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energie | wasser-praxis
10/2014
Quelle: © takomat GmbH, 2013
Frage, ob und zu welchemPreis die vor-
handenen Infrastrukturen zur Wasser-
verteilung in der bestehenden Form
aufrechterhalten werden können: Wel-
che technologischen und strategischen
Anpassungen sind notwendig, um auf
die teilweise nur schwer vorhersehbaren
Wandelprozesse angemessen und flexi-
bel reagieren zu können? Eine Anpas-
sung der Leitungsquerschnitte (meist
Reduzierung) zugunsten geringerer
Aufenthaltszeiten hätte Einschränkun-
gen in der Löschwasserbereitstellung
zur Folge und wäre aus hydraulischer
Sicht energetisch ungünstiger. Die aus-
reichende Bereitstellung von Lösch-
wasser wird jedoch meist historisch
bedingt oder per Landesgesetz vom
Wasserversorger gewährleistet und be-
einflusst in vielen Fällen die Dimensi-
onierung der Leitungsnetze. Die Erar-
beitung alternativer Löschwasserkon-
zepte und die entsprechende Anpas-
sung von Trinkwasserteilnetzen ist ein
Teilaspekt des Projektes TWIST ++
(Transitionswege Wasserinfrastruktur-
systeme: Anpassung an neue Herausfor-
derungen im städtischen und ländli-
chen Raum), das dieWeiterentwicklung
von integrierten Konzepten für Wasser-
versorgungs- und Abwasserentsor-
gungssysteme zum Ziel hat. TWIST++
entwickelt und bewertet unter anderem
Lösungen zur Minimierung des Trink-
auch in Zukunft unter Berücksichti-
gung der oben genanntenWandelpro-
zesse qualitativ einwandfreies Trink-
wasser in ausreichender Menge für den
Verbraucher bereitgestellt werden
kann. Selbstreinigende Trinkwasser-
netze, alternative Löschwasserbereit-
stellung und deren Integration in be-
stehende Systeme gehören hier zu den
speziellen Forschungsfragen. Hin-
sichtlich der Trinkwasserqualität sol-
len insbesondere hygienische Risiken
minimiert werden, indem Schnell-
nachweisverfahren für mikrobiologi-
sche Verunreinigungen in Roh- und
Trinkwasser entwickelt werden.
Sicherung der Wasserversorgung
Der Klimawandel wird in zunehmen-
dem Maße die Wasserversorgung in
Deutschland beeinträchtigen. Die küs-
tennahen Regionen sind durch den
Anstieg des Meeresspiegels betroffen.
Hierdurch dringt Salzwasser immer
weiter in küstennahe Aquifere vor, die
infolge von Versalzung nicht mehr
oder nur eingeschränkt zur Trinkwas-
sergewinnung genutzt werden kön-
nen. Darüber hinaus werden Verände-
rungen in der Niederschlagsverteilung
und der Wasserführung in den Ober-
flächengewässern die Grundwasser-
neubildung regional beeinflussen.
Nicht nur die Angebotsseite der Was-
serversorgung steht vor Veränderun-
gen, auch die Wassernachfrage wird
sich zukünftig ändern. Auf der einen
Seite ist aufgrund eines erhöhten Be-
darfs an Kühl- und Beregnungswasser,
bedingt durch längere Trocken- und
Hitzeperioden, und einemzu erwarten-
den Anstieg des Tourismus in den Küs-
tenregionen während der Sommermo-
nate mit steigenden Spitzenlasten zu
rechnen. Andererseits können die mo-
mentanen demografischen Verände-
rungen mit regional sinkenden Bevöl-
kerungszahlen zu einer sinkenden
Grundlast führen – insbesondere in
vielen ländlichen Gemeinden. Die bei-
den oft kleinräumigen und gegenläu-
figen Entwicklungen der Wassernach-
frage verschärfen den Druck auf die
örtlichen Wasserversorger weiterhin.
Im INIS-Verbundpro-
jekt NAWAK (Ent-
wicklung nachhalti-
ger Anpassungs-
strategien für die
Infrastrukturen
der Wasser-
wirtschaft un-
ter den Bedin-
gungen des kli-
matischen und
demografischen
Wandels) sollen
bereits eingetretene
und zukünftig zu er-
wartende Beeinträchtigun-
gen auf der Angebots- und
Nachfrageseite der Wasserver-
sorgung quantifiziert werden. Aus
gesammelten Messdaten von Bohrun-
gen, geophysikalischen Analysen und
Grundwassermonitoring
(Abb. 1)
und
unter Zuhilfenahme von Modellie-
rungssoftware werden verschiedene
Szenarien zur Entwicklung des zukünf-
tigen Grundwasserdargebots und zum
Verlauf der Süß-/Salzwasser-Grenze auf-
gestellt. So können weitere Faktoren
identifiziert werden, die das Vordringen
des Salzwassers und die Grundwasser-
neubildung maßgeblich beeinflussen
und dadurch dieWirkungsabschätzung
von Klimawandel und demografischen
Veränderungen auf die Wasserversor-
gung erleichtert werden. Basierend auf
diesen Untersuchungen lassen sich
schließlich individuelle Anpassungs-
strategien für die Wasserversorgung
entwickeln, die zukunftsorientiertes
Handeln ermöglichen. Einweiterer zen-
traler Bestandteil des Projekts NAWAK
ist die Partizipation der Akteure vor Ort.
Sie definieren die untersuchungsrele-
vanten Problemstellungen und legen
die Anforderungen an die zu entwi-
ckelnden Anpassungsstrategien fest, die
schließlich in einem Planungsinstru-
ment zusammengeführt werden.
Anpassung von Trinkwassernetzen
Vor dem Kontext der voraussichtlich
heterogenen Entwicklung des Wasser-
verbrauchs (dauerhaft regional sinken-
de Grundlast bei temporär regional stei-
genden Spitzenlasten) stellt sich die
Abb. 2:
TWIST++ Simulationsspiel (Serious Game)