetzliche Deckelung
der Provisionen hat genau dieses Ziel. Die Initiative kam
von der Allianz, der GDV folgte dem Marktführer gewohnt
willig – ohne Not und ohne Konzept, wie Insider kritisieren.
Die Allianz-Vertreter werden die Deckelung der Provisionen
durchstehen, viele andere Vermittler jedoch nicht.
Zur Senkung der Schadenstückkosten empfiehlt die Un-
ternehmensberatung die Optimierung des Schadenmana-
gements. Die Lebensversicherer müssten der sinkenden
Attraktivität und steigenden Kapitalintensität ihre Produk-
te entgegentreten, beispielsweise durch Einfachheit, Trans-
parenz und neue Garantiemodelle. Letztere sollten jedoch
weiterhin echte Garantien seitens des Versicherers gegen-
über den Kunden sein, mahnt Oliver Wyman. Bei den bisher
vorgestellten Lösungen von Ergo und Allianz ist fraglich,
ob sie die Akzeptanz bei den Kunden finden, die sich die
Unternehmen erhoffen.
Bei den Kapitalanlageergebnissen attestiert das Beratungsun-
ternehmen denVersicherern noch Potenzial zur Verbesserung
im Anlagemanagement und der Risiko-Rendite-Profile. In
der Asset-Allokation könne eine Stärkung illiquider Asset-
Klassen bis hin zur Erhöhung der Aktienquote unter Dividen-
dengesichtspunkten die Anlageergebnisse stabilisieren. Und
schließlich schreibt Oliver Wyman den deutschen Versiche-
rern ins Pflichtenheft, dass sie sich mehr um jungen qualifi-
zierten Nachwuchs bemühen müssen. Denn ein Viertel aller
Innendienstmitarbeiter und 27 Prozent aller Außendienstler
sind älter als 50 Jahre. Damit sind die Versicherungsunter-
nehmen „älter“ als der Schnitt der Bevölkerung.
Während dieVersicherungswirtschaft gerne immer noch Pro-
bleme unter den Teppich kehrt und abwiegelt, rät Berhard
Kotanko, Partner und Leiter Insurance Practice in Europa
bei OliverWyman: „Entscheidend ist jetzt für viele Versiche-
rer, nicht weiter abzuwarten und in Klein-Klein zu arbeiten,
sondern offensiv die Herausforderungen anzupacken.“
Hans Pfeifer
Versicherungszweig
Schaden-Kosten-Quote in Prozent
2010
2011
2012
Kraftfahrtversicherung insgesamt, davon:
107,4
107,4
103
- Kfz-Haftpflicht
105,9
104,3
102
- Vollkasko
113,8
115,1
106
- Teilkasko
95,2
101,2
92
- Flottenversicherung
117,2
114,5
106
Sachversicherung insgesamt, davon:
99,3
97,4
98
- Wohngebäudeversicherung
112,2
106,6
103
- Hausratversicherung
78,5
79,8
81
- gewerbliche Sachversicherungen
102,5
102,2
106
Allgemeine Haftpflichtversicherung
91,1
90,0
92
Private Unfallversicherung
80,3
79,6
80
Rechtsschutzversicherung
99,6
97,7
96
Transport- und Luftfahrtversicherung
95,8
98,6
100
Kredit-, Kautions- und Vertrauensschadenversicherung
56,9
67,3
80
Quelle: GDV
Schaden- und Unfallversicherung: Hohe Belastungen