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energie | wasser-praxis
10/2014
O R G A N I S A T I O N & M A N A G E M E N T
positiv hervorzuheben, weil beide Me-
thoden Lösungsvorschläge und Maß-
nahmenmitliefern, die von denMitar-
beitern selbst erarbeitet wurden. Die
Fragebögen ermöglichen nur einen
Überblick über den Ist-Zustand. Klassi-
sche Maßnahmen einer psychischen
Belastungsanalyse sind zum Beispiel
Kommunikations- und Führungskräf-
tetrainings, Stress- und Burnout-Prä-
vention, Teamentwicklung, organisa-
torische oder personelle Maßnahmen.
Psychische Belastungen werden oft als
Arbeitsunfall der Moderne bezeichnet.
Für Unternehmen bedeutet das vor
allem eins: hohe Kosten. Die sichtba-
ren Kosten rund um den Arbeitsausfall
sind offensichtlich, aber die sogenann-
ten unsichtbaren Kosten wiegen nicht
weniger schwer: Mitarbeiter leisten
weniger, machen mehr Fehler, sind
unkonzentrierter, schneller müde und
weniger motiviert. Wer in seinem Un-
ternehmen regelmäßig psychische Be-
lastungsanalysen durchführt und die
Ergebnisse ernst nimmt, reduziert so-
mit mögliche Belastungen und die da-
mit verbundenen Kosten. Er vermeidet
langfristig Erkrankungen, sorgt für
Arbeitszufriedenheit und Leistungsfä-
higkeit seiner Mitarbeiter und steigert
ihre Motivation. Zum Abschluss sei
noch bemerkt: Psychische Belastungs-
analysen gehören zu den Gesundheits-
förderungsmaßnahmen und sind steu-
erlich begünstigt.
W
Weise aktuell. Übrigens: Wenn Vorge-
setzte bei Schulungs- bzw. Trainings-
maßnahmen dabei sind, wirkt sich das
positiv auf die Motivation der Mitar-
beiter aus. Die Mitarbeiter fühlen sich
ernst genommen und Unklarheiten
können direkt geklärt werden.
Psychische Belastungsanalysen
Klassische Gefährdungsbeurteilungen
sollen Gefahren und Belastungen an
den Arbeitsplätzen bzw. Tätigkeiten
aufzeigen und für eine größere Sicher-
heit der Mitarbeiter sorgen. Psychische
Belastungen und Stress wurden in die-
semZusammenhang bisher kaumernst
genommen. Durch die psychische Be-
lastungsanalyse werden diese Themen
erstmalig in der Gefährdungsbeurtei-
lung integriert – ein wichtiger Schritt
in Richtung Gesundheitsmanagement.
Aber auch ökonomisch gesehen ist dies
eine sinnvolle Maßnahme, denn laut
Studien sind ca. 60 Prozent aller Fehl-
zeiten auf psychosoziale Belastungen
zurückzuführen. Psychische Belas-
tungsanalysen sind so gesehen eine
Antwort auf die moderne Stress- und
Burnout-Gesellschaft. Sie sind gesetz-
lich vorgeschrieben und ein effektives
Instrument, um in Unternehmen und
Organisationen ein Bewusstsein für
Themen wie Kommunikation, Füh-
rungsverhalten und Konfliktkultur zu
entwickeln. Denn wenn das Bedürfnis
der Mitarbeiter nach Sicherheit, Zuge-
hörigkeit, Einflussnahme und Orien-
tierung in einemUnternehmen dauer-
haft nicht erfüllt wird, erhöht sich das
Unfallrisiko erfahrungsgemäß um ein
Vielfaches.
Nicht zu vergessen:
der demografische Wandel
Wir leben in einer alternden Gesell-
schaft. Die körperliche und geistige Be-
lastbarkeit älterer Mitarbeiter lässt
nach. Krankheiten wie Diabetes und
Bluthochdruck nehmen zu. Kommen
dann noch psychische Belastungen,
wie zum Beispiel Bereitschaftsdienst,
hinzu, ist das oft ein ernstzunehmen-
des Problem für ältere Mitarbeiter: Die
nächtliche Bereitschaft zehrt amOrga-
nismus. Der Zeitdruck stresst, inner-
halb von dreißig Minutenmuss „man“
bei Gasstörungen am Einsatzort sein
und schnell eine Lösung finden. Für
viele ältere Mitarbeiter kann das auf
Dauer eine nicht tragbare Situation sein
und ein längerer Arbeitsausfall ist
schnell die Folge. Für die betroffenen
Unternehmen beginnt damit oftmals
ein Teufelskreis, da die Arbeitsbelas-
tung im Bereitschaftsdienst für die an-
derenMitarbeiter steigt. Auch hier grei-
fen psychische Belastungsanalysen an
der Wurzel und können Abhilfe schaf-
fen, wenn das betroffene Unternehmen
bereit ist, das Problem zu sehen.
Psychische Belastungsanalyse
– wie geht das?
Es gibt drei klassische Vorgehenswei-
sen, um psychische Belastungsanaly-
sen durchzuführen.
Gruppenverfahren: Die Mitarbeiter
analysieren selbst ihre Belastungen
und erarbeiten Lösungsmöglichkeiten.
Nach ca. drei Stunden liegt der Ge-
schäftsleitung ein repräsentatives Er-
gebnis vor. Die Gruppen werden durch
einen externenModerator geleitet und
sind auf 15 bis 20 Mitarbeiter der glei-
chen Hierarchieebene begrenzt. Als
Beispiel sei hier die Arbeitssituations-
analyse genannt.
Beobachtungsinterview: Externe Ex-
perten beobachten die Arbeitstätigkei-
ten an einzelnen Arbeitsplätzen und
führen ergänzend Interviews durch.
Eine besonders gute Methode ist das
Arbeitsbewältigungs-Coaching
®
der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin. Dieser Ansatz behan-
delt auch ausdrücklich Lösungsmög-
lichkeiten für den demografischen
Wandel.
Fragebögen: Standardisierte Fragebö-
gen werden an die Mitarbeiter verteilt
und anschließend ausgewertet. Ist das
jeweilige Verfahren abgeschlossen,
werten die Geschäftsleitung, der exter-
ne Moderator und die Führungskräfte
die Ergebnisse aus. Hierbei sind das
Gruppenverfahren und das Interview
Dirk Jürgens
ist seit 2000 als selbst-
ständiger Berater und Dozent in der
Versorgungswirtschaft tätig. Seine
Fachgebiete sind Arbeitssicherheit-
und Gesundheitsschutz, TSM, Team-
entwicklung und Coaching.
Kontakt:
Dirk Jürgens Unternehmensberatung
Bornkampsweg 22
22926 Ahrensburg
Tel.: 0179 1120906
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Der Autor
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